| # taz.de -- Arbeit im Haushalt: Putzen ist das neue Kiffen | |
| > Haushalt ist Routine. Mit Geschirrspülen lässt sich gut der Zumutung der | |
| > Arbeitswelt entfliehen, täglich etwas Neues, Kreatives abliefern zu | |
| > müssen. | |
| Bild: „Durch die Scheibe vom Backofen kann man ja durchschauen“ | |
| Meine Freundin sitzt am Esstisch, ich decke den Tisch. Sie schaut von ihrem | |
| Handy auf und guckt Richtung Herd. Sie stutzt. Sie sagt: „Durch die Scheibe | |
| vom Backofen kann man ja durchschauen.“ | |
| „Scheiben“, sage ich. | |
| Sie zieht die linke Augenbraue hoch. | |
| „Es sind zwei Scheiben, die man rausnehmen muss, wenn man sie putzen will“, | |
| begeistere ich mich. „Die eine steht sogar unter Spannung, man muss | |
| ziemlich aufpassen, damit sie einem nicht entgegenspringt.“ | |
| „Und du hast sie rausgenommen“, sagt sie. | |
| „Und geputzt“, sage ich. „Und deswegen kannst du jetzt die Lasagne sehen.… | |
| „Toll“, sagt sie. „Und wann ist sie fertig?“ | |
| Ich bin in unserem Haushalt für die praktischen, einsamen Dinge zuständig, | |
| meine Freundin für alles mit Zahlen und Kommunikation und für die Wäsche, | |
| aber das ist ein Sonderthema. Dialoge wie den oben stoße ich meist | |
| passiv-aggressiv selbst an. Ich sage dann so was Unsympathisches wie: | |
| „Krass, diese Woche sind schon ein Dutzend Pakete für dich gekommen – wo | |
| ist bloß der ganze Verpackungsmüll geblieben?“ | |
| ## Jahre vergehen, die Spüle bleibt voll | |
| Tatsächlich ist es so, dass in den auch schon bald zehn Jahren, in denen | |
| wir zusammenwohnen, sie noch nie – sie bestreitet das, aber egal – den | |
| Papiermüll runtergebracht hat. Sie weiß auch nicht, wo der nächste | |
| Glascontainer ist (vor Edeka, falls es Sie interessiert). Einmal im Jahr | |
| postet sie Rosenfotos aus dem Hausgarten, den ich pflege, auf Instagram. | |
| Das ist ihre Art der Anerkennung für die Dinge, die ich täglich tue. | |
| Der Haushalt – das sind unendliche Weiten; mit dem Unterschied zu den | |
| Abenteuern des Raumschiffs „Enterprise“, dass hier die Staub-, Dreck-, | |
| Abspül-, und Kochgalaxien nicht erforscht, sondern sisyphusartig immer | |
| wieder aufs Neue durchkreuzt werden müssen. Viele Lichtjahre von | |
| sinnstiftenden Tätigkeiten entfernt dringt der Haushaltende in Galaxien | |
| vor, die kein Mensch sehen will. | |
| Ich habe leider ein Faible für Routinetätigkeiten, und Haushalt ist wie | |
| Kiffen. Beim Haushaltsjoint denkt man irgendwann an gar nichts mehr, der | |
| Deutschlandfunk liefert die dudelnden Katastrophenmeldungen dazu, und | |
| schwups – ist ein Jahr vergangen und in der Spüle stapelt sich wie gewohnt, | |
| wie immer, als wäre nichts geschehen, das Geschirr. | |
| Ich habe noch eine Mutter, die am Fließband Haushaltsdienstleistungen | |
| abgeliefert hat. Sie ist heute so schlecht beieinander, wie man es eben | |
| ist, wenn man ein Leben lang hart körperlich gearbeitet hat. Das ist es | |
| aber nicht, wovor ich Angst habe. Ich habe Angst vor mir selbst, vor meinem | |
| Steckenbleiben in der ewigen Wiederkehr des Gleichen, das natürlich nicht | |
| zuletzt eine Flucht ist vor der Zumutung der Arbeitswelt, täglich etwas | |
| Neues, Kreatives abliefern zu müssen: wie diese Kolumne, die es von nun an | |
| regelmäßig geben wird – vorausgesetzt, das Essen steht pünktlich auf dem | |
| Tisch. | |
| 11 Aug 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
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