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# taz.de -- Nur putzen und kochen: Mama und Marlene
> Wenn die Mutter abgearbeitet ist und nicht mehr rausmag, hilft auch die
> Ermahnung vom Heiligen Petrus nicht weiter: Denn sie weiß genau, was sie
> tut.
Bild: Auch Marlene Dietrich hatte einen Haushalt – hier in ihrer New Yorker W…
Kürzlich bin ich bei meiner Mutter am Küchentisch gesessen, da hat meine
Tante angerufen.
Ich habe ihr eigentlich sagen wollen, dass wir gerade am Essen sind, aber
vielleicht kennen Sie [1][den Gerhard-Polt-Sketch „Der Erwin“], also so ist
das ein bisschen gelaufen, mal abgesehen davon, dass ich meine Tante
wirklich sehr gernhabe und sie am Schluss selber gesagt hat, ja, hättest du
mir das halt gleich gesagt, dass ihr am Essen seid, und ich gesagt habe,
ja, das hätte ich gleich sagen sollen, aber dann hast du so gute Sachen
gesagt, und dabei habe ich meine Mutter angeschaut, weil wir stellen das
Telefon bei meiner Mutter immer laut, wenn wer anruft, dass wir alle
zuhören und mitreden können, so ein bisschen wie in einem Werbefilm aus
Neapel für Pizza oder so, da geht es auch so laut zu wie bei uns, weil alle
auch sehr schreien, weil meine Mutter hat ein ganz altes Telefon, für
dessen Ersatz mein ältester Bruder zuständig wäre, theoretisch, weil der
sich eigentlich kümmern soll, weil er so einen Beruf hat, mit Computer und
Telefonie und so, da soll er das auch bei meiner Mutter richten. Aber er
hat ja nie Zeit.
Was hat nun meine Tante gesagt? Meine Tante hat gesagt, und das war eben an
meine Mutter gerichtet, nachdem ich meiner Tante erzählt habe, dass ich in
einer Ausstellung in der [2][Alten Pinakothek zur Pastellmalerei] war und
ich meine Mutter wirklich sehr gerne mitgenommen hätte, weil sie hat früher
selber gemalt, aber sie partout nicht gewollt hat, da war nichts zu
deichseln, und da hat meine Tante meiner Mutter Folgendes gesagt: „Was
sagst du denn dem Petrus, wenn du vor ihm stehst und er dich fragt, was
hast du gemacht mit deinem Leben? Immer nur ˈputzt und ˈkocht? Nie einmal
rausgegangen und was erlebt? Das sagst du dann dem Petrus?“
Da hat meine Mutter ganz sparsam geschaut, weil sie hat sich angesprochen
gefühlt, aber auch wieder nicht. Als meine Tante dann eingehängt hat, haben
wir gar nicht groß drüber reden müssen. Aber nicht deswegen, weil wir nicht
an den Petrus glauben, sondern weil meine Mutter weiß, dass ich weiß, wieso
sie nicht mit auf die Ausstellung gegangen ist. Weil meine Mutter gar
nirgends mehr hingeht außer zum Arzt, da muss sie hin, und sie ist ja auch
krank. Da ist es ihr wurscht, wie sie ausschaut, beim Arzt schauen alle
schlecht aus. [3][Meine Mutter ist abgearbeitet, von 60 Jahren
Haushaltsschufterei], ihr tut alles weh, sie läuft nicht mehr gut, die
Haare fallen ihr aus und sie mag sich selbst so nicht. Und sie muss
nirgends hingehen, in keine Wirtschaft und in keine Ausstellung, wenn sie
sich da selbst nicht mag.
## Wie Marlene Dietrich
Das haben wir uns mitgeteilt, während wir eigentlich über das Hendl geredet
haben, das wir gegessen haben, da haben wir uns vollkommen gut verstanden.
Später habe ich meiner Freundin gesagt, die das erst nicht verstanden hat,
meine Mutter, hab ich gesagt, ist wie die Marlene Dietrich: Die hat auch
nicht mehr rausgehen wollen in ihren letzten Jahren. Obwohl die Marlene
Dietrich hat wahrscheinlich nicht so viel im Haushalt gemacht wie meine
Mutter. Was die dem Petrus auf seine Frage geantwortet hat, das täte mich
schon auch interessieren.
4 Oct 2022
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=KpLy3t375aA
[2] https://www.pinakothek.de/pastel
[3] /Kolumne-Blicke/!5079958
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Kolumne Das bisschen Haushalt
Mutter
Hausarbeit
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