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# taz.de -- Lohnlücke zwischen Männern und Frauen: Anerkennung, die sie verdi…
> Mehr als zwei Drittel der Frauen in Deutschland verdienen unter
> Durchschnitt. Um das zu ändern, braucht es mehr Respekt für
> „Frauenberufe“.
Bild: Applaus für systemrelevante Berufe in Berlin-Steglitz im Mai 2020
Es wird alles immer besser, ist ein Irrglaube, der im Hinblick auf
Geschlechtergerechtigkeit beharrlich bestehen bleibt. Feministische
Forderungen sind in den vergangenen Jahren zwar sichtbarer geworden. Doch
egal, ob man den Blick auf die Gewalt-Gefährdungslage oder auf ökonomische
Ungleichheiten richtet: Verbessert hat sich in den letzten Jahren nichts.
Ganz im Gegenteil sogar: [1][Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen wird
größer. 1.192 Euro], so viel monatliches Brutto verdienen Männer im
Durchschnitt mehr als Frauen. Damit ist die Differenz um 4 Euro größer als
vor vier Jahren. Das geht aus einer Antwort des Statistischen Bundesamtes
auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, über die das Redaktionsnetzwerk
Deutschland zuerst berichtete. Die Verdienststrukturerhebung, die den
Angaben zugrunde liegt, findet alle vier Jahre statt, die gemeldeten Zahlen
sind zudem zeitverzögert, es geht also hier um Monatsverdienste im April
2018.
Die Lohnlücke wird größer, je höher der monatliche Verdienst. Von
denjenigen Menschen also, die brutto über 5.100 Euro im Monat bekommen,
sind über 3 Millionen Männer und nicht mal 1 Million Frauen. Noch geringer
fällt der Frauenanteil aus, wenn man sich die Spitzenverdiener:innen, also
ab 12.100 Euro Bruttolohn anschaut – der bei 12,7 Prozent liegt.
Geschlechtergerecht läuft es also unter Topverdienenden in diesem Land
nicht ab. Dagegen kann die [2][Quote für Frauen in Führungspositionen]
helfen. Doch die ist keine politische Allzweckwaffe, denn schlussendlich
hilft sie nur einer kleinen Gruppe Frauen, nämlich denen, die schon weit
oben sind, noch höher zu kommen.
## Systemrelevant
Wichtiger ist also der Blick auf den unteren Teil der Statistik. 68
Prozent, also 12,5 Millionen von den insgesamt 18,3 Millionen
lohnarbeitenden Frauen, verdienen unter Durchschnitt – nämlich weniger als
2.766 Euro brutto monatlich.
Da die Zahlen die Einkommensverhältnisse von 2018 widerspiegeln, ist noch
nicht klar, wie sich die Coronapandemie auf die Zustände ausgewirkt hat.
Der Gender-Pay-Gap, der durch Fortschreibung der Verdienststrukturerhebung
erhoben wird, [3][ist zwar 2020 auf erstmals („unbereinigt“) 18 Prozent
gesunken], doch die Ursachen dafür sind noch nicht erforscht. Ob sich die
Gehälter also wirklich etwas angenähert haben – oder ob Frauen etwa wegen
der Mehrfachbelastung von Homeoffice und Homeschooling ihre schlecht
bezahlten Jobs verlassen haben und deswegen in der Berechnung gar nicht
erst vorkommen, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar. Ebenso wenig ist
erforscht, inwiefern Kurzarbeit die Zahlen beeinflusst.
Klar ist aber, dass die bestehende Lohnlücke auch daher rührt, dass
Menschen in typischen „Frauenberufen“ strukturell unterbezahlt sind. Etwa
Putzkräfte, Verkäufer*innen, Erzieher*innen und Pflegekräfte, in
Tätigkeiten also, die zu großer Mehrheit von Frauen ausgeübt werden. Viele
davon sind diejenigen Menschen, die uns in den letzten 15 Monaten der
Pandemie den Arsch gerettet und das Leben in diesem Land am Laufen gehalten
haben – und das unter der ständigen Gefährdung ihrer eigenen Gesundheit.
Zu Beginn der Pandemie wurde die Systemrelevanz dieser Berufe zum ersten
Mal in der Gesellschaft wirklich so benannt. Das allein schon ist ein
Armutszeugnis. Dass daraufhin nicht mehr passierte als nur ein bisschen
Applaus vom Balkon und vereinzelt ausgezahlte Boni, ein noch viel größeres.
## Lohn ist Anerkennung
Ansätze, wie gegen geschlechterungerechte Bezahlung vorgegangen werden
kann, gibt es seit Langem: (Höhere) Tariflöhne im Niedriglohnsektor,
gleicher Lohn für gleiche Arbeit, verpflichtende Elternmonate für Väter,
faire Aufteilung von Care-Arbeit oder Abschaffung geschlechterungerechter
Steuererleichterungen wie das Ehegattensplitting. Doch so wirklich rückt
die Lohnfrage nicht ins gesellschaftliche und politische Bewusstsein.
In einer Zeit, in der die Pandemie sich in Deutschland dem Ende zuzuneigen
scheint, wird es Zeit, den Menschen in systemrelevanten Berufen die
Anerkennung zu schenken, die sie verdienen. Und das heißt eben nicht, dass
man sich aus den schlechteren Verdienstklassen heraus ein paar weibliche
Erfolgsgeschichten anschauen darf – sondern Anerkennung heißt: Fairer Lohn.
26 May 2021
## LINKS
[1] /Bezahlung-von-Maennern-und-Frauen/!5775166
[2] /Gleichberechtigung-noch-ein-weiter-Weg/!5743161
[3] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_106_621.h…
## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Frauen
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