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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Das Grauen im Schönen
> Eine Doppelretrospektive im Kino Arsenal stellt eine Beziehung zwischen
> den Filmen von David Lynch und Dario Argento her.
Bild: „L’uccello dalle piume di cristallo – Das Geheimnis der schwarzen H…
Von der Straße aus sieht der US-Schriftsteller Sam Dalmas beim Spaziergang
durch das nächtliche Rom wie ein Mann in einer Galerie auf eine Frau
einsticht. Der Mann flieht, Dalmas rennt zur Fensterscheibe, kann der
blutenden nicht helfen. Dario Argentos Regiedebüt „L’uccello dalle piume di
cristallo“ von 1971 ist ein Spiel mit der Erinnerung. An eine entscheidende
Beobachtung kann sich Dalmas später im Verhör durch die Polizei nicht
erinnern.
Rote Rosen vor weißem Gartenzaun, gelbe Tulpen vor weißem Gartenzaun –
Kleinstadtidylle. Frisch in seinen Heimatort Lumberton zurück gekehrt
findet Jeffrey Beaumont auf einer Wiese ein menschliches Ohr. David Lynchs
„Blue Velvet“ von 1985 ist ein geschicktes Spiel mit Oberflächen und
psychologischen Abgründen.
Bis zum 18. Dezember präsentiert das Arsenal – man muss wohl sagen: wenn
die Pandemie es weiter zulässt – im Kino unter dem Titel „Unheimliche
Tiefen“ eine [1][Doppelretrospektive zu David Lynch und Dario Argento].
Lynchs Neo Noir „Blue Velvet“ wenn man nur will, lässt sich entlang einer
ganzen Reihe von Motiven mit dem Kino Argentos verbinden – von der
Inszenierung der Blumen im Vorgarten über die Figur Beaumonts als
zufälliger Ermittler bis zu den Fetischanklängen bei der Inszenierung der
Nachtklubsängerin Dorotha (Isabella Rossellini).
Zugleich gibt es auch Verbindungslinien der Produktionsgeschichte: „Blue
Velvet“ ist Teil des kurzen Abenteuers der De Laurentiis Entertainment
Group in den 1980er Jahren. Die Produktionsfirma wurde Anfang der 1980er
Jahre gegründet von der italienischen Produzentenlegende Dino De
Laurentiis.
## Legendäre Filmproduktionen
In den wenigen Jahren, die die Firma bestand, entstanden so legendäre Filme
wie Kathryn Bigelows „Near Dark“, Michael Manns „Manhunter“ oder Sam Ra…
Horrorkomödie „Evil Dead II“. Dennoch bleibt die Doppelretrospektive eine
eher künstliche Setzung.
Argento beginnt Mitte der 1960er Jahre nach einigen Jahren als Journalist
Drehbücher für italienische Genrefilme zu schreiben, zunächst für eine
Reihe Italowestern (unter anderem Sergio Leones „C'era una volta il West“
(„Spiel mir das Lied vom Tod“, 1968), aber auch einige Kriegsfilme. Nach
seinem Debüt „L’uccello dalle piume di cristallo“ folgen zwei weitere
klassische Giallos bevor Argento sich umorientiert, stärker auf visuelle
Effekte setzt, die Farbkomposition stärker zuspitzt.
Es folgen die Filme „Profondo rosso“ (1975) und „Suspiria“ (1977).
„Profondo rosso“ ist wie eine Transposition von Argentos Regiedebüt in eine
andere Tonart: der Jazzpianist Marcus Daly beobachtet eines Nachts in der
Innenstadt Turins wie das Medium Helga Ullmann am Fenster ermordet wird.
Kurz zuvor hatte Ullman eine brutale Vision. Daly eilt hinauf in die
Wohnung, aber Ullman ist bereits tot. Gemeinsam mit der Reporterin Gianna
Brezzi versucht Daly herauszufinden, was in Ullmans Wohnung passiert ist.
## Eine Stadt wie ein Monster
Bei „Suspiria“ ist schon die Eröffnungsszene ein Statement: die
US-Amerikanerin Suzy Banyon kommt am Münchner Flughafen an. Als sie durch
eine automatische Tür geht, wehen Schal und Haare in die Luft als würde die
Luft über der Stadt sie wie ein Monster anfallen. Banyon fährt weiter nach
Freiburg, um eine renommierte Ballettschule zu besuchen. In der Schule
angekommen wird Banyon von Schreckensbildern verfolgt und eine Reihe von
übernatürlichen Ereignissen beginnt.
Argento kombiniert in seinen Filmen zeitgeistige Elemente wie den
Jazzmusiker Daly, Fetischelemente wie Leder- und Regenmäntel und die
Dominaartige Ballettlehrerin in „Suspiria“ mit einer noch heute
beeindruckenden Ästhetik, die nicht zuletzt auf die Kraft von Filmfarben
setzt.
Lynchs Filme sind dem gegenüber eher von einem mysteriösen, ungreifbaren
Grundton durchzogen, der beständig auf der Flucht ist vor dem Muff
kleinbürgerlicher Teppichböden und muffiger Sofas, wobei die Rebellion
gegen diese Kleinbürgerlichkeit beim Wiedersehen erstaunlich
maskulinistisch daher kommt.
Die Doppelretrospektive „Unheimliche Tiefen“ ist weniger eine
wechselseitige Assoziation, die sich beim Sehen der Filme aufdrängt, als
eine Setzung, die es ermöglicht, die Filme in Bezug zueinander zu setzen,
im Kopf beim Sehen Ähnlichkeiten und Differenzen zu notieren.
1 Dec 2021
## LINKS
[1] https://www.arsenal-berlin.de/de/kalender/filmreihe/calendar/2021/december/…
## AUTOREN
Fabian Tietke
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