# taz.de -- Nach Vorfällen bei Union Berlin-Spiel: „Antisemitismus nimmt seh… | |
> Elmar Werner fördert mit Sport-Projekten den deutsch-israelischen | |
> Austausch. Der 1.-FC-Union-Fan über das Rückspiel seines Vereins bei | |
> Maccabi Haifa. | |
Bild: Haifa-Fans beim Hinspiel im Olympiastadion | |
taz: Herr Werner, Sie haben kürzlich bei den Jüdischen Kulturtagen zum | |
wiederholten Mal ein „Bridge of Friendship“-Konzert mit Musikern und | |
Musikerinnen aus Berlin und Jerusalem organisiert. Warum tun Sie das? | |
Elmar Werner: Mir ist der Austausch zwischen Deutschland und Israel seit | |
Langem wichtig. Ich organisiere ihn seit 1993, das reicht vom | |
Jugendaustausch über Konzerte – 2015 war ich mit der Band Engerling in | |
Israel – bis hin zu sportlichen und wirtschaftlichen Begegnungen. Auch die | |
Städtepartnerschaft zwischen der israelischen Stadt Kadima und Frankfurt | |
(Oder) habe ich auf den Weg gebracht. | |
Und Sie haben bekannte israelische Fußballteams nach Berlin geholt. | |
1996 habe ich das erste Mal für den damaligen israelischen Meister Beitar | |
Jerusalem in Berlin ein Trainingslager sowie Freundschaftsspiele | |
organisiert, unter anderem gegen Hertha BSC; 2015 auch ein Testspiel von | |
Union gegen Hapoel Tel Aviv im Stadion An der Alten Försterei. | |
Zu Union pflegen Sie auch eine Fanbeziehung? | |
Ich stamme aus Johannisthal und bin seit meiner Jugend Fan von Union. | |
Waren Sie [1][beim Europacup-Hinspiel von Union] gegen Maccabi Haifa Ende | |
September auch im Olympiastadion? | |
Ja. Ich war dort mit der israelischen Regisseurin Sharon Ryba-Kahn, deren | |
Film „Displaced“ – in dem es praktisch um ihre Familiengeschichte als Jü… | |
geht – gerade in Deutschland in die Kinos kam. Sharon lebt zum Teil in | |
Berlin und interessiert sich ein bisschen für Fußball. Wir standen im | |
Gästeblock bei den Haifa-Fans. | |
Während des Spiels kam es zu antisemitischen Vorfällen auf der Tribüne. | |
Mitte der ersten Halbzeit wurde es unruhig im Block schräg über uns. Einige | |
Unioner hatten gegen Maccabi-Fans, Mitglieder der Nachwuchsorganisation | |
Deutsch-Israelische Gesellschaft, gepöbelt, die ebenfalls in ihrem Block | |
standen. Ich habe keine konkreten Beschimpfungen gehört, aber gesehen, dass | |
Bierbecher flogen und jemand versuchte, eine Israel-Fahne anzuzünden. Die | |
Ordner und Polizisten haben die Haifa-Fans dann in unseren Block | |
rübergeschickt. Ich glaube, die meisten israelischen Fans haben gar nichts | |
von dem Geschehen mitbekommen. Insgesamt war es eigentlich eine total | |
entspannte Stimmung unter den Zuschauern aus Haifa. Trotzdem fühlte sich | |
Sharon ein bisschen unwohl in dieser Situation. Sie war ganz froh, als sie | |
aus dem Stadion wieder raus war. | |
In Fußballstadien geht es zwischen Fangruppen oft nicht zimperlich zu, aber | |
das entschuldigt keinen Antisemitismus. Nach dem Spiel zeigten sich auch | |
viele Unioner verärgert, dass wenige Typen reichten, den Ruf des Vereins in | |
den Schmutz zu ziehen. Wie sehen Sie das als Union-Fan? | |
Generell nimmt der Antisemitismus in der Gesellschaft leider sehr zu. Ich | |
denke, dass dieses Problem bei Union nicht größer ist als bei anderen | |
Vereinen oder in der gesamten Gesellschaft. Ich trage ja im Stadion immer | |
einen Schal von Ajax Amsterdam mit einem Davidstern. Oft werde ich deshalb | |
angequatscht, warum und wieso. Manche gucken auch komisch, aber wohl vor | |
allem, weil sie es nicht deuten können. Nur wenige wissen, dass Ajax auch | |
eine jüdische Identität pflegt. Angemacht oder beschimpft wurde ich | |
eigentlich nie. Auch im Olympiastadion reagierten etliche Union-Fans ganz | |
freundlich, aber ein Idiot hat mich wegen des Schals vollgeblubbert. | |
Woher kommt Ihre Verbundenheit mit Israel? | |
Ich habe in der DDR Theologie und Religionspädagogik studiert und mich | |
schon immer für jüdische Geschichte interessiert. Meine erste Reise nach | |
Israel machte ich 1994, seitdem bin ich fast jedes Jahr hingeflogen. Ich | |
war auch schon öfter in Haifa, unter anderem als dort Hapoel Haifa gegen | |
Ajax Amsterdam ein Spiel austrug. | |
Ich habe gehört, Sie seien sogar koscherer Koch. | |
Als gelernter Koch und durch mein generelles Interesse fürs Judentum hatte | |
ich Lust, mich mit den Regeln der koscheren Küche zu beschäftigen. 1985 | |
bekam ich sogar den Auftrag, ein koscheres Festessen für wichtige Gäste der | |
DDR-Regierung im Ostberliner Palasthotel zuzubereiten. Erich Honecker hatte | |
damals die Überlebenden der Gemeinde Jewesh Israel aus aller Welt | |
eingeladen. 1998 konnte ich dann im Rahmen eines Köcheaustauschs, den ich | |
selbst organisiert hatte, in den besten Hotels Israels kochen. | |
Ist der Fußballverein KSV Johannisthal, dessen Mitgründer und Vorsitzender | |
Sie sind, in den deutsch-israelischen Austausch ebenfalls eingebunden? | |
Natürlich. Mitte der 90er Jahre hatten wir das erste Mal ein Spiel gegen | |
ein Team der israelischen Botschaft in Berlin organisiert. Inzwischen | |
veranstalten wir regelmäßig Turniere mit Mannschaften verschiedener | |
Botschaften. Eine Truppe unseres Vereins war auch zweimal in Israel. Ob wir | |
dort nochmal ein Fußballspiel machen, werden wir allerdings sehen, denn wir | |
sind nicht mehr die Jüngsten. Früher haben wir ja sogar mal gegen eine | |
Auswahl von Jerusalem im Teddy-Kollek-Stadion gespielt. Das Rückspiel im | |
Berliner Jahnsportpark war übrigens mein letztes Spiel als Aktiver – und in | |
dem habe ich sogar noch ein Tor geschossen. | |
Wo werden Sie am 25. November das Europacup-Rückspiel von Union gegen | |
Maccabi Haifa gucken? | |
Vielleicht in unserem KSV-Vereinsheim. Der Pressesprecher von Maccabi hat | |
mich zwar eingeladen zum Spiel, aber die Reise ist mir aktuell zu | |
kompliziert. Ich fahre mal vorbei, wenn ich nächstes Jahr dort bin. | |
23 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Gunnar Leue | |
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