# taz.de -- Hauptstadtderby mit Sieger Union: Berliner Klein-Klein | |
> Nach dem 2:0-Sieg im Berliner Derby spricht Union-Trainer Fischer von | |
> Klassenerhalt. Hertha-Coach Dárdai sieht sich noch schlechter. | |
Bild: Pyrobeleuchtung über Köpenick | |
Berlin taz | Bei Union Berlin geben die Trainer der Presse ihre Erklärungen | |
im Stehen vor einem Pult ab. So wie es US-Präsidenten im Weißen Haus zu tun | |
pflegen. Nur dass an der Alten Försterei in Köpenick an den Pulten nicht | |
ein Weißkopfseeadler prangt, sondern dieser etwas tapsig wirkende Berliner | |
Bär, und auf den Rednermöbeln jeweils drei Limonadenflaschen eines | |
Vereinssponsors drapiert sind. | |
Wer am Samstagabend nach dem großen Stadtderby diesem so hoch offiziell | |
arrangierten Akt folgte, konnte den Eindruck gewinnen, einem Gipfel zweier | |
Zwergstaaten beizuwohnen. Urs Fischer, der große Gewinner des Stadtderbys, | |
erinnerte daran, dass Union Berlin, um es überspitzt zusammenzufassen, ein | |
in der Spitzengruppe der Bundesliga getarnter Abstiegskandidat ist. Der | |
Klassenerhalt sei nach wie vor das Ziel, der 2:0-Erfolg gegen Hertha nur | |
mit großem Aufwand möglich gewesen und die Demut für das Team etwas stets | |
Wichtiges. Noch tiefer stapelte Fischers Hertha-Kollege Pál Dárdai: „Wir | |
sind jetzt genau da, wo Union vor drei Jahren war.“ Vielleicht hatte sich | |
der Ungar auch im Jahr vertan, denn damals spielte Union noch zweitklassig. | |
Erst in der Saison danach starteten die Köpenicker als krasser Außenseiter | |
das Abenteuer Bundesliga. | |
Was Dárdai da beschrieb, war im Grunde die Verkehrung der Machtverhältnisse | |
in der Stadt und dürfte insbesondere den Hertha-Investor Lars Windhorst, | |
der in den letzten Jahren 374 Millionen Euro bereitstellte, irritieren. | |
Verwunderlich war am Samstagabend schon, dass diese Partie nur einen | |
möglichen Kippmoment aufwies, als Hertha in der 45. Minute der | |
Anschlusstreffer nach der Videobeweisprüfung aberkannt wurde. Ansonsten | |
konnte sich auch Dárdai nicht an Gefahrenmomente vor dem Union-Tor | |
erinnern. „Wenn wir ehrlich sind heute, dann ist da nicht ein wirklicher | |
Schuss gewesen.“ | |
Derart unterlegen war Hertha noch nie in einem Derby gewesen. Und Dárdai | |
rätselte über die fehlende Spritzigkeit und Dynamik seines Teams im | |
Offensivspiel. „Vielleicht haben wir zu viel trainiert, oder wir haben den | |
Tag falsch geplant, zu lange in der Kabine gehockt.“ Möglicherweise wird | |
der 45-Jährige im Nachhinein noch einmal über das Mittagsmenü und die | |
Busroute grübeln. Die Leistungen seines Teams erschienen ihm zu jenseitig, | |
um sie mit den Begebenheiten auf dem Platz zu begründen. | |
## Dárdais Patzer | |
Beispielhaft dafür dürfte Dárdai der ungewöhnliche Patzer seines Sohns | |
Márton sein, von dem Union-Stürmer Taiwo Awoniyi bereits in der 8. Minute | |
profitierte und der das ganze Unglück einleitete. Christopher Trimmel | |
erhöhte dann zum 2:0 (30.). | |
Der Schock saß bei Dárdai an diesem Abend anscheinend so tief, dass er die | |
von ihm zuvor schon häufig betriebene Verzwergung der Hertha auf die Spitze | |
trieb. Verdenken kann man dem Trainer gewiss nicht, Krzysztof Piątek als | |
torgefährlichsten Stürmer der Hertha zu bezeichnen. Schließlich ist das | |
durch die Statistik belegt. Ein Tor und eine Vorlage kann in dieser Saison | |
kein anderer Hertha-Stürmer vorweisen. | |
Was genau Dárdai mit den drei Jahren Rückstand auf Union meinte, ist indes | |
interessant. Dárdai sprach vom Neuanfang bei Hertha, den man sich vor | |
Saisonbeginn vorgenommen habe, weil man über zehn Spieler abgegeben habe. | |
Der Aderlass beim 1. FC Union war allerdings ebenfalls nicht gering. Zudem | |
muss der Verein erstmalig auch noch in einem internationalen Wettbewerb | |
antreten und verfügt über den deutlich kleineren Finanzspielraum als | |
Hertha. | |
## Die 7 Punkte | |
Die sieben Punkte, die aktuell zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC in | |
der Tabelle liegen, spiegelten sich aber in der Tat auf dem Platz wider. | |
Der Auftritt der Köpenicker wirkte deutlich organischer, aber auch | |
leidenschaftlicher. Und der zuletzt verletzte Max Kruse gab dem Union-Spiel | |
zusätzliche Reife. | |
Diese unerwartete Kluft befeuerte die Schadenfreude auf den trotz | |
alarmierender Coronalage voll besetzten Rängen an der Alten Försterei. Mit | |
dem Schlusspfiff setzten wieder die „Siehst du Hertha, so wird’s | |
gemacht“-Rufe ein. Nur Pál Dárdai scheint den darin enthaltenen Spott nicht | |
sehen zu wollen. | |
21 Nov 2021 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
Stadtderby | |
Fußball | |
Fußball-Bundesliga | |
Union Berlin | |
Hertha BSC Berlin | |
Union Berlin | |
Union Berlin | |
FC Union | |
Fußball-Bundesliga | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Union Berlin im Europapokal: Die Hoffnung ist verflogen | |
Das Berliner Männerfußballteam verpasst den Schritt in die K.o.-Runde. | |
Gegen Prag reichte es im Olympiastadion nur zu einem 1:1-Unentschieden. | |
Nach Vorfällen bei Union Berlin-Spiel: „Antisemitismus nimmt sehr zu“ | |
Elmar Werner fördert mit Sport-Projekten den deutsch-israelischen | |
Austausch. Der 1.-FC-Union-Fan über das Rückspiel seines Vereins bei | |
Maccabi Haifa. | |
Kein Weihnachtsmarkt, aber Stadion voll: Nicht einfach, aber doch erklärbar | |
Letztlich muss jeder Veranstalter selbst entscheiden, ob und wie er oder | |
sie die 2G-Möglichkeiten nutzt – und ob sich der Markt dabei noch rechnet. | |
Berliner Fußballderby Union – Hertha: Beängstigendes volles Haus | |
Beim Derby zwischen Union Berlin und Hertha BSC werden alle 22.012 Plätze | |
im Stadion An der Alten Försterei vergeben. Das sorgt für Diskussionen. |