| # taz.de -- Politologe über Rot-Rot in Schwerin: „Risiko ist nicht ihr Ding�… | |
| > Manuela Schwesig wird am Montag erneut zur Ministerpräsidentin von | |
| > Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Diesmal mit der Linken als Partnerin. | |
| Bild: Geradezu akklamiert auf dem SPD-Parteitag: Manuela Schwesig und ihr Koali… | |
| taz: Herr Muno, am heutigen Montag wird Manuela Schwesig zur | |
| SPD-Ministerpräsidentin gewählt, der Koalitionsvertrag in | |
| Mecklenburg-Vorpommern steht. Wie wichtig war das schlechte Ergebnis der | |
| Linken für die reibungslosen Verhandlungen? | |
| Wolfgang Muno: Das war, glaube ich, ein entscheidender Faktor, der auch zur | |
| Beruhigung der Linkspartei beigetragen hat. | |
| Zur Beruhigung? | |
| Ja: Es gibt hier in MV ja ohnehin weniger Streitigkeiten in der Linkspartei | |
| als auf Bundesebene oder etwa im Saarland. Aber dass dieses schlechte | |
| Wahlergebnis überhaupt nicht thematisiert wurde, war auch für mich | |
| überraschend. Stattdessen hat man sich direkt bereit gemacht für die | |
| Regierungsbeteiligung. Dadurch war die Linke geschlossen und kohärent. | |
| Das lässt sich von der CDU nicht sagen. | |
| Nein, die versinkt weiter im Ungewissen und im Chaos. | |
| Inwiefern weiter? | |
| Im Grunde ist das ein Prozess, der mindestens seit zwei Jahren anhält: Der | |
| damalige Landesvorsitzende hatte von einem auf den anderen Tag aufgehört, | |
| dann gab es die Probleme mit Innenminister [1][Lorenz Caffier] … | |
| … und der rechtsextremen „Nordkreuz“-Prepper-Truppe. | |
| Das ist das bekannteste: Aber im Innenministerium gab es eigentlich ständig | |
| Probleme. Dann musste Caffier gehen, und man hat Philipp Amthor als neuen | |
| Vorsitzenden nominieren wollen. Der musste quasi verzichten aufgrund von – | |
| ich sag gerne Dummheit und Gier. Und im Endeffekt hatte man dann Michael | |
| Sack als Verlegenheitskandidaten aus dem Hut gezogen, der mit seinem | |
| schlechten Wahlkampf ein rekordschlechtes Ergebnis produziert hat. | |
| Woraufhin er jetzt zurückgetreten ist. | |
| Also musste das alte Schlachtross Eckhart Rehberg wieder ran? | |
| Ja, das nennt man [2][Zukunftsorientierung]. Er ist aber nur | |
| Interimskandidat. Man will in den nächsten Monaten überlegen, wo es | |
| hingeht. Die CDU ist in einem Findungsprozess. Für Manuela Schwesig hätte | |
| das bedeutet: Sie wüsste nicht, mit wem sie es in den nächsten Jahren zu | |
| tun gehabt hätte. Das war ein starkes Argument gegen die CDU: Manuela | |
| Schwesig ist ohnehin sehr „risk-averse“, würden wir sagen. Also: Risiko ist | |
| nicht ihr Ding. | |
| Und Die Linke ist vorhersehbar? | |
| Man kennt sich einfach schon sehr lange. Das ist bestimmt auch ein | |
| wichtiger Faktor dafür gewesen, dass die Ampelkoalition wirklich gar nicht | |
| in Betracht gezogen wurde. Ganz neu, man weiß nicht, was sind das für | |
| Leute, was hat man von denen zu halten. Mit Simone Oldenburg weiß Manuela | |
| Schwesig genau, was auf sie zukommt. | |
| Hat das auch damit zu tun, dass da zwei Frauen verhandelt haben? | |
| Das scheint mir so. Es ist wirklich ein neuer Politikstil, der weniger | |
| Testosteron-bestimmt ist. Manuela Schwesig braucht sich nicht mehr zu | |
| profilieren, weil sie derart bekannt und beliebt ist, und Simone Oldenburg | |
| scheint auch nicht ständig auf den Putz hauen zu wollen. Offenbar vertrauen | |
| die beiden einander. Entsprechend schreibt der Koalitionsvertrag auch fest, | |
| dass bei Uneinigkeit in Bundesratsangelegenheiten die beiden separat | |
| darüber beraten sollen – mit dem Ziel einer Einigung. Ich glaube, das ist | |
| auch so gemeint. | |
| Woher kommt der unbedingte Regierungswille? | |
| Die Linke verliert seit Jahren kontinuierlich an Wählerstimmen, an | |
| Mitgliedern. Sie ist im Land völlig überaltert. Das Durchschnittsalter der | |
| Mitglieder in MV liegt bei über 67 Jahren. | |
| Wow! | |
| Das könnte eventuell sogar Bundesrekord sein. Das weiß die Partei | |
| natürlich. Und sie hat – ich vermute zu Recht – erkannt: Wenn wir weiterhin | |
| Opposition betreiben, versinken wir in der Bedeutungslosigkeit. Auch, weil | |
| sich die Landes-SPD sehr sozial gibt. Manuela Schwesig setzt ganz klar auf | |
| die soziale Schiene. | |
| Das ist ein Problem für Die Linke? | |
| Wenn auf der einen Seite eine soziale SPD steht und sich auf der anderen | |
| die AfD erfolgreich als Stimme der vernachlässigten Ostdeutschen aufspielt, | |
| wo ist dann noch Platz für Die Linke? Die Strategie hier in MV war, zu | |
| versuchen, wieder in die Regierung zu kommen, an Gestaltungsmacht zu | |
| gewinnen, um den Menschen zu zeigen: Wir sind noch wichtig. | |
| Den [3][Koalitionsvertrag] hätte die SPD ganz ähnlich auch mit der Union | |
| schließen können. | |
| Ja, schon … | |
| … bis auf die Extremismus-Passagen, die Ankündigung, den | |
| Untersuchungsausschuss zum NSU fortzuführen und um den Nordkreuz-Komplex zu | |
| erweitern. | |
| Das ist zweifellos ein Vertrag, der deutlich die Handschrift der SPD trägt. | |
| Das ist aber auch [4][angemessen]: Die SPD hat fast 40, Die Linke nicht | |
| einmal 10 Prozent. Aber schon im Wahlprogramm war ja deutlich, dass die | |
| beiden so weit nicht voneinander entfernt waren, auch im Gegensatz zur CDU: | |
| Ein wichtiges Anliegen der SPD war ein Vergabegesetz, um sicherzustellen, | |
| dass nur private Firmen, die auch Tarif zahlen, Aufträge des Landes | |
| bekommen. Da hatte die Union gemauert, mit der Linken war das völlig | |
| unproblematisch. Auch in den symbolischen Sachen, also der Änderung der | |
| Beflaggungsordnung, dass künftig die Regenbogenfahne an öffentlichen | |
| Gebäuden gehisst werden darf, und den Frauentag zum Feiertag zu erklären – | |
| darin kann sich Die Linke wiederfinden. Außerdem stehen das Schulessen für | |
| alle und die Kernforderung der Linken, die 1.000 Lehrerstellen, im Vertrag. | |
| An der geplanten Umsetzung wird genörgelt! | |
| Die 1.000 Lehrerstellen sind natürlich nicht 1.000 neue Stellen. Das wissen | |
| wir. Das sind Mechanismen der Personalverwaltung. Aber die Forderung ist in | |
| den Vertrag übernommen worden. Damit kann sich Simone Oldenburg hinstellen | |
| und sagen: Das ist unser Erfolg. Die Linke kann sich nicht beschweren. | |
| 14 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
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