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# taz.de -- Cis und trans Frauen: Diverse Interessenlage
> Die Durchsetzung von trans Rechten sollte nicht zu Lasten von
> Frauenrechten gehen. Anstelle von geteilten Räumen müssen zusätzliche
> her.
Bild: Ein Klo für alle cis und trans Männer und Frauen reicht eben nicht. Es …
Vertragt euch, [1][„Bildet Banden, keine neuen Fronten!“], schrieb die taz
vor einigen Tagen. Es ging um das Verhältnis von trans Frauen zu Frauen.
Vor allem ältere wehrten sich mit Händen und Füßen dagegen, trans Frauen
als Frauen zu akzeptieren. Doch ein Feminismus sei für alle da. „Sonst ist
es kein Feminismus“. Das ist eine These, die Gewicht beansprucht. Wer will
schon feministische Haltungen gefährden? Um Feminismus wird also gerungen.
Ich gehöre zur älteren Generation von Frauen und habe seine Entwicklung
seit den späten 1970ern verfolgt, als die ersten „Notruftelefone“ für
vergewaltigte Frauen und Frauenhäuser für geschlagene Frauen entstanden.
Damals sprach man schlicht von „Frauenbewegung“. In linken K-Gruppen, bei
der marxistischen Linken überhaupt, die damals noch was zu melden hatten,
wurde diese Frauenfrage zunächst als „bürgerlich“ abgetan, als
„Nebenwiderspruch“ neben dem „Hauptwiderspruch“ der Klassenfrage.
Bis dann die Frauenbewegung auch diese Gruppen erreichte und es hieß, das
Private ist politisch. Es ist nicht egal, wenn ein Genosse seine Frau
schlecht behandelt. Nun haben sich die Zeiten wieder gewandelt. Heute bin
ich nur noch Frau der Unterkategorie „cis“. Diese drei Buchstaben stehen
dafür, dass man sich mit seinem biologischen Geschlecht identifiziert. Und
es ist wieder hoffähig, dass sogar linke Männer Frauen unterbrechen und
ihre Definitionen von Feminismus erläutern und dabei möglichst noch perfekt
den Glottisschlag nutzen.
Das ist die Pause vor dem „innen“, die zeigen soll, dass das Diverse, das
„dritte“ Geschlecht mitgemeint ist. Aber ich [2][gendere] gar nicht, denn
es ist ein Rückschritt, wenn Sprache komplizierter wird. Das ist Akrobatik
für Sprechkünstler. In dem Banden-bilden-Aufruf heißt es: Frauen einer
„nicht mehr ganz jungen Generation“ brächten ihre
Diskriminierungserfahrungen ein, hätten darauf aber „kein Copyright“.
Sie wehrten sich dagegen, jene Personen als Frauen zu akzeptieren, die
biologisch Männer sind, sich aber als Frauen identifizieren. Diese Frauen
störten sich an deren Beanspruchung von „Umkleiden, Kneipen, Partys“, von
Schutzräumen aber auch des politischen Raums „mitsamt seiner Quoten“ und
des gesellschaftlichen Diskursraums. Dass sich „Minderheiten gegenseitig
Räume und Ressourcen streitig“ machten, liege an „Raumknappheit“, so der
Aufruf weiter.
Es sei nicht sinnvoll, jene auszuschließen, die noch weniger Raum haben.
Das Ziel sei „genug für alle“. Am Ufer der Hamburger Alster ist zu sehen,
dass sich Diskursraum nicht beliebig vermehren lässt. Nach einem Umbau ist
das ehemalige Frauenklo nun Unisex-Toilette für alle – sogar für Männer,
die „groß“ müssen. Denn im Herrenklo nebenan sind nur noch Urinale.
Begründet wird dies mit dem Gerichtsurteil, diverse Personen nicht mehr zu
diskriminieren, und mit Platzmangel.
Nur haben Frauen, die an der Alster joggen oder spazieren gehen, keine
Toilette mehr als Rückzugsort, in der sie keinem Mann begegnen.
Skandalisiert hat das ein Politiker der Linken, der eigentlich
Unisex-Toiletten fordert und immer dachte, die kämen zusätzlich. Auch im
Schulbau wird der Raum neu verteilt. In neuen mehrstöckigen Klassenhäusern
gibt es künftig pro Etage nur noch einen Unisex-Waschraum mit mehreren
Klo-Kabinen, wo Jungs und Mädchen im Zweifel gemeinsam vor dem Spiegel
stehen.
In der Pubertät eine heftige Sache. Eine Schule entschied pragmatisch, ein
Stockwerk für Jungs, eines für Unisex und unten eines für Mädchen
einzurichten, was dazu führte, dass die Jungs jetzt zwei Klos haben und die
Mädchen viel mehr Treppe laufen müssen, weil sie die gemeinsame Toilette
meiden. Streit entzündet sich auch am [3][Transsexuellengesetz]. So
hinterfragte Götz Aly in der Berliner Zeitung den Plan der Grünen, Personen
den Wechsel des Geschlechtseintrags von heute auf morgen zu erlauben.
Könnte doch sein, dass sich Männer so Zutritt zu Frauensauna, Frauenquote
und Frauenförderung verschaffen? In der taz hieß es in einem anderen Text
wenig feinfühlig dazu: Wer als Mann in die Frauensauna wolle, könne das so
oder so tun. Er könnte sich als [4][Bademeister, Aufgussheini oder
Holzbank] verkleiden. Es lohnt sich zum Verständnis ein Blick auf die
Sprache. Es verletzt das Schamgefühl, wenn „Frauen“ nur noch als „Mensch…
mit Gebärmutter“ betitelt werden.
Auch das Jonglieren mit dem Wort [5][„Menstruation“] und der angedachte
Tausch des Wortes „Muttermilch“ in „Elternmilch“ kratzt an der Würde. …
ist der biologische Unterschied nicht trivial, sondern strukturell von
Bedeutung. Frauen haben zwar die besseren Schulabschlüsse, sie haben aber
bis zur Menopause nur ein begrenztes Zeitfenster, um Kinder zu bekommen.
Bei ihnen tickt die biologische Uhr, während sich Männer mit dem
Kinderzeugen noch bis ins hohe Alter Zeit lassen können.
Dass Frauen diesen Zeitdruck haben, macht die Männer mächtig. Denn die
Kinderphase kreuzt sich mit der Phase, in der im Arbeitsleben die Weichen
für Karrieren gestellt werden. Trans Frauen sind hier in einer anderen
Position als cis Frauen. Wenn sie Eltern werden, dann in der Erzeugerrolle.
Außerdem sind sie als Männer sozialisiert. Wer zum Beispiel 60 Jahre als
Mann gelebt hat, hat auch die Vorzüge des Patriarchats genossen.
Frauen haben ein Risiko, als arme Alleinerziehende zu leben. Wegen dieser
strukturellen Benachteiligung brauchen wir Quoten, Wiedereinstiegsprogramme
und Kita-Rechtsansprüche. Unterm Strich sind die Interessen nicht
identisch. Die Beseitigung des Leids für eine Gruppe sollte nicht zu neuem
Leid führen. Das heißt, eher zusätzliche abgeschlossene einzelne
Unisex-Klos wie im Flugzeug bauen, als auf Schutzräume zu verzichten. Und
nicht mit der Totschlagkeule kommen, jede kritische Anmerkung sei
transphob.
26 Nov 2021
## LINKS
[1] /Die-These/!5814303
[2] /Debatte-uebers-Gendern/!5797123
[3] /Transsexuellengesetz/!5787697
[4] /Aenderung-des-Geschlechtseintrags/!5747510
[5] /Internationaler-Tag-der-Menstruation/!5775167
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Schwerpunkt LGBTQIA
Feminismus
Trans
Frauenrechte
Kolumne Provinzhauptstadt
Transpersonen
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Schwerpunkt LGBTQIA
Gender
Schwules Museum
Schwerpunkt Stadtland
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