Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sicherheitsbedenken gegen Unisex-Räume: Das berüchtigte Duschargu…
> Waren Duschen und Umkleiden jemals safe spaces? Die Kolumnistin hat da so
> ihre Zweifel und ganz eigene Erfahrungen.
Bild: Schon immer ein Problem: ruhig und sicher duschen, wenn andere reinkommen
Als ich vor gefühlt hundert Jahren begann in Hannover zu studieren,
kursierten auf dem Conti-Campus, vor allem im Hochhaus, wo die Germanisten
residierten, Warnungen vor einem Spanner, der sich in den Frauentoiletten
herumtrieb. Er soll kleine Spiegel unter den Trennwänden durchgeschoben
haben, vielleicht hat er sogar gefilmt. In einigen der Umkleiden und
Duschen des alten Unisportgebäudes im Moritzwinkel gab es Alarmknöpfe wegen
ähnlicher Vorfälle. Ich weiß gar nicht, ob das heute noch so ist.
Daran muss ich immer denken, wenn mir jemand mit dem berüchtigten
Duschargument kommt. Es geht in etwa so: Wenn Leute sich künftig aussuchen
können, welche Toiletten/Umkleiden/Duschen sie aufsuchen wollen, dann gibt
es keinen Ort mehr, an dem Mädchen und Frauen sicher sind.
Dass jemand jetzt wieder damit ankam, passierte, weil ich mich [1][hier
leichtsinnigerweise über die Reaktionen] auf den Auftritt eines jungen
HAZ-Kollegen mit Perlenkette gewundert hatte.
Das ist natürlich ein schwieriges Thema, von der einen Seite bekommt man
oft Gemecker, wenn man sich nicht 100-prozentig auf der aktuellen Flughöhe
des sehr nischigen Expertendiskurses bewegt (sorry about that, habe ich
aber doch gleich dazu geschrieben), von der anderen Seite wird man als
naive Idiotin beschimpft, weil man nicht begreift, welche Gefahr für die
Frauen, die Ordnung der Welt oder das Abendland von diesen oder jenen
Aktivist*innen ausgeht.
Es ist ein bisschen ermüdend zu beobachten, wie sehr diese Debatte auf der
Stelle tritt. Gleichzeitig fasziniert mich die ungebremste Emotionalität,
die Mengen an Schaum vor dem Mund, vor allem bei denen, die selbst gar
nicht betroffen sind. Was ist da bloß los?
Das Umkleidenargument ist ein hübsches Beispiel, finde ich. Mir erscheint
das absurd. Ehrlich gesagt habe ich mich in besagten Umkleiden und Duschen
noch nie sicher gefühlt. Das fängt schon damit an, dass ich etliche der
fiesesten Vorfälle von Mobbing und Bodyshaming genau dort erlebt habe. Die
Vorstellung, dort herrsche puschelige Schwesterlichkeit bis irgendjemand
mit einem Dödel reinmarschiert, deckt sich – gelinde gesagt – nicht mit
meiner Lebenserfahrung. Nun ist sexuelle Gewalt natürlich noch einmal was
anderes.
Aber auch für die muss sich ein Täter ja nicht verkleiden oder einen neuen
Ausweis beantragen, der kann da einfach so reinmarschieren.
Die Art und Weise wie trans*Frauen bei diesem Argument mit
Sexualstraftätern in einen Topf gerührt werden, obwohl ihr Verhältnis zu
Frauen und zum Frausein kaum unterschiedlicher sein könnte, ist so absurd,
dass sie doch eigentlich sofort als bizarre Angstfantasie entschlüsselbar
sein müsste. Ist sie aber nicht.
Wenn ich länger diskutiere, merke ich: Bei manchen Menschen sitzt die
affekthafte Ablehnung von trans*Menschen so tief, dass sie nicht müde
werden, die seltsamsten Argumente an den Haaren herbeizuziehen. Warum das
so ist, verstehe ich immer noch nicht ganz.
Aber was ich denn tun würde, wenn jemand mit einem männlichen
Geschlechtsteil neben mir in der Frauendusche des Schwimmbades auftauche,
will eine Freundin wissen. „Nicht hingucken“, antworte ich, „wie in der
Sauna auch.“ Meiner privaten Empirie zufolge – ich suche derzeit viele
Hallenbäder in der Region heim, weil eines meiner Kinder sich für einen
reinkarnierten Seehund hält – sind in den meisten Duschen übrigens
erstaunlich wenig Geschlechtsteile zu sehen. Viele ziehen sich gar nicht
mehr vollständig aus.
Ich vermute, dass der Perfektionsdruck einer durch Pornos und
Instagramfilter verseuchten Bilderwelt zu einer neuen Prüderie führt. Im
echten Leben fühlen sich viele kaum noch vorzeigbar. Anderswo wird derweil
über [2][Bekleidungsvorschriften in den Badeordnungen] debattiert. Auch
irgendwie seltsam, dieses Auseinanderdriften, oder?
6 Nov 2022
## LINKS
[1] /Sichtbarkeit-queerer-Personen/!5885436
[2] /Antrag-auf-Gleichbehandlung-in-Baedern/!5859455
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Kolumne Provinzhauptstadt
Unisex
Trans
Gewalt gegen Frauen
Sexualisierte Gewalt
Toilette
IG
Hannover
Deutsche Bahn
Kolumne Provinzhauptstadt
Unisex
Schwerpunkt LGBTQIA
## ARTIKEL ZUM THEMA
Reichsbürger und andere Enttäuschungen: Spinnert werden im Alter
Bildung und solide Karrieren schützen nicht vor Dummheit im Alter.
Besonders betroffen sind Männer, die alles auf eine Karte gesetzt haben.
Aushangfahrpläne und andere Relikte: Generationsforscher am Abstellgleis
Bei der Jahrestagung des Philologenverbandes Niedersachsen pflegen die
Herren mal wieder Kulturpessimismus und Technikfeindlichkeit. Es nervt.
Sichtbarkeit queerer Personen: Mehr Perlenketten für alle
Atay Küçükler, ein junger Journalist, berichtete in einer
Instagram-Liveschalte über die Landtagswahlen in Niedersachsen. Das gefiel
vielen nicht.
Über ein Unisex-WC in einer Schule: Offen für alle
Schüler*innen einer Montessori-Gemeinschaftsschule wollten ein
geschlechtsneutrales WC. Und bekommen es bald. Sie haben es selbst
durchgesetzt.
Cis und trans Frauen: Diverse Interessenlage
Die Durchsetzung von trans Rechten sollte nicht zu Lasten von Frauenrechten
gehen. Anstelle von geteilten Räumen müssen zusätzliche her.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.