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# taz.de -- Wegen Pekings „Sicherheitsgesetz“: Amnesty schließt Büro in H…
> Die NGO hatte die Restriktionen von Hongkongs Zivilgesellschaft
> dokumentiert. Nun wird die Organisation selbst zum Rückzug gezwungen.
Bild: Erstmal geschlossen: Eingang zum Büro von Amnesty International in Hongk…
Peking taz | Es hatte sich bereits abgezeichnet, am Montag folgte nun die
offizielle Bestätigung: Die Menschenrechtsorganisation Amnesty
International schließt nach rund vier Jahrzehnten ihr Büro in Hongkong.
Die Entscheidung sei „schweren Herzens“ getroffen worden, teilte die
Vorstandsvorsitzende Anjhula Mya Singh Bais mit: Doch mittlerweile sei es
„praktisch unmöglich, frei und ohne Angst vor ernsthaften
Vergeltungsmaßnahmen seitens der Regierung zu arbeiten“.
Der Grund dahinter ist das im Juli 2020 von Peking aufgezwungene Gesetz für
nationale Sicherheit, das die Autonomie Hongkongs beendet und von Peking
definierte „terroristische Aktivitäten“, „Sezession“ und „Zusammenar…
mit ausländischen Kräften“ unter Strafe stellt.
In der Praxis werden die vage formulierten Paragrafen dazu missbraucht,
flächendeckend gegen die gesamte politische Opposition in Hongkong
vorzugehen.
## Stimmungswandel in Hongkong
Seither wurden dort über 150 Menschen auf Grundlage des Sicherheitsgesetzes
festgenommen, darunter praktisch alle führenden Aktivisten der
demokratischen Demonstrationsbewegung, doch auch Journalisten,
Zeitungsverleger, Gewerkschafter und [1][Oppositionspolitiker].
Jüngst am Montag wurde ein Hongkonger Aktivist wegen „Sezession“ schuldig
gesprochen, weil er auf einer Demonstration Slogans wie „Befreit Hongkong,
die Revolution unserer Zeit!“ und „Hongkongs Unabhängigkeit: der einzige
Ausweg!“ angestimmt hatte. Sein Strafmaß wird am 11. November bekannt
gegeben.
Doch die Zäsur, die Hongkong in ein vorher und nachher teilt, hört nicht
bei Gefängnisstrafen auf. Eine Stimmung der Paranoia und vorauseilender
Gehorsam haben die einst autonome Stadt nachhaltig verändert. Mindestens 35
Bürgerrechtsgruppen haben sich aus eigenen Stücken aufgelöst, darunter auch
die Civil Human Rights Front, die alljährlich Demos zum Gedenken an das
Tiananmen-Massaker 1989 in Peking organisiert haben.
Hongkongs größter unabhängiger Dachverband mit mehr als 70 Gewerkschaften –
die Confederation of Trade Unions – gaben am 3. Oktober ebenfalls ihre
Auflösung bekannt. Laut eigenen Angaben erhielten führende Mitglieder – und
deren Familienmitglieder – konkrete Drohungen von Hongkonger und
chinesischen Sicherheitsdiensten.
## Wachsende Selbstzensur der Medien
Die vielleicht letzte noch existierende unabhängige Organisation ist die
„Hong Kong Journalists Association“. Sie setzt sich für die Anliegen der
freien Presse ein.
Doch spätestens mit der Verhaftung Jimmy Lais, dem Verleger der letzten
Oppositionszeitung [2][Apple Daily], ist es mit der Medienfreiheit in
Hongkong nicht mehr weit her. Die englischsprachige South China Morning
Post berichtet nach wie vor kritisch, doch ist sie verglichen mit ihren
früheren investigativen Recherchen nur mehr ein Schatten ihrer selbst.
Die [3][Transformation Hongkongs] hat sich längst auf nur indirekt
politische Gesellschaftsbereiche ausgeweitet. Lehrer haben aus Angst vor
Repressionen sämtliche sensiblen Themen aus ihrem Unterricht gestrichen,
Bibliotheken chinakritische Bücher entfernt und Museen Ausstellungen
abgesagt.
Wie massiv die Selbstzensur in Hongkong gewachsen ist, bekamen westliche
Korrespondenten praktisch im Wochentakt mit: Aktivisten und Bürgerrechtler
haben vor zwei Jahren noch offen Interviews gegeben. Wenig später folgte
der Wunsch auf Anonymität, dann das Ausweichen auf verschlüsselte
Kommunikationskanäle – und seit diesem Jahr ist praktisch niemand mehr
bereit, überhaupt zu reden.
Wie sollte es auch anders sein? Jedes pekingkritische Zitat in einer
Zeitung kann von den Behörden schließlich als Angriff auf die nationale
Sicherheit verwendet werden.
## Amnestys Basisarbeit wird Hongkong fehlen
Amnesty International war eine der wenigen NGOs, die Pekings Repressionen
gegen Hongkong allumfassend dokumentiert haben. Doch Amnesty hatte in
Hongkong nicht nur Pressearbeit gemacht und Studien herausgegeben, sondern
auch vor Ort Filmabende, Workshops an Schulen und öffentliche
Diskussionsveranstaltungen organisiert.
Nun wird man die Arbeit aus der Ferne weiterführen, schließlich unterhält
Amnesty mehrere Büros in der Region. Doch es ist eine deprimierende
Entwicklung, die sich auch innerhalb der Wissenschaft und der Medienbranche
beobachten lässt: Kritische Informationen über China und Hongkong stammen
immer öfter nicht von vor Ort.
Die Staatsführung in Peking möchte sich längst nicht mehr auf eine
kritische Auseinandersetzung einlassen, sondern das politische Narrativ
vollends kontrollieren. Schlussendlich erreicht sie damit jedoch oftmals
das genaue Gegenteil.
25 Oct 2021
## LINKS
[1] /China-weitet-Macht-auf-Hongkong-aus/!5723776
[2] /Verhaftungen-in-Hongkong/!5779632
[3] /Ein-Jahr-Sicherheitsgesetz/!5783608
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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