| # taz.de -- Erneutes Tanzverbot in Berliner Clubs: „Wir werden ignoriert“ | |
| > Ab Mittwoch gilt ein Tanzverbot – das ist der erneute Lockdown, sagt Lutz | |
| > Leichsenring von der Clubcommission. Dabei gebe es andere Möglichkeiten. | |
| Bild: Die Tanzfläche muss jetzt wieder leer bleiben | |
| taz: Herr Leichsenring, ab diesem Mittwoch gilt das vom Senat wegen der | |
| Pandemie erlassene Tanzverbot in Clubs. Ist das für die Läden der | |
| [1][erneute Lockdown]? | |
| Lutz Leichsenring: Ja. Zumindest bedeutet das für die meisten Clubs, dass | |
| sie entweder zumachen oder ein defizitäres Programm anbieten müssen. | |
| Warum? | |
| Es ist kaum möglich, auf der einen Seite das komplette Personal zu halten, | |
| und gleichzeitig das Programm – das man ja jetzt schon für die nächsten | |
| zwei, drei Monate gebucht hatte – rückabzuwickeln und zum Beispiel die | |
| Tickets zu erstatten. Das kann die Liquidität der Clubs gefährden, obwohl | |
| es die staatlichen Hilfsprogramme gibt. | |
| Die Clubcommission betont stets, dass Clubkultur mehr sei als nur Tanzen | |
| und Feiern. Das würde doch eigentlich dafür sprechen, dass man Clubs auch | |
| mal ein paar Monate ohne Tanzen öffnen kann, ohne pleite zu gehen. | |
| In einigen Fällen klappt das ja auch. Etwa bei Clärchens Ballhaus in Mitte: | |
| Die haben eine Küche und können ihr Restaurant weiter betreiben. Manche | |
| können ihren Club auch vor allem als Bar betreiben, etwa das Silver Wings | |
| am Flughafen Tempelhof. Aber für die meisten Clubs lohnt sich das eben | |
| nicht. | |
| Erst im Oktober hatten die meisten Clubs [2][nach dem Lockdown im März | |
| 2020] ihr Programm wieder gestartet. Wie lange wird die Pause nun dauern? | |
| Das wissen wir nicht. Deshalb besteht eine große Unsicherheit in der Szene: | |
| Auf welches Datum soll man Veranstaltungen, gebuchte Künstler*innen, | |
| Programme etc. verschieben? Das ist einfach sehr schwierig. | |
| Wenn es um die wirtschaftlichen Dimension geht nennt die Clubcommission oft | |
| die Zahl von 9.000 Beschäftigten in der Szene. Müssen die jetzt alle wieder | |
| auf Kurzarbeit? | |
| Viele davon. Genaue Zahlen habe ich aber nicht, auch weil noch gar nicht | |
| alle Clubs wieder aufgemacht hatten nach dem Lockdown – der Tresor etwa | |
| hatte noch zu. Andere waren nur sporadisch geöffnet. | |
| Dieser zweite Lockdown dürfte vielen Mitarbeiter*innen in der Szene | |
| noch mal deutlich machen, dass Clubs keine verlässliche Einkommensquelle | |
| sind. Verlassen deswegen viele die Branche? | |
| Ja. Und neben den ökonomischen Herausforderungen sehen wir aber auch viele | |
| psychischen Probleme bei Mitarbeitenden, die jetzt kurz vor Weihnachten | |
| erneut ohne Job dastehen. Auch wenn die Clubs als Räume gut abgesichert | |
| sind und vielleicht auch die Festangestellten durch die Möglichkeit der | |
| Kurzarbeit: Was passiert jetzt mit den vielen Freelancer*innen, | |
| Künstler*innen, Tontechniker*innen, die ganzen Zulieferer sozusagen rund um | |
| dieses Ökosystem? Die haben es jetzt sehr schwer. | |
| Kurz nach Beginn des ersten Lockdowns hat die Szene das Programm „United we | |
| Stream“ ins Leben gerufen, das eine große Resonanz hervorgerufen und viele | |
| Spenden eingebracht hat. Denken Sie über sowas wieder danach? | |
| Das Programm läuft sporadisch immer noch; wir haben es inzwischen auf mehr | |
| als 100 Städte ausgeweitet. Klar finden immer noch Streams statt irgendwo | |
| auf der Welt, die dann auch in Berlin geteilt werden. Aber so eine | |
| Produktion wieder zu starten ist super aufwendig. Wir müssen erst mal | |
| schauen, wie motiviert das Team dafür noch ist gerade nach dieser Ansage | |
| des Senats, wieder ein Tanzverbot zu verhängen. Wir halten das übrigens für | |
| eine sehr reaktionäre Entscheidung: Wir hatten gehofft, dass die | |
| Gesellschaft nicht erneut kapituliert vor der Pandemie, sondern weiter | |
| Kultur ermöglicht. Wie das gehen könnte, haben wir gezeigt. | |
| Sie spielen auf ihr Konzept 2G plus PCR-Test an. | |
| Ja genau. Wir haben das im August als Pilotprojekt zusammen mit der Charité | |
| erstmals durchgeführt. Dafür arbeiten wir mit einem großen Labor zusammen | |
| mit Kapazität für mehrere zehntausend Tests pro Wochenende. Im Idealfall | |
| sind es vom PCR-Test bis zum Ergebnis nur vier Stunden und der Text kostet | |
| weniger als 15 Euro. Man kann sich nachmittags oder früh am Abend testen | |
| lassen und danach – bei negativen Ergebnis – feiern gehen. Es hat sich | |
| gezeigt, dass dieses Konzept funktioniert. Wir haben auch nach der | |
| Möglichkeit von 2G die Politik ermahnt, dass es weitere Sicherheiten geben | |
| müsse, falls die Coronazahlen wieder steigen sollten, damit wir nicht | |
| wieder in den Lockdown gehen. Und was passiert nun? Man ignoriert uns. | |
| Vergangene Woche hat die Clubcommission das 20-jährige Bestehen gefeiert, | |
| real und mit Gästen. Wie war die Stimmung? | |
| Super! | |
| Super? | |
| Ja, natürlich haben wir auch genossen hat, dass wir noch mal | |
| zusammengekommen sind. Wir hatten vorher alle 450 Leute PCR-getestet; drei | |
| wurden als infektiös indentifiziert und die sind natürlich umgehend in | |
| Quaratäne geschickt worden. Kein einziger Gast hat sich auf der Feier | |
| angesteckt. | |
| In zwei Wochen wird, wenn alles glatt geht, der neue Senat vereidigt. Haben | |
| Sie die Hoffnung, dass Rot-Grün-Rot die harte oder wie Sie sagen, ignorante | |
| Politik, Ihnen gegenüber korrigiert? | |
| Wir haben von diesem Senat auch viel Unterstützung bekommen; wenn etwas | |
| gescheitert ist, lagt es eigentlich immer am Gesundheitsressort von Dilek | |
| Kalayci (SPD). Trotz einer guten Zusammenarbeit bei den „Berliner | |
| Impfnächten“, die wir gemeinsam im August ausgerichtet haben, ist sie | |
| bekannt für Ansagen wie, man müsse „das Nachtleben abschalten“. Das ist e… | |
| Umgang mit der Pandemie, der uns nach 20 Monaten einigermaßen fassungslos | |
| macht. Da wird einfach der Lebensinhalt und die Arbeitsgrundlage von so | |
| vielen Menschen abgestellt, obwohl es legale und sichere Alternativen gibt. | |
| Für Gesundheit wird künftig die grüne Senatorin Ulrike Gote zuständig sein. | |
| Wir haben die Hoffnung, dass wir mit ihr ein neues Kapitel aufmachen können | |
| in Sachen Umgang mit Clubs in der Pandemie. | |
| 8 Dec 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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