# taz.de -- Gericht bestätigt Tanzverbot in Clubs: Entscheidung richtig, Klage… | |
> Das Berliner Verwaltungsgericht lehnt Eilanträge gegen das Tanzverbot ins | |
> Clubs ab. Doch die Auseinandersetzung bleibt wichtig. | |
Bild: In den Clubs dreht sich derzeit nichts | |
Das Wort „Tanzlustbarkeiten“ ist eines der schönsten Wörter, die man in | |
dieser nun fast zweijährigen Coronapandemie lernen durfte. Darunter | |
verstehen deutsche Juristen nichts anderes als Feiern in Clubs, zu denen, | |
[1][wie Clubcommissionschefin Pamela Schobeß der taz sagte], natürlich auch | |
der „Exzess“ gehört. Dezenter lässt sich der kaum umschreiben. | |
Derzeit ist nichts mit Exzess. Bereits Anfang Dezember hatte der Senat ein | |
Tanzverbot in Clubs beschlossen: Jene dürfen zwar offen bleiben, allzu | |
rhythmische Bewegungen sind aber nicht erlaubt. Mehrere | |
Clubbetreiber*innen und Veranstalter*innen waren dagegen mit | |
Eilanträgen vor dem Verwaltungsgericht vorgegangen. Doch das Gericht | |
entschied am Dienstag vor Silvester, dass die Regelung verhältnismäßig sei. | |
„Sie diene mit dem Schutz vor der Ausbreitung des Coronavirus einem | |
legitimen Ziel“, hieß es in einer Mitteilung. (VG 14 L 633/21 und VG 14 L | |
634/21). | |
Schließlich solle so das Infektionsgeschehen verlangsamt, Zeit für | |
Impfungen gewonnen und die Belastung für das Gesundheitswesen insgesamt | |
reduziert werden. Das Verbot sei geeignet, dieses Ziel zu fördern, weil es | |
die Infektionsgefahr verringere, folgern die Richter*innen. | |
Das ist zweifellos korrekt: Je weniger Menschen sich treffen, umso geringer | |
ist die Ansteckungsgefahr – das ist eine (von gar nicht so vielen) | |
gesicherten Erkenntnissen über das Coronavirus. Und ganz ehrlich: Es wäre | |
angesichts der derzeit ungewissen Lage, was die Ausbreitung und Auswirkung | |
der Omikron-Variante angeht, auch kaum vermittelbar gewesen, wenn das | |
Gericht anders entschieden hätte. | |
Was nicht heißt, dass der Gang vors Gericht überflüssig gewesen ist. Im | |
Gegenteil: Es ist unbedingt nötig, die Auseinandersetzung über die | |
Anti-Coronamaßnahmen auch auf juristischem Weg zu führen. Zum einen ist auf | |
diese Weise die Politik des Senats bereits mehrfach korrigiert worden. So | |
mussten Berlins Schulen kurz vor den Sommerferien 2021 zum | |
Präsenzunterricht für alle zurückkehren, obwohl die damalige | |
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) das eigentlich nicht wollte. Die | |
Entscheidungen des Gerichts verändern damit den politischen Kurs in der | |
Pandemie, und das nicht nur in einzelnen Situationen, sondern immer wieder | |
nachhaltig. | |
Zum anderen wird es, spätestens wenn die heiße Phase der Pandemie | |
überstanden ist, eine intensive Debatte geben über die Rolle der Justiz in | |
dieser Zeit. Ist die dritte Gewalt zum bloßen Ausführungsgehilfen der | |
Exekutive geworden, weil sie deren Weichenstellungen bloß abnickte; weil | |
sie vielleicht das Risiko scheute, in die Verantwortung für eigene, anders | |
lautende Entscheidungen genommen zu werden? Oder war sie ein Korrektiv? | |
Damit diese Debatte geführt werden kann, muss die Justiz einbezogen werden: | |
durch Klagen. | |
Und es gibt einen weiteren Grund, warum die Clubbetreiber vor Gericht | |
antanzen sollten: Sie haben durchaus nachvollziehbare Argumente, die – in | |
einer weniger ungewissen und weniger angespannten Lage als jetzt – durchaus | |
zu einer anderen Schlussfolgerung führen können. Denn es geht ja immer um | |
eine Abwägung: die Interessen der Clubs und der Feiernden versus jene der | |
allgemeinen Gesundheit. | |
Die Clubcommission, die die Interessen vieler Clubs vertritt, hat ein Test- | |
und Tanz-Konzept erarbeitet, [2][das PCR-Tests einsetzt, die eine | |
akzeptiert hohe Genauigkeit haben]. Deswegen kann man die Begründung des | |
Gerichts durchaus kritisch sehen: „Denn das Vorliegen eines Negativtests, | |
eine vollständige Impfung oder ein Genesungsnachweis in Kombination mit | |
einem Hygienekonzept verringere die Gefahr von Neuinfektionen bei | |
Tanzveranstaltungen zwar, könne sie aber – anders als ein Verbot – nicht | |
verhindern.“ | |
## Clubcommission kritisiert Senat | |
Der Berliner Senat hat sich – wie die Clubcommission bitter beklagt – | |
bisher nicht getraut, auf das Konzept der Clubcommission zu vertrauen und | |
die Clubs offen zu lassen, inklusive Tanzlustbarkeiten. Auch das | |
Verwaltungsgericht wagt sich nicht so weit vor. Und es gilt als | |
unwahrscheinlich, dass eine mögliche Beschwerde vor dem | |
Oberverwaltungsgericht derzeit ein anderes Ergebnis bringen würde. Aber | |
vielleicht sorgt die juristische Auseinandersetzung ja dafür, dass die | |
Clubs diesmal nicht so lange geschlossen bleiben müssen wie im ersten | |
Lockdown, der für sie eineinhalb Jahre dauerte. Ein längerer Lockdown, als | |
für alle anderen. | |
31 Dec 2021 | |
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[1] /Clubcommission-Vorsitzende-im-Interview/!5754701 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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