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# taz.de -- Corona-Regeln für Berliner Clubs: Tanz auf dem Vulkan
> Clubs in Berlin dürfen nur noch mit 50 Prozent Auslastung öffnen. Das
> Berghain macht kurzerhand neue Räume auf, um die Regel zu umgehen.
Bild: Stundenlanges Anstehen vor dem Berghain – das soll gefälligst so bleib…
Berlin taz | „Komm ganz nah heran“, steht auf dem Bändchen für Partygäste
am vergangenen Sonntag im Technoclub Berghain, „Tanz auf dem Vulkan“. Eine
fragwürdige Botschaft bei der aktuellen Lage: Die Infektionszahlen
schnellen rasant in die Höhe, die neue, [1][allem Anschein nach deutlich
ansteckendere Omikron-Variante] des Coronavirus hat Deutschland schon
erreicht.
Die Clubs mussten ihre Türen noch nicht wieder schließen, seit Samstag null
Uhr gilt aber [2][eine neue Coronaverordnung in der Hauptstadt]. Auf
Behördendeutsch: Bei „Tanzlustbarkeiten“ gibt es eine Höchstauslastung von
50 Prozent der Clubkapazität. Hinzu kommt die 2G-Plus-Regelung – nur
Genesene und Geimpfte dürfen mit einem tagesaktuellen Testnachweis feiern.
Für einige Clubs, wie das://about blank und Fitzroy bedeutet die neue
Regelung vorerst ein Ende der Lustbarkeiten: Mit nur der Hälfte der Gäste
sei die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben, erklärte Pamela Schobeß,
Vorsitzende der Berliner Clubcommission, der taz. Das://about blank
schreibt in seinem Newsletter, der Club gehe für mindestens vier Wochen in
einen „solidarischen Lockdown“. Sulu Martini, ein Sprecher des
Club-Kollektivs, sagte der taz:„Clubbetrieb ohne Nähe gibt es nicht.“ Auch
die Technoreihe Synoid sagte ihre Party am vergangenen Wochenende in der
Alten Münze ab.
Das Berghain verfährt offenbar anders. Nach taz-Informationen werden seit
dem Wochenende in dem ehemaligen Fernheizwerk der Stalinallee zusätzliche
Flächen eröffnet. So könnte das Berghain die maximale Kapazität des Ladens
erhöhen, damit die neue 50-Prozent-Regelung nicht weniger
Partygänger*innen bedeuten muss.
## „Komm ganz nah heran“ steht auf dem Bändchen
Wenn sonntags das Berghain und die Panoramabar geöffnet haben, dienen zum
Beispiel Halle und Garten als Ausweichflächen, damit Besucher*innen
Abstandhalten können. Freitags werden Berghain oder Säule zusätzlich
geöffnet, je nachdem, ob die Party in der Panoramabar oder im Berghain
stattfindet. Diese zusätzlichen Flächen werden allerdings mit keinem
Programm bespielt. Ist das bloß ein Trick, um die neue Coronaverordnung zu
umgehen?
Nach der Party am Wochenende berichten Partygäste, dass die Halle, wo
zuletzt eine Kunstausstellung stattfand, hell, kalt und leer gewesen sei –
ein unattraktiver Ort für das in der Regel eher freizügige und verschwitzte
Berghain-Publikum. Einzelne Gäste hätten sich immer mal wieder dahin
verirrt, so schildern Besucher*innen die Situation, bevor sie nach
wenigen Minuten die ungeheizte Halle wieder verließen.
„Allen ist beim Betreten klar, dass da kein wirklicher Aufenthaltsraum
ist“, sagte ein Gast der taz. Im Szene-Forum Restrealitaet schreibt ein
User über einen weiteren geöffneten Bereich, dort sei bis auf einen
Aufseher, seinen Stuhl und eine kleine Gasheizung nichts anderes zu finden
gewesen. „Es war kalt und hell, fast als würde man die wenigen, die sich
dahin verirren, auch noch abschrecken wollen. Für den Schein hätte man hier
wenigstens zwei Stühle oder eine Matratze platzieren können, um zu sagen,
dass das der Chilldown-Bereich ist.“
Auf eine Anfrage der taz reagierte das Berghain nicht. Eine
Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Kultur und Europa sagte zur
Situation: „Wir erwarten selbstverständlich vom Berghain wie von allen
anderen Kultureinrichtungen, dass sie sich an die aktuelle Verordnung wie
das Hygienerahmenkonzept halten.“ Technisch gesehen tut dies das Berghain
auch. Dass ein Club zusätzliche Räume eröffnen könnte, um seine Kapazität
zu erhöhen, verstößt nicht gegen die neue Coronaverordnung.
## Die zusätzlichen Räume wirken abweisend
Allerdings zeigt das Beispiel, dass die 50-Prozent-Regelung in der Praxis
offenbar wenig sinnvoll ist. Denn entweder müssen Clubs aus
wirtschaftlichen Gründen ihre Türen schließen, weil Partys nicht mehr
kostendeckend sind. Oder sie machen mit 50-Prozent-Auslastung weiterhin
auf, können aber auch ohne zusätzlich geöffnete Flächen nicht bestimmen, wo
sich Partygäste aufhalten. Die allermeisten werden weiterhin auf der
Tanzfläche sein – dicht gedrängt im Rausch der Nacht.
Erst Anfang Oktober [3][hat das Berghain nach einer 19-monatigen
pandemiebedingten Partypause wiedereröffnet]. Dennoch war das Jahr 2020
wirtschaftlich gesehen ein Erfolg: Der Club erzielte laut
Jahresabschlussbericht einen Rekordgewinn von 2,7 Millionen Euro.
Seit der Wiedereröffnung gab es im Berghain mehrere Corona-Ausbrüche – so
wie bei vielen anderen Veranstaltungen mit 2G-Regelung auch. Schon bei der
ersten Party am 2. Oktober infizierten sich mindestens 19 Gäste. Zwei
Wochen später kam es bei einem erneuten Ausbruch zu einer Datenpanne: Das
Bezirksamt informierte Gäste der „Friday Fuck 2-4-1“-Party im lab.oratory,
dem Sexclub im Berghain, über einen offenen Mailverteiler – so sahen alle
Empfänger*innen alle anderen E-Mail-Adressen der insgesamt 150
angeschriebenen Gäste. Die Berliner Datenschutzbeauftragte beschäftigt sich
inzwischen mit dem Fall, das Bezirksamt hat sich entschuldigt.
Während die vierte Welle zügig voranschreitet, steht der Clubbranche ein
harter Winter bevor. Der Vulkan spuckt – und bis zum nächsten Ausbruch ist
es nur eine Frage der Zeit.
1 Dec 2021
## LINKS
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[3] /Berliner-Clubs-nach-der-Zwangspause/!5803936
## AUTOREN
Nicholas Potter
## TAGS
Berghain
Clubszene
Party
Berliner Nachtleben
Schwerpunkt Coronavirus
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