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# taz.de -- Künstler:innen LUMP über ihr neues Album: „Bis mich die Muse k�…
> Die britischen Künstler:innen Laura Marling und Mike Lindsay reden bei
> der Arbeit nicht viel. Im Interview sprechen sie über Drone-Sounds und
> die Lust zu tanzen.
Bild: Laura Marling und Mike Lindsay von LUMP
Ein Duo, das zugleich ein Trio ist: unter dem Namen LUMP machen die beiden
Briten [1][Laura Marling] und Mike Lindsay elektronischen Art-Pop. Mit
dabei: ein Yeti-Wesen, das dem Projekt auch den Namen gegeben hat und durch
die Videos tanzt.
taz: Mike Lindsay, Sie sitzen gerade im Studio in Margate, in dem „Animal“,
das neue Album ihres Projekts LUMP mit Laura Marling entstanden ist.
Mike Lindsay: Genau hier hat sich Laura zu meinen Songfragmenten, Melodien
und Texte einfallen lassen, teilweise in Echtzeit. ich war total geflasht.
Weshalb?
Lindsay: Kennen Sie das: Wer kreativ beim Musikmachen ist, lässt sich von
der Reaktion der ersten Person, die die Musik zu hören bekommt,
beeinflussen.
Laura Marling, warum diskutieren Sie beim Musikmachen so wenig?
Laura Marling: Beim Debüt lag es noch daran, dass wir uns kaum kannten.
Aber auch diesmal haben wir im Studio nicht viele Worte verloren. Wir
tauschen nie vorher Ideen aus, sondern legen einfach los. Wenn sich etwas
in die Länge zieht, lassen wir’s lieber bleiben.
Wie finden Sie diese Arbeitsteilung?
Marling: Ich betrete den dunklen Studioraum, Mike startet die Fragmente auf
dem Rechner und dann ist es so, als ob ich einen noch dunkleren, viel
größeren Raum betrete. Mikes Sound ist spacig. Er komponiert neue
Klangwelten. Ich versuche dann, diese neuen Räume zu ergründen – zu mir
sprechen zu lassen.
Woher kommt dieser Eindruck?
Lindsay: Wir gehen beide davon aus, dass LUMP, dieses Wesen, nachdem wir
unser Projekt benannt haben, in einer eigenen Parallelwelt existiert. Ich
versuche, mir ihn und seine Welt beim Komponieren vorzustellen – und wie
das klingen könnte.
Könnten Sie diese Klangwelt anhand des Songs „Red Snakes“ erklären?
Marling: Die Melodie von „Red Snakes“ habe ich aus Mikes Klaviertönen
herausgehört. Mike hat es intim aufgenommen mit Close Miking, also das
Mikrofon dicht am Klavier – das hat die Stimmung für alles Weitere gesetzt.
Vor dem Songtext existiert bereits eine Melodie?
Marling: Ja. Und aus dieser Melodie ergibt sich das Metrum für den Text,
wie viele Silben die Zeile braucht. Das ging bei diesem Song so schnell,
weil ich an ein sehr starkes Bild denken musste, einen Traum, den ich
öfters hatte: dass meine Mutter in einem dunklen Brunnen voller Schlangen
steht und ich sie nicht erreichen kann. Und dann hatte ich noch eine
passende Zeile von Rilke für meine Zwecke adaptiert.
Ihr Notizbuch soll mit Zitaten und Gedanken aus Lektüre- und
Filmerlebnissen prall gefüllt sein.
Marling: Stimmt. Mein Notizbuch ist mittlerweile zweigeteilt. Vorne notiere
ich Dinge, die meine Solosongs passen. Weiter hinten stehen Gedanken, die
sich für LUMP eignen. Auch mein Gedächtnis ist mittlerweile zweigeteilt.
Laura-Marling-Songs spielen sich an der Oberfläche ab – sie handeln von
Menschen, Begegnungen und Gefühlen. Was aber nicht heißt, dass meine Songs
autobiografisch sind. LUMP-Musik dagegen handelt von einer bizarren
Unterwelt. Da geht es um das, was man psychoanalytisch das Unbewusste
nennt.
Sie studieren Psychoanalyse. Färbt das auf Ihre Texte ab?
Marling: Absolut. In meinem Notizbuch finden sich viele Sätze und Ideen aus
dem Studium. Ich interessiere mich sehr für Psychoanalyse. Manchmal finde
ich sie auch lustig, weil es da sehr akademisch um groteske Gefühle geht:
Um Sex und Lust und um das merkwürdige Eigenleben unserer Genitalien. Die
Sprache der Psychoanalyse hilft, über etwas zu reden, über das wir sonst
nicht reden. Weil sie es möglich macht, sich davon zu distanzieren.
Sie komponieren Songs wie ein Gehirnklempner?
Marling: Nein, ich sitze mit meiner Gitarre am Schreibtisch und warte
darauf, bis mich die Muse küsst (lacht). Im Studio mit LUMP komponiere ich
nie. Insofern ist die Kollaboration mit Mike schon besonders.
Das LUMP-Debüt haben Sie, als Dronen-Reise-Zyklus charakterisiert – weil
sich ein Flöten- und Synthiewummern als Dronesound wie ein roter Faden
durch die Musik ziehen. Wie würden Sie die Musik auf „Animal“ beschreiben?
Lindsay: Manches von dem Zyklus spielt diesmal wieder eine Rolle: Die Songs
gehen wieder ineinander über, sodass die Musik sich wie ein Kreis schließt
und wieder von vorne beginnt.
Sie verwenden oft den Begriff wonky, wenn Sie von Musik sprechen. Den
Begriff kennt man vom britischen Dancefloor-Sound, wo er Synthiesound
bezeichnet.
Lindsay: Ich mag das Wort einfach. Im Grunde meine ich damit etwas, das
verdreht, schräg und instabil klingt – aber auch nicht zu sehr. So wie
LUMP. Das ist Popmusik mit einem interessanten Twist. Manchmal klingen wir
etwas unheimlich und man weiß oft nicht, warum.
Ich habe gehört, dass Sie nach dem Produzieren tanzen.
Lindsay: Manchmal hört man im Studio stundenlang immer wieder die gleiche
Passage und sucht nach einem fehlenden Part. Wenn ich ihn endlich habe,
tanze ich dazu. Sehr lange sogar.
Ähnlich wie LUMP in den Videos?
Lindsay: Laura ist bei uns das Hirn, sie kann Schlaues über Psychoanalyse
erzählen. Ich dagegen arbeite stumpf mit meinem Körper und tanze dazu.
Ist LUMP für Sie eine Methode, sich von der Figur Laura Marling zu
distanzieren?
Marling: Das Schöne an LUMP ist, dass niemand – na ja, fast niemand – auf
die Idee kommt, dass es sich um autobiografische Nicht-Fiktion handeln
könnte. Insofern hilft mir die Musik, aber auch meinen Fans, Distanz zu mir
als Privatperson einzunehmen.
Ihr letztes Album war als eine Serie von Ratschlägen an eine imaginierte
Tochter konzipiert. Lautet Ihr Ratschlag also: Besser keine Solokarriere.
Sondern Musikmachen unter fiktiven Namen?
Marling: Ich würde sagen: Mach beides. Das ist jedenfalls mein Traum.
Wo lebt eigentlich die 2 Meter große LUMP-Figur, die in den Videos zu sehen
ist?
Marling: In meinem Keller.
Lindsay: Da darf er nicht raus. Besonders nicht, wenn die Sonne scheint
(lachen).
Dass Sie nur in England auf Tour waren – hängt das mit den Folgen von
Brexit und Corona zusammen?
Marling: Ja, leider. Es war schon davor fast zu teuer, als Laura Marling
auf Europa-Tour zu gehen. Brexit und Pandemie haben es noch komplizierter
gemacht. Und mit LUMP sind die Ressourcen auch knapper. Aber wir hoffen,
dass es irgendwann mal klappt.
Lindsay: Im Moment weiß niemand, wie’s weitergehen soll: Unter den
Bedingungen des Brexit und der Pandemie ist es nicht möglich, mit LUMP auf
Tour zu gehen.
Marling: Der britischen Regierung ist das offenbar egal. Auch weil sie
wissen, dass wir Künstler:innen die Tories eh nicht wählen. Deswegen sind
wir ganz unten auf ihrer Liste.
Was geben Live-Auftritte einem elektronischen Popprojekt wie LUMP?
Lindsay: Live-Auftritte haben LUMP einen ziemlichen Energieschub verpasst –
im Vergleich zu den Konzerten war das Debütalbum fast schon Ambientsound.
Laura und ich waren davor nie gemeinsam auf einer Bühne. Wir wussten nicht,
wie wir aufeinander und wie das Publikum auf uns reagieren würde: Ich, der
immer ziemlich over-excited auf der Bühne herumhüpft, und Laura mit ihrer
ruhigen, coolen, konzentrierten Art. Am Ende lief alles gut. Die Konzerte
haben Spaß gemacht, sie waren wild und haben alle zum Schwitzen gebracht.
Wer hätte gedacht, dass Laura auch mit E-Gitarre eine wilde Wutz ist? Mir
ist gerade eine Beschreibung für das neue Album eingefallen.
Wie bitte?
Lindsay: Synthetic Parallel Pop Tangle. Wie findest du das?
Marling: Ohaua ha.
13 Oct 2021
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## AUTOREN
Claus Lochbihler
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