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# taz.de -- Neues Album von Sunn o))): In den Grundtönen verharren
> Eine Radiosession des US-Doom-Metal-Duos Sunn o))) zusammen mit der
> Schwedin Anna von Hausswolff wird zum Album „Metta, Benevolence“.
Bild: Brutal laut war es im Mittelalter: Sunn o))) in ihren Mönchskutten beim …
Das US-Duo Sunn o))) steht eigentlich für das Gegenteil dessen, was man
gemeinhin radiotauglichen Sound nennen würde. Die beiden Musiker aus
Seattle, die ihr Projekt nach der Verstärkermarke Sunn und deren
Schallwellen simulierendem Firmenlogo benannt haben, komponieren epische,
ausufernde Tracks. Meist sind sie rein instrumental und jenseits der
Zehn-Minuten-Marke, überwiegend bestehen sie aus einzelnen, ewig dröhnenden
[1][Gitarrenriffs].
Eingängige Rhythmen, Hooklines oder Refrains: Fehlanzeige. Insofern kann
man es kühn nennen, was die britische Musikjournalistin und
Radiomoderatorin Mary Anne Hobbs im Oktober 2019 tat: Sie lud [2][Sunn
o)))] zusammen mit der schwedischen Organistin [3][Anna von Hausswolff] zu
einer Session für den Radiosender BBC 6 ein, und die Aufnahmen sendete sie
im Vormittagsprogramm.
Selbst in Großbritannien – wo öffentlich-rechtliches Radio viel mehr wagt
als in Deutschland – ist dies ungewöhnlich, allerdings sieht sich Hobbs
auch in der Tradition des legendären Radio-DJs John Peel, der
Avantgardemusik regelmäßig zur Primetime im Radio spielte und
Hörgewohnheiten durchbrach.
## Orgel und Posaunen
Unter dem Titel „Metta, Benevolence“ sind diese Aufnahmen nun auch als
Album erschienen. Will man sich dem Drone- und Doom-Sound von Sunn o)))
nähern und ihn verstehen, so eignet sich wohl kaum ein Werk so sehr wie
dieses. Vor allem das halbstündige Finale „Troubled Air“ (eine erweiterte
Version eines Stücks vom 2019er-Album „Life Metal“) hebt die Kunst von Sunn
o))) mit seinem Einklang von Orgeltönen, verzerrten Metalriffs und
Posaunenklängen (Stephen Moore) auf ein neues Level.
Sunn O))), deren Besetzung [4][Stephen O’Malley] und Greg Anderson bilden,
sind die weltweit bekannteste Band des Genres Drone-Doom. Seit ihrer
Gründung 1998 haben sie neun Studioalben und zahlreiche Kollaborationswerke
veröffentlicht. Neben Bands wie den Melvins und Earth zählten sie
seinerzeit zu den ersten Gruppen, die die spirituelle und avantgardistische
Drone Music, wie sie La Monte Young und Tony Conrad in den 1960er Jahren
komponierten, mit der Klangästhetik von Metal und Black Metal verknüpften.
Das Brummen und Wummern von Sunn o))) ist durchaus verwandt mit La Monte
Youngs Kompositionstechnik: Eine von Youngs berühmtesten Kompositionen –
„Composition 1960 No. 7“ – bestand aus zwei Tönen und der einfachen
Anweisung: „to be held for a long time“. So auch bei Sunn o))). Bei ihnen
würde die Anweisung etwa lauten: Gitarrensaite anschlagen, Distortion-Pedal
gedrückt halten, Ton ausklingen lassen. Die ersten beiden Stücke auf
„Metta, Benevolence“ verharren in den Grundtönen F beziehungsweise C#.
## Archaische Klänge
Das Archaische der Klänge macht „Metta, Benevolence“ zu einem Hörerlebnis
und schärft zugleich die Sinne. Der Reiz der Musik liegt darin, den
Obertönen und Mikrotönen zu lauschen, die bei jedem Grundton mitschwingen.
Varianz entsteht dabei auch durch die Instrumentierung: Das Stück
„Pyroclasts C#“ setzt nur mit Orgeltönen ein, später kommen
Gitarrenbrummen, Von Hausswolffs Gesang und Synthesizer in der gleichen
Tonhöhe dazu.
Im abschließenden „Troubled Air“ gibt es gar Tonhöhenwechsel, es bleibt
aber ähnlich meditativ wie in den ersten beiden Stücken. Apropos meditativ:
Im Titel verwenden Sunn O))) einmal mehr (wie schon beim Album „Kannon“)
einen buddhistischen Terminus. „Metta, Benevolence“ steht für Güte in der
buddhistischen Lehre.
Die Zusammenarbeiten mit anderen Künstlern – etwa „Monoliths & Dimensions�…
(2009) mit dem Sänger Attila Csihar von Mayhem und „Terrestrials“ (2014)
mit der norwegischen Experimentalband Ulver – zählten in der Vergangenheit
zu den eindrucksvollsten Werken der Band. In der Kollaboration mit Anna von
Hausswolff ist nun erneut etwas Tolles entstanden.
Die Schwedin, von der übrigens gerade ein Live-Soloalbum erschienen ist
(„Live at Montreux Jazz Festival“), hat einen ähnlichen Background wie Sunn
o))), auch sie ist von Black Metal und von früher Avantgarde gleichermaßen
geprägt. Man spürt beim Hören der Songs, dass Band und Künstlerin ähnlich
ticken.
In einem Essay hat der britische Kulturtheoretiker Marcus Boon einmal den
Universalismus und die Zugänglichkeit von Drone-Musik gepriesen: „Drones
verkörpern universalistische Prinzipien von Klang und Vibration, in
gewisser Weise gehören sie niemandem und laden zu einem gemeinsamen Erleben
[…] ein.“
Im Radio gespielt wie bei [5][Mary Anne Hobbs,] unterbrechen solch
reduktionistische Töne die Hörroutine und provozieren sofort eine Reaktion.
Die erste Reaktion wird ein genaueres Hinhören sein. Und wenn daraus die
Erkenntnis erwächst, dass Musik so viel mehr sein kann als Songs im Schema
Strophe-Bridge-Refrain, ist das ein Erkenntnisgewinn.
27 Jan 2022
## LINKS
[1] /Neues-Album-von-Sunn-o/!5262099
[2] /Metalband-SunnO-ueber-ihr-neues-Album/!5162649
[3] https://blogs.taz.de/popblog/2017/09/12/song-der-woche-anna-von-hausswolff-…
[4] /Mutek-Festival-in-Montreal/!5092296
[5] /!403398/
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Doom
Neues Album
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