# taz.de -- Berliner Gericht zu Anti-BDS-Beschluss: Klage von BDS-Aktivisten ab… | |
> Der Bundestag bezeichnet Boykott-Aufrufe gegen Israel als | |
> „antisemitisch“. Dagegen klagten Aktivist:innen der Boykott-Kampagne. | |
> Erfolglos. | |
Bild: Demonstration der BDS-Kampagne gegen den Beschluss des Bundestags von 2019 | |
Berlin taz | Der BDS-Beschluss des Bundestags verletzt nicht die | |
Grundrechte von pro-palästinensischen Aktivist:innen. Das entschied am | |
Donnerstagabend das Verwaltungsgericht Berlin. Bei der Einstufung der | |
BDS-Kampagne als „antisemitisch“ handele es sich nur um eine | |
„Positionsbestimmung“ des Bundestags nach einer kontroversen Debatte. | |
BDS steht für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“. Mit der | |
internationalen BDS-Kampagne versuchen pro-palästinensische Aktivist:innen, | |
Israel unter Druck zu setzen. Ziel ist ein Ende der Besetzung arabischen | |
Landes und ein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge. Die Kampagne | |
ist umstritten, weil sie teilweise das Existenzrecht Israels in Frage | |
stellt und nicht nur die Räumung völkerrechtswidrig besetzter Gebiete | |
fordert. | |
Im Mai 2019 beschloss der Deutsche Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, | |
SPD, FDP und großen Teilen der Grünen-Fraktion die Resolution „Der | |
BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“. Darin | |
heißt es: „Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung sind | |
antisemitisch.“ Der Bundestag wolle deshalb „Organisationen, die sich | |
antisemitisch äußern oder das Existenzrecht Israels infrage stellen“, keine | |
Räumlichkeiten und Einrichtungen mehr zur Verfügung zu stellen. Außerdem | |
sollen solche Projekte nicht mehr finanziell gefördert werden. | |
Bundesregierung, Bundesländer und Kommunen wurden aufgefordert, sich dieser | |
Position anzuschließen. | |
Gegen diesen Beschluss klagten [1][drei Aktivist:innen der | |
BDS-Bewegung]: Die jüdische Rentnerin Judith Bernstein, der | |
deutsch-palästinensische Unternehmensberater Amir Ali und der Oldenburger | |
Lehrer Christoph Glanz. Bernstein ist in der jüdisch-palästinensischen | |
Dialoggruppe aktiv, Ali bei der Gruppe „Palästina spricht“ und Glanz | |
engagiert sich in der BDS-Initiative Oldenburg. | |
## Verletzung der Meinungsfreiheit? | |
In der Verhandlung vor dem Berliner Verwaltungsgericht am Donnerstag | |
erklärten die drei Aktivist:innen, warum sie klagen: „Der Einsatz für die | |
Rechte der Palästinenser ist nicht antisemitisch“, sagte Judith Bernstein, | |
„die Kritik an der israelischen Politik ist notwendig, um Israel vor dem | |
moralischen Niedergang zu bewahren“. Amir Ali sagte, der | |
Bundestagsbeschluss diene dazu, „Informationen über die Apartheid in Israel | |
zu verhindern“, der Bundestag schüre Hass mit Lügen und Desinformationen. | |
Christoph Glanz betonte, dass er Antifaschist sei. Er werde es nicht | |
akzeptieren, unter dem Vorwurf des Antisemitismus mit Nazis gleichgestellt | |
zu werden. | |
Vertreten wurden die drei Aktivist:innen vom Berliner Rechtsanwalt | |
Ahmed Abed. Die Stigmatisierung der BDS-Bewegung als antisemitisch verletze | |
das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger:innen und ihre | |
Meinungsfreiheit, erklärte Abed vor Gericht. | |
Für den Bundestag wies Rechtsanwalt Christian Mensching die Vorwürfe | |
zurück. Es liege kein Eingriff in Grundrechte vor. Der BDS-Beschluss sei | |
nur eine Meinungsäußerung des Bundestags, der einen Meinungsaustausch | |
eröffne. | |
## Bis nach Straßburg | |
BDS-Anwalt Abed konnte den freien Diskurs aber nicht erkennen. „Der | |
BDS-Beschluss des Bundestags wirkt wie ein offizielles Prüfsiegel, um die | |
BDS-Bewegung auszugrenzen“, sagte Abed. Aktivist Amir Ali berichtete, dass | |
sich viele Kommunen auf die Bundestags-Resolution beriefen, wenn sie der | |
BDS-Bewegung Räume verweigern. Häufig müsse er klagen, um öffentliche | |
Veranstaltungsräume nutzen zu können. Christoph Glanz machte den | |
Bundestags-Beschluss dafür verantworlich, dass er immer wieder verbal und | |
auch körperlich angegriffen wird.* | |
Das Verwaltungsgericht Berlin [2][folgte nun jedoch der Argumentation des | |
Bundestags]. Der BDS-Beschluss sei kein gezielter Eingriff in Grundrechte | |
der BDS-Aktivist:innen. Soweit sich andere Akteure, zum Beispiel Kommunen, | |
dadurch ermuntert sehen, Räume zu verweigern, könne dagegen geklagt werden. | |
Auch eine Ehrverletzung konnte das Gericht nicht erkennen. Der | |
Bundestagsbeschluss enthalte „nur sachbezogene Aussagen“ über | |
Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung. „Es werden nicht alle | |
Unterstützer der BDS-Bewegung als Antisemiten bezeichnet“, sagte | |
Gerichtspräsidentin Erna Viktoria Xalter bei der Urteilsbegründung. (Az.: | |
2K 79/20) | |
Anwalt Ahmed Abed kündigte noch im Gerichtssaal an, dass die drei | |
Aktivist:innen Rechtsmittel einlegen werden. Sie wollen den Prozess bis | |
zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg tragen. | |
Dort rechnen sie sich gute Chancen aus, weil der EGMR im Juni 2020 | |
zugunsten von französischen BDS-Aktivist:innen entschieden hat. Diese waren | |
nach einem Boykottaufruf gegen israelische Produkte zivilrechtlich zu | |
Schadensersatz verurteilt worden. Darin sah der EGMR jedoch eine Verletzung | |
des Rechts auf freie Meinungsäußerung. | |
8 Oct 2021 | |
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[2] /Streit-um-BDS-Bewegung/!5740197 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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