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# taz.de -- Uni Frankfurt gegen Asta: Zu politisch
> Darf der Asta der Universität Frankfurt zu Klimastreiks aufrufen oder
> sich zur BDS-Kampagne äußern? Das muss ein Verwaltungsgericht klären.
Bild: An der Uni Frankfurt geht es bisweilen hoch her. 2009 etwa wurde die Mens…
Berlin taz | Sollen Studierendenvertretungen an den Universitäten sich
politisch zu allem äußern dürfen? Zu schlechtem Mensa-Essen und fehlenden
Schreibtischen in der Bibliothek? Oder auch gegen den Israelboykott und für
einen besseren Klimaschutz?
Dieser Konflikt besteht seit Jahrzehnten und ist immer wieder [1][Anlass
für Rechtsstreits]. Im Kern geht es um die Frage, ob dem Allgemeinen
Studierendenausschuss (Asta) nur ein „hochschulpolitisches“ oder auch ein
„allgemeinpolitisches“ Mandat zustehe. Diese Auseinandersetzung wird
derzeit wieder einmal an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main
geführt. Ob der Asta seine Rechte übertreten hat, wie die Uni-Leitung
behauptet, muss das Verwaltungsgericht beantworten.
Die rechtliche Situation um jene Beschränkung politischer Bekenntnisse
erscheint auf den ersten Blick klar. Die Hochschulgesetze der Länder
schreiben den Asten nur ein hochschulpolitisches Mandat zu, als gewählte
Studierendenvertretungen und Körperschaften öffentlichen Rechts dürfen sie
sich nicht zu allen allgemeinpolitischen Themen äußern.
So auch in Hessen. Allerdings haben die Asten auch die Aufgabe, die
politische Bildung und das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein der
Studierenden zu fördern. So steht es im hessischen Hochschulgesetz. Und
darauf beruft sich der Asta, wenn er sich politisch äußert.
## Gegen Sexismus, für Klimastreik
Und das tut er. In seinen Stellungnahmen tritt der Frankfurter Asta seit
Jahren [2][links, grün und antirassistisch] auf, etwa indem er mit zu
Klimastreiks aufruft, die sexistischen Äußerungen sogenannter
Pick-up-Artists kritisiert oder sich klar gegen den umstrittenen Weiterbau
der A49 stellt. Das Uni-Präsidium schickte dem Asta mehrfach Bescheide, in
denen es das Überschreiten des „hochschulpolitischen Mandats“ beklagte.
In der Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht, die der taz
vorliegt, nennt das Uni-Präsidium mehrere Beispiele eines „anhaltenden
rechtswidrigen Verhaltens“ des Asta, die zum Teil schon länger
zurückliegen: eine Solidaritätserklärung mit den Students for Future sowie
ein Aufruf zu einer Klimastreikwoche 2019, ein Antifa-Diskussionsbeitrag
aus der Asta-Zeitung, eine Solidaritätserklärung mit Kurdistan gegen eine
türkische Militäraktion sowie eine Resolution gegen [3][die umstrittene
antiisraelische Kampagne] „Boykott, Divestment, Sanctions“ (BDS).
Der Asta habe seine gesetzlichen Kompetenzen, sein „hochschulpolitisches
Mandat“ hierbei überschritten. Dadurch sei „ein Eingreifen der präsidialen
Rechtsaufsicht geboten“ gewesen, erklärt Olaf Kaltenborn, Sprecher der
Goethe-Universität. Gegenüber dem Asta begründet die Hochschulleitung:
Politische Bildung bedürfe „am Neutralitätsgebot orientierter
Berücksichtigung verschiedener politischer Sichtweisen“, heißt es in dem
Bescheid an den Asta, der der taz vorliegt. Sofern allgemeinpolitische
Veranstaltungen vom Asta organisiert würden, müssten diese diverse
politische Sichtweisen aufzeigen.
Mathias Ochs, einer der Asta-Vorsitzenden, widerspricht vehement. „Es muss
möglich sein, einen Brückenschlag von hochschulpolitischen zu
allgemeinpolitischen Themen zu machen“, so Ochs. Die Studierendenvertretung
legte entsprechend Widerspruch gegen den letzten Bescheid ein. Der Fall
liegt jetzt beim Verwaltungsgericht.
## Unverständnis auf vielen Seiten
„Besonders überraschend“ sei in der Stellungnahme der Uni-Leitung die
Nennung der Resolution gegen BDS aus 2017 gewesen, sagt Ochs. Darin habe
man sich für den Austausch mit israelischen Wissenschaftler:innen
ebenso stark gemacht wie für ein sicheres jüdisches Leben an deutschen
Hochschulen.
Der Beschluss stieß auf großen Zuspruch: Die Hochschulrektorenkonferenz
(HRK), der bundesweite Dachverband der Hochschulen, begrüßte den
Frankfurter Beschluss und verabschiedete im November 2019 einen ähnlichen.
Auch die Goethe-Universität ist Teil der HRK. Der Asta findet diesen
Aspekt entsprechend „besonders kontrovers“, so Ochs.
Ein gemeinsames Vorgehen gegen israelbezogenen Antisemitismus würde nun
„dem Wunsch zum Opfer fallen, die politische Willensbildung der
Studierendenschaft zu kontrollieren und zu beschneiden“, kritisiert die
Asta-Vorsitzende Kyra Beninga. Auch Ruben Gerczikow ist über das Vorgehen
des Präsidiums irritiert. „Für uns ist klar: der Kampf gegen Antisemitismus
an Hochschulen gehört gefördert und nicht mit juristischen Maßnahmen
unterbunden“, betont das Vorstandsmitglied der Jüdischen Studierendenunion
(JSUD).
Die antiisraelische Boykottkampagne sei eine „akute Bedrohungslage für
jüdische Studierende in Deutschland, aber auch weltweit“. Das Präsidium
solle sich an den Beschluss der HRK halten und „die rechtlichen Schritte
gegen den Asta sofort einstellen“, so Gerczikow. Weder das Uni-Präsidium
noch die HRK wollen sich auf taz-Anfrage zu diesem Sachverhalt äußern,
wegen des noch laufenden Verfahrens. Peter-André Alt, Präsident der HRK,
betont jedoch die Wissenschaftsfreiheit, die einen gegen Israel gerichteten
„Wissenschaftsboykott“ ausschließe.
## Kritik an Text in Asta-Zeitung
Zentral in der Stellungnahme des Präsidiums gegenüber dem Gericht ist
jedoch der Artikel „[4][Stop Talking – Argumente gegen die ‚Mitte‘ und
‚Meinungsfreiheit‘]“. Dieser erschien im Sommer 2020 in der Asta-Zeitung,
die an alle Studierenden versendet wird. Hinter dem Werben für
Meinungsfreiheit, so argumentieren die anonymen Autor:innen dort,
verstecke sich das „Element des rechten Hegemonieprojekts, das seinen
menschenfeindlichen Worten längst Taten folgen lässt“.
Statt also der Betonung der Meinungsfreiheit der „selbsternannten Mitte“ zu
folgen, wird für eine „Guerilla-Zensur von unten“ geworben, etwa durch eine
Blockade rechter Demonstrationen oder das Entfernen von Wahlplakaten.
Die Universität erkennt darin keineswegs einen simplen Diskussionsbeitrag.
„Die Grenzen setzt der gesetzliche Auftrag des Asta“, so Uni-Sprecher
Kaltenborn auf taz-Anfrage. Zwar könne der Asta auch kontroverse Positionen
verbreiten, diese dürften aber nicht gegen bestimmte andere Meinungen
gerichtet sein, so ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichts von 1991,
auf das sich die Uni beruft.
Ein weiterer Aufreger, der jedoch nicht Teil des Prozesses ist: Als
Reaktion auf den G20-Protestaufruf habe das Präsidium den Asta zur
Herausgabe der Namen jener Personen aufgefordert, welche die
Internetauftritte des Asta in den sozialen Medien betreuen. Die Universität
bestätigt das auf taz-Anfrage. „Diese Nachfrage sollte jedoch lediglich
einem besseren Verständnis der üblichen redaktionellen Abläufe und
Abstimmungsschritte dienen“, so Sprecher Kaltenborn.
## Das Verwaltungsgericht entscheidet
„Uns ist bundesweit kein Universitätspräsidium bekannt, das so harsch gegen
den eigenen Asta vorgeht“, teilte Carlotta Kühnemann, Vorstandsmitglied im
freien zusammenschluss der student*innenschaften (fzs), mit.
Studierendenvertretungen seien „wichtige Instanzen, um sich in
demokratischen Prozessen auszuprobieren“, so Kühnemann. Das sieht auch der
Asta so und hofft auf eine rechtliche Verankerung eines
„allgemeinpolitischen Mandats“.
Wie das Verwaltungsgericht zu diesem jahrzehntelangen Konflikt steht,
könnte Ende der Woche klar werden. Dann wird das Urteil erwartet.
21 Feb 2021
## LINKS
[1] /Politik-an-Hochschulen/!5386473
[2] https://asta-frankfurt.de/
[3] /Pro-und-Contra-Israel-Boykott/!5389548
[4] https://asta-frankfurt.de/sites/default/files/dateien/%5Buser%5D/astaffm_ze…
## AUTOREN
Kevin Čulina
## TAGS
Asta
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Hochschulpolitik
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