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# taz.de -- BDS-Beschluss im Bundestag: Geht’s auch eine Nummer kleiner?
> Namhafte Kulturinstitutionen kritisieren den BDS-Beschluss des
> Bundestags. Sie sehen die Freiheit von Kunst und Wissenschaft bedroht.
Bild: Das Mauerbild von Günther Schäfer an der Berliner East Side Gallery wur…
Am Donnerstag lud der Arbeitskreis „Initiative GG 5.3. Weltoffenheit“ zu
einer Pressekonferenz. Der Arbeitskreis setzt sich aus namhaften Kultur-,
Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen zusammen, darunter die
Bundeszentrale für Politische Bildung, das Goethe-Institut, die
Kulturstiftung des Bunds, die Stiftung Humboldt Forum.
Anlass der Pressekonferenz sei „eine gemeinsame Erklärung zur
Meinungsvielfalt in der öffentlichen Diskussion angesichts eines wachsenden
Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft“, hieß es. In der Tat, das
Oktoberfest-Attentat von 1980 ist bis heute nicht aufgeklärt; in jüngerer
Zeit wurde ein antisemitischer Anschlag auf die Synagoge in Halle und in
Hanau ein rassistisch motivierter Massenmord verübt. Der Münchner
Terroranschlag von 2016 ist schon vergessen. Darum aber geht es dem
Arbeitskreis nicht. Er ist ein Bündnis gegen den BDS-Beschluss des
Bundestags. Seine Initiatoren halten diesen für eine Gefahr für die
Freiheit von Wissenschaft und Kunst.
Der Bundestag hat 2019 beschlossen, die BDS-Kampagne und ihren Aufruf zum
Boykott von israelischen Unternehmen, Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen,
Sportlerinnen zu verurteilen; Einrichtungen des Bunds sollen keinen
Organisationen, die sich antisemitisch äußern oder das Existenzrecht
Israels infrage stellen, zur Verfügung gestellt werden, solche
Organisationen und Projekte sollen auch nicht finanziell gefördert werden.
Länder, Städte und Gemeinden und alle öffentlichen Akteurinnen wurden
aufgerufen, sich dem anzuschließen.
Weil der Beschlussantrag pauschal BDS, alle beteiligten Organisationen und
Einzelpersonen (von denen im Beschluss keine Rede ist) als antisemitisch
bezeichne und die Zusammenarbeit mit Akteur*innen der israelischen und
palästinensischen Zivilbevölkerung infrage gestellt zu werden drohe,
stimmten einige Fraktionsmitglieder der Grünen nicht für den Antrag.
Der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, hegt ähnliche
Befürchtungen: Im internationalen Kulturaustausch müsse man mit Menschen
sprechen, deren Positionen man nicht teilt. Es gelte „kulturelle
Realpolitik“ zu betreiben, daher rate er zu einer „Überprüfung der
BDS-Resolution“. Es bestehe die Gefahr, „dass wir Intellektuelle und
Künstler ausschließen, mit denen wir in unseren Gastländern das Gespräch
suchen müssen.“
Ebert bringt das Beispiel einer Veranstaltung des Instituts in Ramallah,
auf der ein palästinensischer Regisseur seine Teilnahme am Film eines
deutschen Regisseurs über Jerusalem verteidigte, an dem auch jüdische
Israelis beteiligt waren. Er rechtfertigte dies gegenüber einem
hochrangigen Vertreter des BDS, der Palästinensern mit Ausschluss droht,
wenn sie die offizielle palästinensische Linie missachten, laut der es kein
kulturelle Zusammenarbeit mit Israelis geben darf. Das sei möglicherweise
die erste und einzige Anti-BDS-Veranstaltung in den palästinensischen
Gebieten gewesen, sagte Ebert. Richtig, so muss man mit dem Problem
umgehen. Aber wäre eine solche Veranstaltung heute nicht mehr möglich?
Die meisten auf dem Podium vertretenen Repräsentanten ihrer Institutionen
machten deutlich, dass sie die Politik des BDS verurteilen, Boykotte
ablehnen, so steht es auch in der Erklärung. Dann aber folgte das Aber. Da
ist die Rede von „oft nur implizitem Druck, der auf unsere Institutionen
ausgeübt wird“. Das sei deutlich geworden, als die Leiterin der
Ruhrtriennale „vonseiten der Politik aufgefordert wurde, keine
Künstler:innen einzuladen, die dem BDS nahestehen. Derartige Eingriffe
produzieren ein Klima des Misstrauens und der Angst, des vorauseilenden
Gehorsams und der Befangenheit.“
Richtig, man soll nicht die ausgrenzen, die andere ausgrenzen. [1][Aber man
darf sie kritisieren.] Insofern ist das Beispiel Achille Mbembe, das der
Arbeitskreis anführt, gut gewählt. Mbembe hat 2018 selbst die Ausladung
einer Intellektuellen und Friedensaktivistin von einer akademischen
Konferenz in Südafrika betrieben – weil sie eine jüdische Frau mit
israelischem Pass ist.
„Die historische Verantwortung Deutschlands darf nicht dazu führen, andere
historische Erfahrungen von Gewalt und Unterdrückung moralisch oder
politisch pauschal zu delegitimieren“, heißt es weiter im Papier. Auch das
ist korrekt, aber im Fall von Mbembe war die Kritik konkret, präzise und am
Wortlaut orientiert. Mbembe wurde nicht von der Ruhrtriennale ausgeladen,
er bekam in deutschen Zeitungen, auch der taz, ganze Seiten zur Verfügung
gestellt, [2][um seine Position darzustellen].
Es steht nirgends im BDS-Beschluss geschrieben, dass das Konzert des
syrischen Oud-Spielers verhindert werden soll, weil er Sympathien für BDS
hegt, auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem BDS ist nicht sein
Gegenstand. Deutsche Gerichte haben dies, das Offensichtliche, bestätigt.
Mehrfach fallen Begriffe wie „Selbstzensur“ und „vorauseilender Gehorsam�…
Wer in einem totalitären System nicht um Arbeitsstelle oder gar Leib und
Leben fürchten will, übt sich notgedrungen darin. Ist das die Lage? Am Ende
der Pressekonferenz stellt ein Anwalt die naheliegende Frage ans Podium:
„Wurde seitens eines Bundesministeriums Druck ausgeübt?“ Die Antwortet
lautet: Nein.
11 Dec 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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