# taz.de -- BDS-Bewegung gewinnt Rechtsstreit: Kein Raumverbot für Israelboyko… | |
> Städte dürfen nicht verbieten, dass in kommunalen Räumen über den Boykott | |
> Israels diskutiert wird. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht. | |
Bild: Demonstranten der BDS-Bewegung im Jahr 2018 in Berlin | |
LEIPZIG taz | Kommunen können ihre Räume nicht pauschal für Veranstaltungen | |
zum Thema Israelboykott sperren. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht | |
am Donnerstag unter Verweis auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Ein | |
entsprechender Beschluss des Münchener Stadtrats gilt damit als | |
rechtswidrig. | |
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist bundesweit wirksam. Es setzt | |
einen vorläufigen Endpunkt unter den Streit über die [1][BDS-Bewegung], die | |
unter anderem zum Boykott von Waren aus Israel aufruft. BDS steht für | |
„Boykott, Desinvestition, Sanktionen“. Die 2005 gegründete internationale | |
Bewegung will Israel durch politischen und wirtschaftlichen Druck zum | |
Rückzug aus den besetzten palästinensischen Gebieten zwingen. | |
Die Bewegung ist umstritten, weil aus ihren Reihen immer wieder das | |
Existenzrecht Israels infrage gestellt wird. [2][Der Bundestag hat sie in | |
einem Beschluss von 2019 als „antisemitisch“ charakterisiert]. Schon 2017 | |
hatte der Münchener Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossen, in | |
städtischen Räumen keine Veranstaltungen mehr zuzulassen, die sich mit der | |
BDS-Kampagne „befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese | |
werben“. | |
## Raumverbot verstößt gegen Meinungsfreiheit | |
Aus Protest dagegen plante eine Gruppe von Bürgern um den pensionierten | |
Physiker Klaus Ried eine Pro-und-kontra-Diskussion über den | |
Stadtratsbeschluss und beantragte dafür städtische Räume. Die Stadt | |
verweigerte die Räume jedoch, weil es auch hier um eine „Befassung“ mit | |
BDS-Themen gehe. | |
Veranstalter Ried zog gegen das Raumverbot vor Gericht und hatte bereits im | |
November 2020 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) Erfolg: Das | |
Verbot verletzte die Meinungsfreiheit, so der VGH. Auf Revision der Stadt | |
München musste sich nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig | |
mit dem Streit befassen und bestätigte das VGH-Urteil. Damit ist | |
rechtskräftig festgestellt, dass Klaus Ried für eine Veranstaltung über | |
BDS-Verbote Räume der Stadt München benutzen darf. | |
Eingriffe in die Meinungsfreiheit seien laut Grundgesetz nur durch und auf | |
Grundlage von „allgemeinen Gesetzen“ möglich, sagte die Vorsitzende | |
Richterin Ulla Held-Daab. Diese Anforderung verfehle das Münchener | |
Raumverbot jedoch gleich dreifach, so das BVerwG. Erstens sei ein | |
Stadtratsbeschluss kein Gesetz. Zweitens sei der Münchener Beschluss nicht | |
meinungsneutral. | |
Und drittens sei er auch nicht zum Schutz allgemeiner Rechtsgüter | |
erforderlich. Dies wäre vor allem dann der Fall, so Held-Daab, wenn mit | |
Straftaten zu rechnen ist und wenn das Feld der friedlichen | |
Auseinandersetzung verlassen wird. Dass auf Rieds | |
Diskussionsveranstaltung mit Straftaten zu rechnen wäre, hatte bereits | |
der VGH verneint. An diese Feststellung war das BVerwG in der Revision | |
gebunden. | |
Zukünftig dürfen Städte also nur dann kommunale Räume für | |
BDS-Veranstaltungen verweigern, wenn eine ernsthafte Gefahr von Straftaten | |
droht, etwa Volksverhetzung und Beleidigungen. Die Stadt München wollte | |
sich dagegen schon im Vorfeld von Straftaten schützend vor die Münchener | |
Juden und Jüdinnen stellen, sagte der Anwalt der Stadt, Ulrich Hösch, in | |
der Verhandlung. Man wolle sich nicht vorwerfen lassen, dass man die | |
BDS-Bewegung unterstütze, indem man ihr städtische Räume überlasse. | |
Klägeranwalt Alfred Braun kritisierte die Stadt: Sie wolle der Gesellschaft | |
vorschreiben, was sie zu denken und zu diskutieren habe. Münchens OB Dieter | |
Reiter (SPD) bezeichnete das Urteil als Rückschlag. Er forderte das Land | |
auf, in der bayerischen Gemeindeordnung eine gesetzliche Grundlage für das | |
Münchener Raumverbot zu schaffen. | |
20 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Kulturinstitute-gegen-Anti-BDS-Beschluss/!5730501 | |
[2] /Berliner-Gericht-zu-Anti-BDS-Beschluss/!5807027 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
BDS-Movement | |
Bundesgerichtshof | |
Israel | |
Bundesverfassungsgericht | |
Antisemitismus | |
Antisemitismus-Vorwurf | |
BDS-Movement | |
BDS-Movement | |
BDS-Movement | |
Anti-Israel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Antisemitismus in Berlin: Kein „Antisemit des Jahres“ | |
Die Kampagne „Solidarisch gegen Hass“ wollte am Sonntag den „Antisemiten | |
des Jahres“ wählen. Nach massiver Kritik wurde die Show abgesagt. | |
Misslungene Aktion gegen Antisemitismus: Mit Hass gegen Hass | |
Die Kampagne „Solidarisch gegen Hass“ will den „Antisemiten des Jahres“ | |
küren. Ein Werbebild stößt auf scharfe Kritik, auch aus dem Senat. | |
Erfolg für Palästina-Komitee Stuttgart: Meinungsfreiheit für Israelboykott | |
Die Stadt Stuttgart will „antisemitischen Gruppen“ keinen Platz auf ihrer | |
Webseite einräumen. Vor Gericht erlitt sie nun eine Niederlage. | |
Berliner Gericht zu Anti-BDS-Beschluss: Klage von BDS-Aktivisten abgewiesen | |
Der Bundestag bezeichnet Boykott-Aufrufe gegen Israel als „antisemitisch“. | |
Dagegen klagten Aktivist:innen der Boykott-Kampagne. Erfolglos. | |
Streit um BDS-Bewegung: Meinungsfreiheit zuerst | |
Laut Wissenschaftlichem Dienst ist der BDS-Beschluss des Bundestags nicht | |
verbindlich. Als Gesetz wäre er „verfassungswidrig“. | |
Kulturinstitute gegen Anti-BDS-Beschluss: „Gefährliche Logik des Boykotts“ | |
Zentrale Kulturinstitutionen lehnen den BDS-Beschluss des Bundestags ab. | |
Der Israelboykott sei zwar falsch, der Beschluss verenge jedoch den | |
Diskurs. |