# taz.de -- Arbeitgeber wie aus dem Urkapitalismus: Boykottiert die Gorillas | |
> Startups wie der Lieferdienst Gorillas setzen voll auf Wachstum – und | |
> zuletzt auf gute Arbeit für ihre Fahrer. Zeit, die App zu löschen! | |
Bild: Protest vor der Berliner Firmenzentrale von Gorillas | |
Es ist ein Ärgernis für ein aufstrebendes Unternehmen, dass es zur | |
Profiterwirtschaftung auch auf die Dienste von Arbeiter:innen | |
angewiesen ist. Insbesondere im Tech-Bereich, bei Unternehmen neuer | |
Dienstleistungsbranchen, ignoriert man das daher nur zu gerne. Da hat man | |
also etwa die bahnbrechende Idee, mit der Auslieferung von Lebensmitteln | |
bis an die Haustür unverschämt reich zu werden, denkt aber ausschließlich | |
ans Marketing, an Investorenaquise und den Konkurrenzkampf mit dem halben | |
Dutzend anderer Startups, die komischerweise genau dieselbe Idee hatten. | |
Woran als letztes gedacht wird, sind die Fahrer:innen. Man hat sich nicht | |
darum geschert, wettergerechte Kleidung und taugliche Räder zur Verfügung | |
zu stellen, hat sich niemals gefragt, wie viel Kilo ein Rider auf seinem | |
Rücken tragen kann oder wie eine fehlerfreie Abrechnung für die prekär | |
Beschäftigten funktionieren kann. Warum auch: Im Zweifel sind das alles nur | |
Kostenfaktoren. | |
So richtig groß wird das Ärgernis mit den Angestellten erst, wenn diese | |
anfangen sich zu wehren. So ist es bei Gorillas geschehen. Seit Monaten | |
organisieren sich dort die Rider. Sie versuchen, ihre Arbeitsbedingungen zu | |
verbessern und untereinander solidarisch zu sein. Das Unternehmen hat sich | |
das eine Weile angeguckt und versprochen, besser zu werden – um dann Anfang | |
der Woche auf einen Schlag [1][etwa 300 Fahrer:innen vor die Tür zu | |
setzen]. Gefeuert wurden alle aktiven Kolleg:innen, die sich zuvor an | |
spontanen Streiks und Blockadeaktionen an den Auslieferungszentren | |
beteiligt hatten. | |
## Ausbeutung wie im 19. Jahrhundert | |
Das ach so hippe Unternehmen ist damit im Ausbeutungskapitalismus des 19. | |
Jahrhunderts angekommen, als die Rechte von Arbeit:innen noch gar nicht | |
zählten. Ob es rechtlich mit den Kündigungen durchkommt, werden Gerichte | |
klären. Wichtiger aber ist: Bei den Kunden darf so ein Ausbeuterladen nicht | |
durchkommen. Wer sich von den Gorillas hat fangen lassen, spätestens jetzt | |
ist der Zeitpunkt die App zu löschen und auf die Dienste von Gorillas zu | |
verzichten. „Boycott Gorillas“, diese Forderung kommt inzwischen von den | |
aktiven Ridern selbst. | |
Neben Gorillas [2][konkurrieren noch eine Handvoll anderer Anbieter] um das | |
abstruse Geschäft der Gurkenlieferung um Mitternacht. Der Weg in die | |
Profitzone ist für alle noch weit, am Ende werden sich wohl – ähnlich wie | |
bei Leihrädern – nur ein oder zwei als Marktführer durchsetzen. Die | |
Kund:innen können dafür sorgen, dass nur jene Anbieter übrigbleiben, die | |
ihre Angestellten anständig behandeln. Es wäre ein schöne Lektion für all | |
die zukünftigen Gründer, von Anfang an die Interessen ihrer | |
Arbeiter:innen mitzudenken. | |
9 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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