# taz.de -- UN-Bericht zu Treibhausgasen: Eine Kluft und viele Versprechen | |
> Mit den bisherigen Zusagen zum Klimaschutz steigen die Temperaturen bald | |
> um mindestens 2,7 Grad, warnt das UN-Umweltprogramms Unep. | |
Bild: Extinction Rebellion protestiert in Brisbane, Australien, gegen die Kohle… | |
GENF taz | „The heat is on“, zu Deutsch in etwa: „Es brennt“ – die | |
Überschrift für den Bericht zum Stand der Treibhausgaseinsparungen hat das | |
UN-Umweltprogramm Unep gut gewählt. Denn die jährliche Bilanz, die Unep | |
kurz vor Beginn des Klimagipfels in Glasgow zum zwölften Mal vorlegt, sagt | |
für Ende des Jahrhunderts eine Welt voraus, die mindestens 2,7 Grad wärmer | |
ist als heute: vorausgesetzt, die bisher gegebenen Klimaversprechen werden | |
eingelöst. | |
Um auf das Minimalziel einer Erderwärmung von zwei Grad gegenüber der | |
vorindustriellen Zeit zu kommen, müssten die bisherigen Versprechen | |
vervierfacht werden. Denn zählt man die Verpflichtungen zusammen, die 120 | |
Staaten in ihren nationalen Klimaschutzzielen bis Ende September gemacht | |
haben, würde das die bis 2030 erwarteten Emissionen nur um 7,5 Prozent | |
mindern. Mindestens 30 Prozent würden aber für das 2-Grad-Ziel benötigt. | |
[1][Der Klimawandel sei längst kein Zukunftsproblem mehr], sondern ein | |
Jetzt-Problem, warnt Unep-Chefin Inger Andersen: „Um die Chance auf eine | |
Begrenzung der Erderwärmung um 1,5 Grad zu haben, müssen wir innerhalb von | |
acht Jahren unseren Treibhausgasausstoß halbieren: acht Jahre, um die Pläne | |
zu machen, die Gesetze zu formulieren, sie umzusetzen und zu liefern.“ | |
Die Autoren des „Emissions Gap Report“ hoffen dabei vor allem auf die | |
Versprechen vieler Staaten, klimaneutral zu werden. 49 Länder und die | |
Europäische Union haben bisher entsprechende Erklärungen abgegeben, im | |
Idealfall könnte die Erderwärmung dadurch um 0,5 Grad gesenkt werden. Doch | |
in nur elf Ländern ist das Versprechen gesetzlich verankert, so wie in | |
Deutschland, das die „Netto-Null“ bisher bis 2045 erreichen will. Unep | |
lobt, dass Deutschland immerhin einen Plan zur Erreichung des Ziels | |
vorgelegt habe, so wie auch Kanada, Korea, Frankreich und die EU. | |
Großbritannien habe wenigstens nachvollziehbare Überprüfungsmechanismen | |
entwickelt. | |
## Nicht alle Versprechen sind leer | |
In den restlichen 44 Ländern sind die Versprechen dagegen genau das: | |
Versprechen – auch wenn nicht alle so leer sind wie das von Australiens | |
Premier Scott Morrison am Dienstag. Bis 2050 werde sein Land die | |
CO2-Emissionen auf null bringen, versprach Morrison – gesetzlich | |
festschreiben wolle er das aber nicht, ebenso wenig eine Strategie | |
vorlegen. Der weltweit zweitgrößte Kohleexporteur werde auf | |
„Technologieentwicklung“ setzen [2][und ansonsten die „einzigartige | |
australische Lebensweise“ schützen]. Auch Saudi-Arabien, größter | |
Erdöl-Exporteur der Welt, kündigte zwar an, bis 2060 klimaneutral zu | |
werden. Was das Versprechen eines autoritär regierten Landes wert ist, das | |
offenbar versucht, den aktuellen IPCC-Bericht in seinem Sinne zu | |
beeinflussen, weiß niemand. Zwölf G20-Staaten haben bisher Klimaneutralität | |
zugesagt, doch die Pläne seien „hoch mehrdeutig“, wie es in dem Bericht | |
diplomatisch heißt. „Staaten müssen die politischen Maßnahmen für ihre | |
Zusagen beschließen und innerhalb von Monaten mit der Umsetzung beginnen“, | |
fordert Unep-Chefin Andersen. Entscheidend sei außerdem, dass | |
Entwicklungsländer finanzielle und technische Hilfe erhielten. | |
Doch auch dieses Versprechen haben die Industrieländer bisher nicht | |
eingelöst. Am Montag kündigte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth an, die | |
versprochene Summe von jährlich 100 Milliarden US-Dollar für arme Länder | |
werde sich um ein weiteres Jahr verzögern. Erst 2023, mit drei Jahren | |
Verspätung, soll das Ziel erreicht sein, so Flasbarth. Zwar soll die | |
Gesamtsumme aufgeholt werden, auch mit Geldern des privaten Sektors, der | |
jetzt „einen Zahn zulegen“ müsse, wie Kanadas Umweltminister Jonathan | |
Wilkinson betonte. Auch Saudi-Arabien versprach nicht nur grün blühende | |
Landschaften, sondern mehr als eine Milliarde US-Dollar für neue | |
Klima-Initiativen. Doch der designierte Vorsitzende der Weltklimakonferenz, | |
der Brite Alok Sharma, warnt, es werde in Glasgow zunächst darum gehen, das | |
Vertrauen der Entwicklungsländer in solche Versprechen wiederherzustellen. | |
Einige kritisieren bereits, dass die 100 Milliarden ohnehin nicht | |
ausreichen. | |
Um den Treibhausgasausstoß kurzfristig zu verringern, empfiehlt Unep | |
Maßnahmen, das klimaschädliche Methan einzusparen. Mit kostenlosen oder | |
günstigen Methoden ließen sich 20, mit allen verfügbaren Methoden sogar 45 | |
Prozent des Methanausstoßes einsparen. Dies würde aber nicht bedeuten, dass | |
mehr CO2 emittiert werden dürfte, auch weil dieses viel länger in der | |
Atmosphäre bleibt. | |
Die Chance, nach der Covid-Pandemie einen klimafreundlicheren Pfad | |
einzuschlagen, ist nach Ansicht von Unep vertan. Nur ein Fünftel der | |
Wiederaufbauhilfen weltweit fließe in klimafreundliche Investitionen. | |
26 Oct 2021 | |
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[1] /Bericht-der-Weltwetterorganisation-WMO/!5806458 | |
[2] /Entscheidung-zum-Riff-verschoben/!5787133 | |
## AUTOREN | |
Marc Engelhardt | |
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