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# taz.de -- Lobbyismus der Energiekonzerne: Bewusste Verharmlosung
> Ein neues Dossier zeigt, dass die Konzerne Total und Elf seit den 1970er
> Jahren über die Klimafolgen ihres Geschäfts Bescheid wussten.
Bild: Raffinerie von Elf in Leuna in Sachsen-Anhalt 1997
Paris taz | Dass die großen Erdölkonzerne wie ExxonMobil, BP oder Shell bis
vor nicht allzu langer Zeit die Klimafolgen der von [1][fossilen Energien
produzierten Treibhausgase] aus ökonomischen Interessen verharmlost haben,
war bekannt. Doch wie systematisch und strategisch sie dabei vorgingen,
zeigt eine im Wissenschaftsjournal Global Environmental Change publizierte
Studie erst jetzt. Die drei Autoren hatten Zugang zu den Archiven diverser
Ministerien und der beiden im Jahr 1999 vereinten französischen
Erdölunternehmen Total und Elf.
Die Studie zeigt anhand von internen Dokumenten und Aussagen von
Gesprächspartnern, dass die französische Erdölindustrie ab 1971 sehr wohl
wusste, dass es eine Erderwärmung gab und dass diese „katastrophale
Konsequenzen“ haben musste. Danach aber wurden Zweifel an der
Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Warnungen gesät, statt ihnen
Rechnung zu tragen. Die in ihrer Art exemplarische Untersuchung wird so zu
einem Beleg für vorsätzlich unterlassene Hilfeleistung für das gefährdete
Klima des Planeten.
Sie stützt sich unter anderem auf eine Publikation des Geografen François
Durand-Dastès in der betriebsinternen Zeitschrift Total Information vor
fünfzig Jahren. Dieser warnte 1971 sehr explizit davor, dass aufgrund der
„enormen Quantitäten“ von Kohlendioxid in der Atmosphäre eine „Erhöhun…
durchschnittlichen Temperatur“ und „zumindest ein teilweises Schmelzen der
Eiskappen (an den Polen)“ zu befürchten sei, mit „leicht vorzustellenden
katastrophalen Folgen“.
Bei Total zog man es vor, vorerst die Augen vor dieser – damals allenfalls
als sehr langfristig eingestuften – Gefahr zu schließen, um weiter ein
Maximum an Erdöl zu produzieren. Als mildernden Umstand für diese
Passivität erwähnt Mitautor Christophe Bonneuil, dass Elf und Total damals
in den 70ern und 80ern „viel kleinere Unternehmen waren als ExxonMobil, BP
und Shell und möglicherweise über weniger Mittel verfügten, um eigene
Nachforschungen anzustellen“.
## Kampagne der Erdöllobby
Wie die erwähnten drei Großen aber beteiligten sich die französischen
Gesellschaften ab 1988 aktiv an einer Kampagne der Erdöllobby gegen die
Klimawissenschaften. So erklärte Total zum Erdgipfel von Rio 1992 in einem
Dossier, die Frage der Erderwärmung sei „Anlass zu einer apokalyptischen
Beschreibung der Zukunft“, in Wirklichkeit bestehe aber „keine Gewissheit
zu den Konsequenzen der menschlichen Aktivitäten und namentlich der
Verbrennung fossiler Energien“. Das war eine bewusste Vertuschung, die zum
Leitmotiv der Konzernkommunikation wurde: Wegen angeblicher
„wissenschaftlicher Zweifel im Bereich der Treibhausgasemission“ warnten
die Total-Leute eindringlich vor „voreiligen Entscheidungen“ wie
beispielsweise höheren Abgaben auf Erdöl.
Dass die Erdölindustrie auch bei der Regierung in Paris vorstellig wurde,
zeigt ein am Donnerstag veröffentlichtes I[2][nterview der Tageszeitung
Liberation mit Delphine Batho], die von 2012 bis 2013 Umweltministerin war.
Auf die Frage, ob sie jemals dem „Druck“ der Konzerne ausgesetzt gewesen
sei, sagt sie: „Enormem Druck! Total verbrachte viel Zeit damit, die
nationale Debatte über den Energiewandel zu diskreditieren, und agierte
hinter den Kulissen, um in Frankreich eine Zulassung der Förderung von
Schiefergas durchzusetzen.“
## Halbherzige Neuausrichtung
Total versichert in seiner ersten Reaktion auf das Dossier, seit 2015 werde
„eine tiefgreifende Transformation der Aktivitäten eingeleitet, mit dem
Ziel, bis 2030 einer der fünf größten Akteure im Bereich der erneuerbaren
Energien zu werden“.
Das könne die Vergangenheit nicht entschuldigen, [3][zumal Total weiter
„lüge“,] kommentiert Greenpeace Frankreich: „TotalEnergies behauptet, si…
am Kampf gegen den Klimawandel zu beteiligen, aber die Praktiken bleiben
dieselben.“
Der Historiker Benjamin Franta, ebenfalls Mitautor der Studie, sagt: „Wenn
ein Unternehmen weiß, dass seine Produkte schädliche Nebenwirkungen haben,
ist es moralisch verpflichtet – und in gewissen Fällen auch gesetzlich -,
Nachforschungen dazu anzustellen und die Öffentlichkeit zu warnen. Total
hat genau das Gegenteil davon getan.“
21 Oct 2021
## LINKS
[1] /Analyse-zu-CO2-Emissionen-seit-1850/!5807527
[2] https://www.liberation.fr/environnement/delphine-batho-sur-total-et-le-chan…
[3] /Fossile-Rohstoffe-und-Klimawandel/!5711668
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
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