# taz.de -- Szenarien zur Klimakrise: G20-Staaten steuern auf 2,4 Grad zu | |
> 1,5 Grad? Weit daneben: Die derzeitige Klimapolitik der größten | |
> Industrie- und Schwellenländer hätte einen stärkeren Temperaturanstieg | |
> zur Folge. Drei Szenarien. | |
Bild: Erneuerbare boomen in China, aber das Land subventioniert auch die Fossil… | |
BERLIN taz | Wenn sie wollten, könnten die in der G20 organisierten großen | |
Industrie- und Schwellenländer die Klimakrise praktisch allein lösen. | |
Schließlich sind sie für etwa 75 Prozent der globalen CO2-Emissionen | |
verantwortlich. Aber von den 19 Staaten plus EU kommt viel zu wenig, zeigen | |
zwei neue Berichte, die zwei Wochen vor dem G20-Treffen in Rom und der | |
[1][direkt darauf beginnenden UN-Klimakonferenz in Glasgow] erschienen | |
sind: Mit dem, was sie bisher planen, ist die Welt auf dem Weg zu einer | |
Erhitzung von etwa 2,4 Grad. | |
Das befürchten die Autoren des [2][aktuellen Reports der Initiative Climate | |
Transparency], in der weltweit 16 Thinktanks und Umweltgruppen aus 14 | |
G20-Staaten regelmäßig die Politik der führenden Länder beurteilen. | |
[3][Demnach steigen die Treibhausgasemissionen nach der Pandemiepause | |
wieder steil an,] in Indien, China, Argentinien und Indonesien sogar auf | |
höhere Werte als vorher. Außerdem seien nur 300 Milliarden von 1,8 | |
Billionen US-Dollar Coronahilfen in klimagerechtes Wirtschaften investiert | |
worden, hieß es. | |
Wenn die G20-Länder die Emissionen in den nächsten zehn Jahren nicht | |
deutlich senkten, „droht das 1,5-Grad-Limit unerreichbar zu werden“, warnt | |
Jan Burck von der Entwicklungsorganisation Germanwatch, der einer der | |
Autoren ist. Insgesamt hoffen KlimaschützerInnen weltweit darauf, dass der | |
G20-Gipfel einen starken Schub für die Klimakonferenz bringt: Etwa 130 | |
Staats- und Regierungschefs, viele aus den G20-Nationen, sind zur Eröffnung | |
angemeldet. | |
Bisher allerdings haben die „Dreckigen Zwanzig“ dort wenig anzubieten: | |
Anstatt sich von den fossilen Energien zu verabschieden, subventionierten | |
die Regierungen Kohle, Öl und Gas in der letzten Zeit mit insgesamt etwa 50 | |
Milliarden Dollar jährlich direkt. Japan führt dabei mit 10 Milliarden vor | |
China mit 8 Milliarden. In Deutschland gab es 5 Milliarden Staatshilfen, | |
fast die Hälfte für die Kohle. | |
## Deutschland macht es nicht gut | |
Insgesamt sieht der Bericht Deutschland nicht als Vorreiter: Beim | |
[4][Kohleausstieg], beim Ende des Verbrennungsmotors, beim Ausbau der | |
erneuerbaren Energien oder beim CO2-Preis „haben viele andere G20-Staaten | |
in den vergangenen Jahren deutlich größere Schritte gemacht als | |
Deutschland“, sagt Burck. Nur bei den grünen Coronahilfen ist Deutschland | |
spitze: Immerhin rund 50 Prozent der Ausgaben flossen in grüne Bereiche. | |
Dass von Glasgow ein Kurswechsel in der globalen Energiepolitik ausgehen | |
muss, fordert auch die [5][Internationale Energieagentur IEA in ihrem | |
aktuellen Welt-Energiebericht]: Demnach eilten Wind- und Solarstrom zwar | |
von Rekord zu Rekord, aber auch die Verbrennung von Kohle habe neue Höhen | |
erreicht, warnt die OECD-Behörde. „Der immens ermutigende Schwung der | |
Erneuerbaren läuft sich gegen die hartnäckige Widerstandskraft der Fossilen | |
fest“, stellt Exekutivdirektor Fatih Birol fest. Weil nicht genug in den | |
Ausbau der erneuerbaren Energien investiert werde und deshalb die Zukunft | |
der Versorgung unsicher sei, sagt er „Turbulenzen auf den globalen | |
Energiemärkten“ voraus. | |
## 2,6 Grad, 2,1 Grad oder 1,5 Grad | |
Die IEA hat drei Szenarien berechnet: In einem werden die bisherigen | |
Klimaschutzmaßnahmen weitergeführt: Der Zuwachs beim Energieverbrauch kommt | |
aus Erneuerbaren, aber die Emissionen sinken bis 2050 praktisch nicht und | |
bringen 2100 eine Erhitzung von 2,6 Grad. In einem zweiten Szenario setzen | |
die Staaten all das um, was sie bisher angekündigt haben. Hier sinken die | |
Emissionen bis 2050 um 40 Prozent und führen bis 2100 zu 2,1 Grad | |
zusätzlicher Erwärmung. In ihrem dritten Szenario stellt die IEA ihren Weg | |
zu 1,5 Grad vor: Der erfordert ein sofortiges Ende neuer Kohlegruben, Öl- | |
und Gasquellen, ein Aus für Verbrennungsmotoren bis 2035 und einen | |
Stromsektor, der bis 2040 nur noch Ökostrom liefert. „Die Investitionen in | |
Erneuerbare müssten sich im nächsten Jahrzehnt verdreifachen, 70 Prozent | |
davon muss in den Schwellenländern stattfinden“, so Birol. | |
Das könne aber „weniger belastend sein, als es scheint, denn 40 Prozent der | |
nötigen Emissionsreduktionen würden aus Maßnahmen bestehen, die sich | |
rechnen“: bessere Effizienz, Methanlecks schließen und auf Wind und Solar | |
bauen, die billiger als Fossile sind. | |
14 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /UN-Vollversammlung-zum-Klima/!5802954 | |
[2] https://www.climate-transparency.org/ | |
[3] /Hoeherer-C02-Ausstoss-als-vor-2020/!5791432 | |
[4] /Deutscher-Kohleausstieg-als-Vorbild/!5800343 | |
[5] https://www.iea.org/reports/world-energy-outlook-2021 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
G20 | |
UN-Klimakonferenz | |
GNS | |
klimataz | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
G20-Prozesse | |
Argentinien | |
Indien | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
China | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Boom der Erneuerbaren: Rekordzuwachs bei Wind und Solar | |
Die Internationale Energieagentur erwartet ein globales Rekordplus bei den | |
Erneuerbaren im Jahr 2021. Und trotzdem reicht das Wachstum nicht aus. | |
G20-Gipfel in Rom: Eine Bühne für Prince Charles | |
Pandemie, Klima, Entwicklung – die Themen des G20-Gipfels sind diesmal | |
ebenso drängend wie ihre Lösungen unwahrscheinlich. | |
Inflation in Argentinien: Millionen für einen Kleinwagen | |
In Argentinien steigt die Inflationsrate auf mehr als 48 Prozent. Preise | |
für Konsumgüter explodieren, Wohnungen und Häuser werden unbezahlbar. | |
Energiekrise in Indien: Kampf um die Kohle | |
In Indien herrscht Kohlemangel. Regierung, Bundesstaaten und | |
Energiewirtschaft schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. | |
Fridays-for-Future-Aktivistin Reemtsma: „Die Staaten müssen liefern“ | |
Fridays for Future ruft für den 22. Oktober erneut zum globalen Protest | |
auf. Vor der Klimakonferenz in Glasgow soll Druck gemacht werden. | |
Mehr Gesundheit gleich besseres Klima: CO2-Auswurf, bis der Arzt kommt | |
Wird Ihnen auch schon mal schlecht, wenn Sie an die Klimakrise denken? Ob | |
es hilft, wenn Sie dann Dr. Lauterbach hören? | |
Nahrungsmittelversorgung in China: Aufruf zur Mäßigung | |
Wegen der Bedrohung durch Extremwetter hat die Lebensmittelsicherheit für | |
Chinas Regierung höchste Priorität. Sie ruft zur Mäßigung auf. | |
Zerstörung des Amazonas-Regenwalds: Klimaklage gegen Bolsonaro | |
Klimaschützer:innen wollen Brasiliens Präsidenten wegen | |
Umweltzerstörung vor Gericht bringen – und damit einen Präzedenzfall | |
schaffen. | |
Globale Mindeststeuer: 140 Länder für 15 Prozent | |
Auch Irland, Estland und Ungarn machen jetzt beim Megaprojekt mit: Die | |
globale Steuerreform biegt in die Zielkurve, Kritik kommt aus | |
Schwellenländern. |