# taz.de -- Postkoloniale Doku: Ins Gestern verstrickt | |
> Von der Schwierigkeit, als weißer Europäer postkolonial abzubilden: Die | |
> Doku „Stop Filming Us“ ist in Hamburg zu sehen. | |
Bild: Wer ist wie selbstverständlich hinter der Kamera? Und wer davor? | |
HAMBURG taz | Er hat einen Auftritt in diesem Film, wenn auch nur als | |
Erwähnung: [1][Belgiens König Leopold II.], dessen enorm gewalttätige | |
Herr-, ja sogar Eigentümerschaft über den „Freistaat Kongo“ – eine Kolo… | |
die nicht so heißen sollte – bis heute Auswirkungen habe auf die Menschen | |
dort. | |
Dort, das ist die Demokratische Republik Kongo, ein Staat in Zentralafrika | |
mit heute rund 90 Millionen Bewohner_innen. Dorthin also ist Joris Postema | |
gereist, zwar kein Belgier, aber ein Niederländer, also Nachkomme derer, | |
die jenen Kontinent einst unter sich aufgeteilt hatten. | |
## Wessen Bilder – und wovon? | |
[2][Postema ist Dokumentarfilmer], er will dort einen Film drehen und dabei | |
die Fehler vermeiden, die so oft gemacht würden, das hören wir mehrfach in | |
[3][„Stop Filming Us“]: Dass Fremde – Weiße – ins Land kommen mit einer | |
festen Vorstellung davon, was sie zeigen wollen, ja: was es dort überhaupt | |
zu zeigen gebe. Elend nämlich, Krieg, Hunger vielleicht und Korruption, so | |
in etwa. Oder die vermeintlich unabdingbare Arbeit der 250 NGOs, die allein | |
in der Stadt Goma an der Grenze zu Ruanda aktiv seien. | |
Welche Bilder es gibt, in den Köpfen, aber genauso auf Touchscreens und | |
Leinwänden, wer sie macht und für wen: Das ist, was der Film zum Thema hat | |
– und woran sein Macher scheitert, wenn auch auf eine Weise, die sich | |
produktiv nennen lassen könnte. Wir sehen da also einem Weißen zu, der | |
nicht Kolonisator sein will, der näher ran will an die Realität und auch | |
versucht, die Gefilmten zu Filmenden zu machen – natürlich nur im Rahmen, | |
den die Fördermechanismen ihm erlauben. Und der sich doch immer wieder | |
verstrickt zeigt in die Auswirkungen des Kolonialen: „Warum“, fragt | |
irgendwann Petna Ndaliko, selbst Filmemacher und „artistic director“ der | |
[4][Kultureinrichtung „Yole! Africa“]: „Warum filmen wir nicht Joris?“ | |
Denn sogar den ach so anders motivierten Weißen, der nicht sein will wie | |
jene, die vor ihm kamen: Den kennen sie schon in Goma (und vermutlich auch | |
anderswo). „Dekolonisation ist in Mode“, sagt einer seiner kongolesischen | |
Gesprächspartner einmal. Umso wichtiger sei zu fragen: „Von wessen | |
Kolonisierung ist die Rede?“ | |
Immerhin: Postema spielt mit vergleichsweise offenen Karten, lässt immer | |
wieder Einwände gegen das eigene Projekt zu und Eingang finden in den Film. | |
So kommt es zu einer Abstimmung darüber, ob die beiden Weißen – neben dem | |
Regisseur noch Kameramann Wiro Felix – ihren Film drehen dürfen sollen oder | |
doch lieber einheimische Kreative das machen. Und die letzten Minuten | |
widmen sich den lebhaften Diskussionen nach einer Aufführung in Goma – der | |
Aufführung einer Fassung des Films, die genau diese Sequenz natürlich noch | |
nicht enthalten kann. | |
18 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Kongo-Kunst-im-Bruesseler-Afrikamuseum/!5563620 | |
[2] https://www.doxy.nl/en/maker/joris-postema/ | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=KGBKXsDcAkc | |
[4] http://yoleafrica.org/about-us/ | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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