# taz.de -- Black-Lives-Matter-Protest in Belgien: Den König stürzen | |
> Belgiens einstiger König Leopold II. gründete die Kongo-Kolonie als sein | |
> Privateigentum. Aktivisten wollen seine Denkmäler im ganzen Land | |
> entfernen. | |
Bild: Diese Leopold-II.-Statue in Belgien braucht dringend eine Dusche | |
BRÜSSEL taz | Leopold II., König von Belgien zwischen 1865 und 1909, prägte | |
das Gesicht Afrikas. Er errichtete die belgische Kongo-Kolonie, Vorläufer | |
[1][der heutigen Demokratischen Republik Kongo], als sein Privateigentum, | |
und zu ihrer Gründung wurde 1884/85 die Berliner Afrika-Konferenz | |
einberufen, aus der die bis heute gültigen kolonialen Grenzziehungen in | |
Afrika hervorgingen. | |
10 Millionen der damals geschätzt 20 Millionen Einwohner des Kongo starben | |
kritischen Historikern zufolge bei der kolonialen Eroberung, in der die | |
einheimische Bevölkerung zur Zwangsarbeit in Plantagen requiriert wurde und | |
Schwarzen, die nicht genug Kautschuk aus den Gummibäumen holten, die Hände | |
abgeschlagen wurden. Belgien wurde reich, während der Kongo im kolonialen | |
Terror versank. | |
Die globale Schockwelle „Black Lives Matter“ seit der [2][Ermordung von | |
George Floyd] in den USA führt nun in Belgien zu einer beispiellosen | |
Kampagne zum Schleifen der Leopold-II.-Denkmäler im Land. In Ekeren nahe | |
Antwerpen musste ein Königsdenkmal zur Restaurierung abgebaut werden, | |
nachdem Aktivisten es mit roter Farbe übergossen hatten, als Symbol für das | |
vergossene Blut im Kongo, und dann anzündeten. | |
Vor dem berühmten prachtvollen Afrikamuseum in Tervuren außerhalb von | |
Brüssel, wo seit der Kolonialzeit Reichtümer des Kongo ausgestellt sind, | |
wurde eine Büste des kontroversen Monarchen rot eingefärbt und mit den | |
Buchstaben FDP („Fils de pute“ – Hurensohn) versehen. In Gand schrieb | |
jemand auf eine Leopold-II.-Büste „I Can't Breathe“, die [3][berühmten | |
letzten Worte von George Floyd]. Weitere Denkmäler in Ostende, Halle und | |
Antwerpen wurden Opfer von „Vandalismus“. | |
## Kampf gegen falsche Ehrungen | |
Die Kampagne „Réparons l'Histoire“ (Reparieren wir die Geschichte) | |
verlangt, sämtliche Leopold-II.-Denkmäler in Belgien zu entfernen. An der | |
Universität Mons hat die kongolesischstämmige Studentin Marie-Fidèle | |
Dusingize als Sprecherin der Studierenden afrikanischer Herkunft 2.500 | |
Unterschriften dafür gesammelt, dass die Leopold-II.-Büste der Universität | |
in einem Schrank verschwindet – mit Erfolg. | |
In kürzester Zeit unterschrieben auch in Brüssel 50.000 Menschen eine | |
Petition an den Bürgermeister für eine Entfernung der Königsdenkmäler der | |
belgischen Hauptstadt. Man wolle nicht die Vergangenheit, sondern „die | |
Ehrung dieses Mannes“ ausradieren, stellen die Initiatoren in Reaktion auf | |
Kritik an ihrer Aktion klar. | |
Es ist nicht die erste derartige Kampagne in Belgien, aber nie war sie so | |
breit und sichtbar. Die Renovierung des [4][Afrikamuseums von Tervuren] | |
2018 hatte bereits heftigen Streit zwischen der afrikanischen Diaspora und | |
belgischen Nachkommen kolonialer Siedler hervorgerufen. Letztere reagieren | |
nun auch auf die Angriffe gegen die Leopold-II.-Denkmäler, die sie als | |
Angriffe auf die Symbole ihrer eigenen Geschichte werten. | |
Die Verbände „Union royale belgo-africaine“ und „Mémoires du Congo“ h… | |
eine Gegenpetition organisiert und behaupten in einem Meinungsbeitrag, den | |
die Tageszeitung La Libre Belgique veröffentlichte, die Vorwürfe gegen | |
Leopold II. „beruhen im Wesentlichen auf Einbildung und nicht auf der | |
Geschichte“. Die Zahl von 10 Millionen Toten sei „Fake News“, von | |
englischsprachigen Historikern in die Welt gesetzt. | |
## Kolonialzeit bald im Unterricht | |
Leopold II. habe in Wahrheit aus Belgien die „zweite Industriemacht | |
Europas“ gemacht, die „weit über den Kongo hinaus gestrahlt“ habe; und s… | |
gegen ein staatliches Symbol „ohne demokratische und akademische Debatte | |
über die historische Realität“ zu wenden, sei ein Werk der „Zerstörung d… | |
Nation“. | |
Stattdessen schlagen die Kolonialnostalgiker eine Untersuchungskommission | |
über rassistische Diskriminierung in Brüssel vor. Der Stadtrat der | |
Hauptstadt ist gespalten und hat erst mal eine Arbeitsgruppe eingesetzt. | |
Aber eine konkrete Auswirkung gibt es bereits: Sowohl die flämischen als | |
auch die wallonischen Bildungsverantwortlichen im sprachlich geteilten | |
Belgien haben am Mittwoch verkündet, dass die Kolonialzeit zukünftig Teil | |
des Geschichtsunterrichts sein soll. | |
12 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
François Misser | |
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