| # taz.de -- Debatte um Denkmalstürze: Wenn Steine beleidigen | |
| > Allein die Tatsache, dass Denkmäler ein gestriges Geschichtsbild | |
| > vermitteln, kann kein Grund für ihre Zerstörung sein. Manchmal ist es | |
| > aber richtig. | |
| Bild: Manches gehört auf den Müll der Geschichte, anderes muss bleiben, um an… | |
| Jefferson Davis ist der Name des einzigen Präsidenten der abtrünnigen | |
| amerikanischen Südstaaten. Der Mann bezeichnete Menschen mit schwarzer | |
| Hautfarbe „als Geschöpfe einer minderwertigen Rasse“ und verteidigte ihre | |
| Entrechtung als „die mildeste und humanste aller Einrichtungen der | |
| Sklaverei“. Bis heute steht eine Statue Davis’ in den Hallen des | |
| US-Kongresses. | |
| Manche [1][Denkmäler haben das Zeug dazu, auch die heute Lebenden zu | |
| beleidigen] und [2][zutiefst zu verletzten]. Das Abbild Davis’ ist dafür | |
| ein Beispiel. Ein Staat, der auf die Gemeinsamkeit seiner Bürger setzt, tut | |
| gut daran, solche Statuen zu beseitigen. Denn das Abbild Davis’ und zehn | |
| weitere Statuen im Kongress verherrlichen die blutige Unterdrückung eines | |
| Teils der Bevölkerung durch einen anderen Teil. Es ist kein Zufall, wenn | |
| die Demokraten nun die Beseitigung dieser elf Denkmäler und die Umbenennung | |
| von US-Militärbasen verlangen, während US-Präsident Donald Trump genau das | |
| verweigert. Es ist ein Akt der Befreiung, wenn solche Denkmäler auf den | |
| Müllhaufen der Geschichte landen, statt in einem demokratisch gewählten | |
| Parlament zu glänzen. | |
| Denkmäler vermitteln die Geschichte so, wie sie die Herrschenden zu ihrer | |
| Zeit interpretiert haben. Sie können selbst zum Teil der Historie werden | |
| wie die ägyptischen Pyramiden, sie können, umgestaltet, ein Stein des | |
| Anstoßes sein wie das Reichssportfeld in Nürnberg, und manchmal bilden sie | |
| eine merkwürdige Heldenverehrung für höchst umstrittene, aber nicht | |
| verbrecherische Figuren ab, etwa die Bismarck-Türme. Diese sind aber | |
| deshalb nicht antidemokratisch, sondern ermöglichen erst einmal eine schöne | |
| Aussicht. Aber schließlich gibt es auch hier Denkmäler, die beleidigen, | |
| [3][etwa die steinernen „Judensauen“ an manchen Kirchen]. Immer dann ist es | |
| angemessen, über ihre Beseitigung nachzudenken. | |
| Aber allein die Tatsache, dass Denkmäler [4][ein gestriges Geschichtsbild] | |
| vermitteln, kann kein Grund für ihre Zerstörung sein. Alle diese Monumente | |
| zu schleifen würde bedeuten, Geschichte zu entsorgen, sobald diese uns | |
| nicht mehr passt. Es wäre der unsinnige Versuch, die Welt widerspruchslos | |
| entsorgen zu wollen und heutige Maßstäbe an die Vergangenheit anzulegen. | |
| Aber manche Statuen sollten fallen – in Auftrag gegeben nicht von einer | |
| Obrigkeit, sondern im Rahmen eines demokratischen Verfahrens. | |
| „Unseren Helden“, diese oder ähnliche Aufschriften sind auf | |
| Kriegerdenkmälern überall in Deutschland zu finden, darunter die Namen der | |
| Gefallenen des Ersten und, nach 1945 hinzugefügt, des Zweiten Weltkriegs. | |
| Kaum jemand stößt sich an dieser Sinngebung für sinnlos im Auftrag eines | |
| Verbrechers gestorbene Menschen. Ihre flächendeckende Verbreitung ist | |
| akzeptiert. Dabei verbreiten sie Lügen bis ins kleinste Dorf. | |
| 12 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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