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# taz.de -- Hausdurchsuchung Rigaer Straße 94: Polizei besorgt Personalien
> Auf Antrag des Eigentümers hat die Polizei die Rigaer94 durchsucht. Die
> Daten von 26 Personen wurden aufgenommen, als Vorbereitung für
> Räumungsklagen.
Bild: Hallo, wer ist da?
Berlin taz | Auf dem Dach des Nachbarhauses der [1][Rigaer Straße 94]
lümmeln zwei Vollvermummte mit Kletterausrüstung, noch ein Haus weiter
drücken sich schon seit den Morgenstunden drei dunkle Gestalten in den
Häusereingang. Und auf der Straße röhren die Dieselmotoren der Wannen vor
den Absperrungen. Am Mittwochmorgen ist die Polizei mal wieder in das
autonome Hausprojekt im Friedrichshainer Nordkiez eingerückt und blockiert
von allen Seiten mögliche Fluchtwege der Bewohner:innen.
320 Beamte sind an dem Einsatz beteiligt, der dazu dient, die Personalien
aller sich im Haus befindenden Menschen aufzunehmen. Die Anwälte der
Eigentümerin des Hauses, der britischen Briefkastenfirma Lafone Investments
Limited, hatten dies bei der Polizei zum Schutz der Eigentümerrechte
beantragt. Lafones Argumentation: Weil ihnen die Tür versperrt ist und
Eigentümervertreter auch schon vor dem Haus attackiert wurden, können sie
nicht selbst herausfinden, wer in ihrem Haus wohnt.
Nach ihrem Antrag Ende Juni, der sich auf das Allgemeine Sicherheits- und
Ordnungsgesetz (Asog) beruft, wonach der Schutz privater Rechte dann der
Polizei obliegt, „wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des
Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde“, wendete sich die Polizei
ans Amtsgericht und beantragte einen Durchsuchungsbeschluss. Ohne Anhörung
der Gegenseite gab das Gericht dem Antrag Mitte September statt, zumindest
teilweise.
Die Polizei war demnach dazu befugt, die Identitäten aller Personen im Haus
festzustellen. Nicht erlaubt wurde ihr die Durchsuchung von vier Wohnungen,
deren Mieter:innen der Lafone bekannt sind, von Gemeinschaftsflächen wie
dem Dachgeschoss oder den Kellerräumen und die Suche nach Gegenständen.
Laut Rigaer 94-Anwalt Lukas Theune hielten sich die Polizist*innen aber
nicht daran. So sei in WG-Ordnern gewühlt worden. Auch zeigen Bilder, dass
die Polizei ein – wohl frei verkäufliches – Luftgewehr beschlagnahmte.
## Geheime Einsatzplanung
Der Einsatz wurde anscheinend unter höchster Geheimhaltung geplant. Anders
als bei bisherigen Großeinsätzen war wohl auch die Eigentümerseite nicht
informiert worden – vor Ort war sie jedenfalls nicht. Via Twitter forderte
die Polizei die Bewohner:innen am Morgen auf, in ihren Wohnungen zu
bleiben und sich ruhig zu verhalten.
Bis zum Ende des Einsatzes gegen 12 Uhr wurden 25 Wohnungen durchsucht,
eine mehr, als der Durchsuchungsbeschluss zunächst genannt hatte. Wie die
Polizei auf Nachfrage mitteilte, habe sie sich für eine Dachgeschosswohnung
im Hinterhaus noch eine Beschlusserweiterung vom Gericht besorgt. Insgesamt
wurden 26 Personen angetroffen, viele Wohnungen seien leer gewesen. Sowohl
das Eingangstor als auch zwei Wohnungstüren haben Polizist:innen
gewaltsam geöffnet, ein Fenster im ersten Stock des Seitenflügels
eingeschlagen. Widerstandshandlungen oder Verletzte habe es nicht gegeben.
Die ganze Aktion dient dem anonymen Eigentümer, der sich hinter der
Briefkastenfirma versteckt, dazu, das Haus zumindest langfristig zu räumen.
Einige Räumungsklagen wegen Mietrückständen oder nicht gestatteter
Untervermietung sind bereits bei den Gerichten anhängig. Mithilfe der nun
festgestellten Identitäten sollen weitere zivilrechtliche Räumungsklagen
gegen Einzelpersonen angestrengt werden. Anwalt Lukas Theune spricht jedoch
von einem „relativ hilflosen Versuch“. Unklar sei etwa, ob die
festgestellten Personen in dem Haus wohnen oder nur zu Gast sind.
Theune verweist zudem auf eine Räumungsklage gegen einen vermeintlichen
Bewohner, die zurzeit vor dem Amtsgericht Kreuzberg verhandelt wird. In dem
Verfahren hatte Theune wie bereits in vielen Verfahren zuvor die
Prozessvollmacht des Eigentümeranwalts Markus Bernau gerügt – und damit
bezweifelt, dass ein ordnungsgemäß berufener Geschäftsführer der Firma den
Anwalt ordentlich beauftragt habe tätig zu werden.
Das Gericht teilte daraufhin in einem Schriftsatz mit, dass eine „reine
Glaubhaftmachung“ in einem Hauptsacheverfahren nicht ausreiche, und
forderte einen „vollen Nachweis“ über die ordnungsgemäße Bevollmächtigu…
des Klägervertreters. Es setzte damit höhere Anforderungen als das
[2][Kammergericht, das im Februar nach einem eingereichten Gutachten der
Eigentümerseite erstmals die Prozesstauglichkeit der Briefkastenfirma und
ordnungsgemäße Bestellung ihres Rechtsbeistandes bestätigte].
## Von der Rigaer zur Köpi
Die Rigaer 94 äußerte sich am Mittwochmittag auf ihrem Blog. Ziel der
Durchsuchung sei „die Vorbereitung von Räumungsklagen gegen alle besetzten
Räume oder im Hinterhaus gemietete Wohnungen“. Weiterhin schrieb das
Projekt, es gebe „keinen Zweifel, dass die Durchsuchung angesetzt ist, um
die rebellischen Strukturen eine Woche vor der [3][Räumung des Köpi
Wagenplatz] zu schwächen“. Der Wagenplatz soll am 15. Oktober geräumt
werden. Aus Protest dagegen will das Interkiezionale-Bündnis am
Samstagabend von der Rigaer zur Köpenicker Straße ziehen.
Der bislang letzte [4][Großeinsatz der Polizei im Haus fand Mitte Juni
statt]. Anlass war eine Brandschutzbegehung, um die es zuvor eine lange
rechtliche Auseinandersetzung gegeben hatte. Ein weiteres Verfahren hat der
Eigentümer gegen die Autonomenkneipe Kadterschmiede im Seitenflügel
angestrengt. Einen von der Verteidigung gestellten Befangenheitsantrag
gegen die Richter am Landgericht hatte das Kammergericht in einem
Beschwerdeverfahren vergangene Woche endgültig zurückgewiesen. Demnach
steht dem Verfahren nichts mehr im Wege. Sollte es zu einem
Räumungsbescheid kommen, kann die Verteidigung noch in die nächste Instanz
ziehen.
6 Oct 2021
## LINKS
[1] /Rigaer94/!t5320642
[2] /Gerichtsentscheidungen-zur-Rigaer-94/!5751766
[3] /Verdraengung-von-Wagenplaetzen-in-Berlin/!5801355
[4] /Grosseinsatz-in-der-Rigaer-Strasse-94/!5779630
## AUTOREN
Erik Peter
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