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# taz.de -- Grünen-Politikerin über ihr Mandat: „Olaf Scholz gut im Auge be…
> Emilia Fester ist die jüngste Abgeordnete im neu gewählten Bundestag. Ein
> Gespräch über ihre neue Rolle, Klimaschutz und mögliche Koalitionen.
Bild: Auf dem Weg in den Bundestag: Emilia Fester
Frau Fester, Sie sind die jüngste Abgeordnete des neuen Bundestags. Wie
sehen Sie Ihre Rolle?
Ich bin angetreten für Jugendpolitik und Generationengerechtigkeit. Bei
dieser Wahl ging es für uns als junge Generation um unfassbar viel: bei der
Klimakrise, in Fragen der sozialen Spaltung und Perspektiven mit Blick auf
den Arbeitsmarkt oder auch die Rente. Deswegen freue ich mich, dass ich als
jüngste Abgeordnete den Auftrag habe, die jungen Leute in diesem Land zu
vertreten, die jugendlichen Bewegungen von der Straße ins Parlament zu
tragen und die Forderungen der jungen Generation nach vorne zu stellen.
Trotzdem sind Sie jetzt nicht auf der Straße, sondern im Parlament. Wo ist
der Unterschied?
Die Bewegungen sind dafür da, die wichtigen und durchaus auch radikalen
Schritte, die wir zur Bewältigung der Klimakrise brauchen,
gesellschaftsfähig zu machen. Sie sind anschlussfähig und haben dafür
gesorgt, dass Klimaschutz eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf war.
Sie sorgen aber noch nicht dafür, dass das auch wirklich umgesetzt wird –
mit Anträgen, die wir im Bundestag beschließen können. Da braucht es die
Übersetzung von den lauten Stimmen auf der Straße in das Parlament hinein.
Wie wollen Sie das übersetzen?
Als grüne Fraktion wollen wir zuallererst das Klimaschutz-Sofortprogramm
auf den Weg bringen. Dafür brauchen wir zeitnah ein abgestecktes
CO2-Budget. Wir dürfen maximal noch 6,6 Gigatonnen CO2 ausstoßen und müssen
das bei allen Gesetzesvorhaben berücksichtigen, sonst haben wir uns
schlicht und ergreifend nicht an das Pariser Klimaabkommen gehalten.
Außerdem ist mir die Teilhabe von jungen Menschen wichtig. Wir müssen über
Zukunftsthemen wie die Klimakrise, Fluchtbewegungen oder
Ressourcenknappheiten diskutieren. Daran hat die Jugend ein Interesse und
das erklärt auch, warum die Wahlergebnisse zwischen den U18-Wahlen und den
jungen Wähler:innen zwischen 18 und 24 auf der einen Seite und dem
Gesamtergebnis auf der anderen Seite so unterschiedlich sind.
Sie wollen die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen. Die [1][Maßnahmen
im Wahlprogramm der Grünen] reichen dafür aber nicht aus.
Für diese Legislatur ist das Grünen-Wahlprogramm das mit Abstand
progressivste und radikalste, weil wir jetzt eine Wende einleiten müssen
und noch nicht wissen, welchen Einfluss neue Technologien dabei haben
können. Natürlich hoffen wir auch auf die Technologie, aber anders als bei
FDP und CDU ist das nicht unsere einzige Hoffnung. Wir müssen in den
nächsten zwei Jahren, am liebsten schon in den ersten hundert Tagen der
Legislaturperiode, unseren derzeitigen CO2-Ausstoß reduzieren.
Trotzdem reicht das Wahlprogramm der Grünen nicht aus. Müssten Sie jetzt
nicht mit stärkeren Forderungen in die Koalitionsverhandlungen gehen?
Wenn wir in den Koalitionsverhandlungen alle unsere vorgeschlagenen
Maßnahmen erreichen können, haben wir für die nächsten vier Jahre unfassbar
viel vor und können das 1,5-Grad Ziel noch erreichen, wenn wir in den
kommenden Legislaturperioden weitermachen. Klimaschutz ist ein
Langzeitprojekt. Ich würde gerne sagen: Lasst uns so radikal sein wie
möglich. Ich habe gerade aber eher die Angst, dass wir das mit der FDP
nicht verhandelt bekommen. Was wir vorschlagen, ist das Minimum von dem,
was passieren muss.
Was kommt in den [2][Verhandlungen mit der FDP auf die Grünen] zu?
In vielen Fragen stehen wir konträr zueinander. Das heißt aber nicht, dass
wir uns nicht einigen können. Beides sind demokratische Parteien und ich
erwarte von der kleineren FDP, dass sie Zugeständnisse machen kann. Klar
ist: Wir können Klimaschutz nicht komplett dem Markt überlassen. Das wäre
keine Lösung, sondern eine Verschiebung des Problems. Gerade in Klima- und
Gerechtigkeitsfragen sind sich die Grünen mit der SPD einig und deswegen
hoffe ich, dass wir in der SPD eine starke Koalitionspartnerin finden.
Ein [3][Bündnis mit FDP und CDU] wäre rechnerisch auch möglich.
Ich halte nichts davon, den abgewählten Armin Laschet zum Kanzler zu
machen. Die CDU gehört in die Opposition.
In einem Ampel-Bündnis würde wohl Olaf Scholz Kanzler. Wie beurteilen Sie
das als Hamburger Politikerin?
Wir müssten ihn gut im Auge behalten. Ich begrüße sehr, dass sich die SPD
in den letzten Jahren sukzessive auch wieder linker und progressiver
aufgestellt hat. Im Gegensatz dazu hat sich die Partei einen sehr
konservativen Kanzlerkandidaten gesucht. Aber er hat einen großen Rückhalt
in der Gesellschaft dafür, jetzt Kanzler zu werden.
Befürchten Sie, dass Sie aufgrund Ihres Alters im Bundestag nicht ernst
genommen werden könnten?
Ich habe das auch schon im Wahlkampf erlebt. Einige Menschen fühlen sich
dazu berufen, mich als junge Frau zu diskreditieren. Da gibt es einige
Kommentare im Internet. Zum Beispiel, dass ich noch nie gearbeitet hätte,
was im Übrigen falsch ist. Oder Forderungen, dass ich bestimmte Sachen
gemacht haben sollte, bevor ich mich anbiedere, überhaupt in den Bundestag
reinschauen zu wollen. Natürlich gibt es auch sehr viel Sexismus. Ich
glaube, zum einen haben diese Menschen nicht verstanden, was eine
repräsentative Demokratie ist. Ich habe jedes Recht, im Bundestag zu
sitzen. Als junge Frau vertrete ich eine große Masse von Menschen, die in
der Bundesrepublik leben und bestimmte politische Anliegen haben. Solche
Kommentare zeigen mir erst recht, dass es etwas gibt, wogegen man kämpfen
muss: das Patriarchat. Jede Stimme im Parlament, die der Vorherrschaft von
weißen, älteren Männern etwas entgegensetzt und sie provoziert, ist eine
Stimme in die richtige Richtung.
Seit einigen Tagen gibt es Gerüchte, dass nicht Annalena Baerbock sondern
[4][Robert Habeck Vizekanzler] werden soll. Sehen Sie da einen Widerspruch?
Ich glaube, als grüne Partei ist es grundsätzlich nicht unsere Vorstellung,
dass wir am Ende eine Regierung haben, in der drei Männer vorn stehen. Als
feministisches Parteimitglied gehe ich sehr stark davon aus, dass wir
unsere feministischen Werte nicht verraten werden.
Gerade SPD und Grüne haben viele junge Politiker:innen ins Rennen zur
Bundestagswahl geschickt, das Durchschnittsalter ist so niedrig wie seit
Jahrzehnten nicht mehr. Stimmt Sie das hoffnungsvoll?
Es ist auf jeden Fall ein Zeichen von Aufbruch. Ein Zeichen, dass die
jungen Bewegungen der letzten Jahre Früchte tragen und wir als Generation
endlich politisches Gehör bekommen. Ich freue mich auch auf eine Ria
Schröder von der FDP. Sie kommt aus dem gleichen Stadtteil wie ich und ist
dort als eine der jüngsten FDPlerinnen angetreten. Sie bringt einen
ähnlichen Druck mit und sucht nach ähnlichen Lösungen für die Probleme
unserer Zeit. Mit ihr kann ich mich eher einigen als mit der Gesamtfraktion
der FDP. Insgesamt sehe ich eine hohe Solidarität unter den jungen
Menschen, weil wir für ähnliche Ziele sprechen. Da klammere ich einen
Philipp Amthor und etwaige junge Abgeordnete der AfD natürlich aus.
29 Sep 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Tjade Brinkmann
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