# taz.de -- China zur Bundestagswahl: Hoffen auf den Status quo | |
> Peking erwartet von der neuen Bundesregierung eine Fortführung der | |
> freundlichen Chinapolitik. Also: Wirtschaft vor Menschenrechte. | |
Bild: Bald muss er ohne sie auskommen: Xi Jinping und Merkel bei einem Fußball… | |
PEKING taz | Das Propagandaorgan Global Times ist üblicherweise für seine | |
reißerischen, nationalistischen Töne bekannt. Doch dieses Wochenende | |
schwelgt die chinesische Staatszeitung auf geradezu herzerwärmende Weise in | |
den [1][Erinnerungen der letzten 16 Jahre Angela Merkel]: In einer riesigen | |
Grafik lässt sie die Chinabesuche der scheidenden Kanzlerin Revue passieren | |
– von einer gemeinsamen Bierverkostung mit Premier Li Keqiang bis hin zum | |
letzten Fototermin am Jangtse-Fluss in Wuhan im September 2019. | |
Es ist kein Zufall, dass die scheidende Kanzlerin von Peking nun mit einer | |
solch gehörigen Portion Nostalgie zelebriert wird. „Kein anderer westlicher | |
Staatschef hat China so oft besucht wie Merkel, sie hat fast im ganzen Land | |
ihre Spuren hinterlassen“, twittert Rita Bai, Reporterin der Global Times. | |
„Nach ihrem Rücktritt dürften die chinesisch-deutschen Beziehungen | |
höchstwahrscheinlich unter großen Unvorhersehbarkeiten leiden.“ | |
Merkel stand in den Augen Pekings stets für einen konstruktiven Kurs: | |
Kritik an Menschenrechtsvergehen wurde zwar geäußert, doch im Fokus standen | |
die gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen. | |
Zu ihrem Amtsantritt war Merkels Chinapolitik noch wenig kontrovers, doch | |
spätestens mit Staatschef Xi Jinping, der seine Machtpolitik auch auf dem | |
internationalen Parkett immer aggressiver verfolgt und im Inland Dissens | |
mit eiserner Hand unterdrückt, ist sie geradezu anachronistisch geworden. | |
Fast sämtliche westliche Staaten haben in den letzten Jahren kritischere | |
Töne gegen Peking eingeschlagen. | |
## Rote Linie | |
„Wir hoffen und erwarten von der neuen deutschen Regierung, dass sie ihre | |
pragmatische und balancierte Politik gegenüber China fortsetzt“, heißt es | |
in einer ersten Reaktion von Außenministeriumssprecherin Hua Chunying am | |
Montag. | |
Peking geht es vor allem darum, dass sich andere Staaten nicht in „innere | |
Angelegenheiten“ einmischen: Kritik an Hongkong, den | |
Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder der intransparenten Aufklärung | |
des Covid-Ursprungs sind für Xi Jinping rote Linien, die nicht übertreten | |
werden dürfen. Andernfalls reagiert die Staatsführung mit ökonomischen | |
Vergeltungsmaßnahmen. | |
Doch die Kritik an Deutschlands weichem Chinakurs wächst. „Deutschland muss | |
seine Beziehungen zu China im breiteren europäischen Interesse neu | |
ausrichten“, heißt es von der Londoner Denkfabrik European Council on | |
Foreign Relations: „Merkels Fokus auf einen bilateralen Ansatz mit Peking | |
hat zu einer stärkeren Fragmentierung der europäischen Chinapolitik | |
beigetragen.“ | |
Auf Weibo, Chinas führender Onlineplattform, betrauern die meisten User die | |
Stimmenverluste der CDU. Viele erklären sich die Niederlage der | |
Regierungspartei mit Merkels Flüchtlingspolitik von 2015, die von den | |
meisten Chinesen als naiv kritisiert wird. Doch abseits davon ist ihr | |
Ansehen in der Volksrepublik nach wie vor tadellos: „Bundeskanzlerin Merkel | |
ist ein Vorbild für die Beziehungen zu China“, meint ein Weibo-Nutzer. Ein | |
anderer kommentiert: „Ich hoffe, Deutschland bleibt nüchtern – und wird | |
nicht von Amerika auf einen falschen Weg gebracht.“ | |
Die bisherigen Aussagen von Armin Laschet und Olaf Scholz lassen | |
tatsächlich auf eine Fortführung des Status quo gegenüber der Volksrepublik | |
schließen. Die härteste Kritik an Peking stammt hingegen von den Grünen. | |
Diese suchen auch am engsten die transatlantische Kooperation – für Xi | |
Jinping wäre es die Urangst, wenn nun auch Berlin sich dem | |
Konfrontationskurs Washingtons anschlösse. | |
27 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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