| # taz.de -- CSU-Parteitag mit Söder und Laschet: Verordnete Geschlossenheit | |
| > Scheinbar begeistert beklatschen die CSU-Delegierten | |
| > Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Ob das die beschworene Trendwende | |
| > bringt? | |
| Bild: Fragt sich nur, wer hier wen beklatscht: Unionskandidat Laschet (2. von l… | |
| Nürnberg taz | Die Delegierten erfüllen die Bitte ihres Parteichefs nicht | |
| nur, sie geben alles. Als Armin Laschet gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder | |
| am Samstagvormittag in Halle 7 der Nürnberger Messe einzieht, stehen sie | |
| auf, klatschen minutenlang, dann pfeifen und johlen sie zustimmend. Die | |
| beiden Parteichefs gehen durch ein Spalier von scheinbar begeisterten | |
| Christsozialen. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl wollen sie all die | |
| Sticheleien und Angriffe aus Bayern vergessen machen, jetzt ist | |
| Geschlossenheit gefragt. Manch einer mag dabei eine Faust in der Tasche | |
| haben, aber offen gezeigt wird das nicht. | |
| Parteichef Markus Söder hatte am Vortag einen warmen und freundlichen | |
| Empfang für den Kanzlerkandidat der Union angekündigt und die Delegierten | |
| zur Geschlossenheit aufgerufen, nicht nur in der CSU, sondern auch in der | |
| Union. „Wir wollen Armin Laschet als Kanzler“, hatte er „für die | |
| Journalisten zum Mitschreiben“ in seiner Rede betont – und es dabei sogar | |
| geschafft, eine gute Stunde lang auf Seitenhiebe auf Laschet zu verzichten. | |
| Dafür hatte sein Generalsekretär kurz zuvor hart zugelangt: „Natürlich | |
| stünden wir mit Markus Söder besser da“, sagte Markus Blume dem Spiegel in | |
| einem Interview. Zwar rudert er auf dem Parteitag halbherzig zurück. Doch | |
| seine Einschätzung dürften viele Delegierte im Kopf haben – und teilen. | |
| Schließlich ist nicht nur die CDU in den Umfragen dramatisch abgestürzt, | |
| auch die CSU trudelt und ist unter die in Bayern magische 30-Prozent-Marke | |
| gerutscht. Das ist die Ausgangslage, als der Kanzlerkandidat mit seiner | |
| Rede beginnt. | |
| Laschet greift zunächst tief in die Geschichte. Er verweist auf Josef | |
| Müller, den einst die Nazis ins KZ steckten und der später die CSU | |
| gründete. „Das sind unsere Wurzeln: Männer, die der Diktatur widerstanden | |
| haben“, sagt Laschet und verweist auf den inneren Kompass, den diese gehabt | |
| hätten. Auch später seien CSU und CDU in den entscheidenden Momenten – | |
| soziale Marktwirtschaft, Westbindung, Mauerfall – einem politischen Kompass | |
| gefolgt. | |
| ## Laschet ist weniger fahrig als zuletzt | |
| „Heute stehen wir wieder an einem solchen Wendepunkt“, sagt Laschet dann | |
| und geht zum Angriff auf SPD, Grüne und eine mögliche Koalition mit der | |
| Linkspartei über. Schließlich gehe es in zwei Wochen um eine | |
| Richtungsentscheidung. „Es ist eben nicht egal, wer im Kanzleramt sitzt.“ | |
| Außenpolitik, Innere Sicherheit, Wirtschaft – laut Laschet fehle seinen | |
| Kontrahenten der Kompass. Das, [1][was SPD, Grüne und Linke planten], sei | |
| gefährlich für die Republik. „Steuererhöhungen und mehr Bürokratie werden | |
| unseren Wohlstand gefährden.“ Laschet spricht manchmal ruhig, manchmal | |
| kämpferisch, aber er ist nicht fahrig, so wie er es zuletzt manchmal bei | |
| wichtigen Reden war. Immer wieder wird er von Applaus unterbrochen. | |
| Am schärfsten greift Laschet den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz an. | |
| Dieser habe als Finanzminister nur deswegen so gut gewirtschaftet, weil die | |
| Bundeskanzlerin auf ihn aufgepasst habe. Und dass er sich eine Hintertür | |
| für eine rot-rot-grüne Koalition auflasse. Schon Franz Josef Strauß habe | |
| gesagt: „Irren ist menschlich, immer irren ist sozialdemokratisch.“ Damit | |
| habe Strauß die Dinge auf dem Punkt gebracht. Das gefällt den Delegierten | |
| der CSU. | |
| Laschet lobt auch immer wieder die Politik der CSU in Bayern und im Bund. | |
| Und sucht den Schulterschluss mit Söder, der es ihm in den vergangenen | |
| Monaten so schwer gemacht hat. „Ich bin sicher, wenn wir die Wahl gewinnen, | |
| werden wir beide im Koalitionsausschuss die nächsten Jahre in Deutschland | |
| prägen“, sagt Laschet. Darauf freue er sich. | |
| Er räumt aber auch eigene Fehler ein. „Es ist natürlich nicht alles optimal | |
| gelaufen.“ Aber man wisse eben auch, dass es jetzt Spitz auf Knopf stehe. | |
| Am Ende sagt er: „In entscheidenden Momenten muss man Kurs halten und für | |
| diesen Kurs stehen CDU und CSU. Aus dieser Absicht heraus will ich | |
| Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.“ Da brandet | |
| minutenlanger Applaus in der Halle auf. | |
| Zuvor hatten am Vormittag die beiden CSU-Spitzenkandidat:innen für die | |
| Bundestagswahl, Alexander Dobrindt und Dorothee Bär, die Stimmung im Saal | |
| angeheizt. Egal, wer auf dem CSU-Parteitag spricht: Alle zielen darauf ab, | |
| dass die Wahl in zwei Wochen eine Richtungsentscheidung sei – Freiheit oder | |
| Sozialismus sozusagen. Dazu werden sogar per Video die Ehrenvorsitzenden | |
| Edmund Stoiber und Theo Waigel bemüht. „Stabilität statt Linksruck“ heißt | |
| zudem der Leitantrag, der am Morgen in Windeseile verabschiedet wird. | |
| ## Söder will Bäcker und Friseure mehr in den Blick nehmen | |
| Auch Söder hatte bereits am Vortag die Gefahr eines Linksrutsches nicht nur | |
| an die Wand gemalt, sondern auch durchbuchstabiert, was das aus seiner | |
| Sicht wohl heißen würde: „Es droht ein politischer Erdrutsch“, rief Söder | |
| gleich zu Beginn seiner Rede. Und: „Wir wollen keinen politischen | |
| Linksruck.“ Man werde den Linken zeigen, dass man kämpfe. „Ich habe keinen | |
| Bock auf Opposition.“ Da ist die Halle noch nicht in Bierzeltstimmung, aber | |
| zumindest auf Betriebstemperatur. | |
| Söder betonte, er wolle keine Rote-Socken-Kampagne 2.0 – um eine solche | |
| dann umgehend vom Zaun zu brechen. Er forderte „historische Ehrlichkeit“, | |
| spricht von der „Nachfolgepartei der SED“ und von Stacheldraht. „Die | |
| Linksformel heißt: höhere Steuern, höhere Schulden, mehr Bürokratie, | |
| weniger Sicherheit“, warnte der CSU-Chef und versprach Entlastungen unter | |
| anderem für kleine Unternehmer in Form einer neuartigen „Flatrate-Steuer“ | |
| von maximal 20 Prozent. Die CSU müsse statt der Kaviar-, die | |
| Leberkäsfraktion stärker im Blick haben: „Bäcker, Metzger, Friseure.“ | |
| Immer wieder griff auch er Scholz scharf an. Er warnte vor einem | |
| „Schuldenkanzler“ – und forderte unter anderem umfassendere | |
| parlamentarische Untersuchungen [2][etwa in der sogenannten Cum-Ex-Affäre]. | |
| Es gebe „unzählige Fragen, keine Antworten“. Söder kritisierte auch, wie | |
| Scholz auf aktuelle Durchsuchungen in seinem Ministerium reagiert habe. Der | |
| Eindruck sei, dass der Bundesfinanzminister fast beleidigt darüber sei, | |
| dass die Staatsanwaltschaft ihre Aufgabe wahrnehme. | |
| Den Grünen warf Söder eine „Belehrungs- und Umerziehungsmoral“ vor – un… | |
| durfte natürlich das Gendern nicht fehlen. „Wir als CSU akzeptieren kein | |
| Gender-Gesetz und keine Gender-Strafzettel“, rief Söder. „Wir sind ein | |
| Freistaat und kein Umerziehungsstaat, bei uns zählt der gesunde | |
| Menschenverstand.“ Dafür bekommt er den wohl größten Szenenapplaus. | |
| All das soll wohl dazu dienen, vor allem die Stammwähler anzusprechen, auch | |
| will Söder Abwanderung zu den Freien Wählern (FW) und zur FDP verhindern. | |
| Erstere würden ohnehin an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, eine Stimme für | |
| die FW sei also eine verschenkte Stimme, so der CSU-Chef. Und von der FDP | |
| verlangte er, eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen auszuschließen, denn | |
| das sei auch nur „eine verdünnte Linkssuppe“. Aber Söder muss auch die | |
| eigenen Leute motivieren, in den verbleibenden zwei Wochen im Wahlkampf | |
| noch alles zu geben. | |
| Am Ende bekam Söder stehenden Applaus, drei Minuten und 48 Sekunden lang, | |
| wie die dpa gestoppt hat. Bei der Wiederwahl zum Parteichef aber erhielt er | |
| nur 87,6 Prozent der Stimmen – und blieb damit hinter seinem letzten | |
| Ergebnis von 91,3 Prozent zurück. Das ist nicht dramatisch, aber zwei | |
| Wochen vor ein Bundestagswahl, in der es für die Union um alles geht, doch | |
| bemerkenswert. Von den fünf Stellvertreter:innenn, die anschließend gewählt | |
| wurden, bekam der Europapolitiker Manfred Weber mit 94 Prozent das beste, | |
| Digital-Staatsministerin Bär mit 69,7 Prozent das schlechteste Ergebnis. | |
| Nach Laschets Rede klatschen die Delegierten geschlagene acht Minuten lang. | |
| Aber als der CDU-Chef fertig ist, tritt bald die CSU-Spitze zu ihm auf die | |
| Bühne, dann auch zahlreiche Direktkandidat:innen. Schnell ist nicht mehr | |
| ganz klar, wem genau der Applaus gilt. Man kann es auch so verstehen: An | |
| diesem Mittag klatscht sich die CSU selbst Mut zu – aber zumindest vereint | |
| mit ihrem Kanzlerkandidaten. Mal schauen, ob das bis zur Wahl hält. | |
| 11 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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