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# taz.de -- Ambitionen von Markus Söder: Der Hund will die Wurst
> Jetzt unterstützt er Armin Laschet. Doch sollte der Unions-Kandidat nicht
> Kanzler werden, könnte es der bayerische Ministerpräsident in vier Jahren
> selbst versuchen wollen.
Bild: Auf dem Parteitag demonstrierte Markus Söder nochmal Einigkeit mit Armin…
Freitag vergangene Woche, es ist Mittag. Die ersten Delegierten kommen in
der Halle 7A der Nürnberger Messe an. Auf den Tischen liegt schon ein
Schreibblock bereit, daneben ein dickes Buch mit all den Anträgen, über die
es auf diesem CSU-Parteitag abzustimmen gilt, aber auch die aktuelle
Ausgabe der Neuen Apotheken Illustrierten – Titelgeschichte: „Angst
überwinden“. Ein kleiner Service der Parteitagsregie? Angesichts der
aktuellen Umfragewerte wäre dieser jedenfalls nicht ganz unbegründet.
Gegen 14 Uhr trifft CSU-Chef Markus Söder ein und sagt vor dem Osteingang
des Messegeländes ein paar Sätze in die Kameras: Den Trend wolle man an
diesem Wochenende brechen, ein Signal für Armin Laschet aussenden und,
klar, Geschlossenheit zeigen.
Bevor Laschet am Samstag ebenfalls nach Nürnberg kommt, gilt es für Söder
noch schnell eine Wahl zu gewinnen. Er wird es tun, so viel kann man
vorwegnehmen: Mit 87, 6 Prozent der Delegiertenstimmen wird er als
Parteichef wiedergewählt werden. Das sind 3,7 Prozentpunkte weniger als vor
zwei Jahren, aber das interessiert hier heute niemanden. Denn die
Bundestagswahl ist die wesentlich spannendere Wahl, in deren Kontext dieser
Parteitag steht.
Ob er selbst nicht auch zu den schlechten Zustimmungswerten für die Union
beigetragen habe, will ein Reporter von Söder wissen, schließlich habe er
gezeigt, dass er Laschet nicht für den richtigen Kandidaten halte. Söder
schaut irritiert, als habe man ihn gefragt, ob er mit Anton Hofreiter in
den Urlaub fahren wolle. Dann runzelt er in aller Ausführlichkeit die
Stirn, bis auch die letzte Kamera dieses Stirnrunzeln eingefangen haben
muss, und fragt: „Warum?“ Nein, das könne er nicht erkennen. Mehr nicht.
Bei der Bundestagswahl in zwei Wochen steht jedenfalls viel auf dem Spiel
für die Union. Laut ZDF-„Politbarometer“ liegt sie gerade noch bei 22
Prozent. Und auch die CSU ist Umfragen zufolge auf ein historisches Tief
abgestürzt: 28 Prozent. Das sind zwar sechs Prozentpunkte mehr als bei der
Schwesterpartei, aber eben auch elf Prozentpunkte weniger als bei der
letzten Bundestagswahl.
Die CSU würde damit bundesweit sogar die Fünf-Prozent-Hürde reißen.
Praktisch hätte das keine Auswirkung, weil die CSU-Abgeordneten in der
Regel nur über ihre Direktmandate ins Parlament einziehen. Und selbst wenn
die Liste zum Tragen käme, würde eine Regel die Christsozialen vor
Schlimmerem bewahren, wonach jede Partei, die mindestens drei Direktmandate
erlangt, entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einziehen
darf. Psychologisch jedoch ist die Marke bedeutend. Die CSU-Spitze hofft
daher, die Partei in einer letzten Kraftanstrengung noch über die 30
Prozent zu hieven – bemüht sich zugleich aber schon mal vorsorglich, den
Bundestrend – sprich: Laschet – für das drohende Desaster verantwortlich zu
machen. „Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da“, ließ
Generalsekretär Markus Blume den Spiegel unmittelbar vor dem Parteitag
wissen, um sich kurz darauf quasi zu entschuldigen. Er habe nur das
Ergebnis in Bayern gemeint. Dabei hat Blume ja recht: Laut einer
Civey-Umfrage käme die Union mit Söder als Kandidat auf 37 Prozent. In
Worten: siebenunddreißig.
Wie also wollen CSU und CDU den Trend noch umkehren? Indem sie den
Wahlkampf in den letzten beiden Wochen noch so richtig rocken. Sagt Markus
Söder.
## Angst vor den Linken
Einen Vorgeschmack, wie das aussehen soll, will Söder an diesem Nachmittag
in seiner Rede geben, die er zuvor in ungewohnter Koketterie als seinen
„minimalen Beitrag“ bezeichnet hat, bevor dann tags darauf eine „sehr, se…
starke Rede von Armin Laschet“ zu erwarten sei. Diese Tonart ist neu.
Es ist 16.02 Uhr. Der Parteitag ist in Fahrt gekommen. Blume kündigt den
nächsten Show Act an, der auf der Tagesordnung schlicht „Bericht des
Parteivorsitzenden“ heißt. Blume schreit ins Mikrofon: „Und hier ist er:
Dr. Markus Söder.“ Während auf der Großleinwand noch schnell ein
Werbefilmchen über den Vorsitzenden gezeigt wird, eilt dieser schon
federnden Schrittes auf die Bühne. Und da steht er nun, groß, breit und
mächtig. Mit durchgedrücktem Kreuz. Wenn es stimmt, was manche sagen, dass
er nach der Niederlage bei der Kandidatenkür ein paar Kilo verloren haben
soll – dann hat er sie inzwischen wiedergefunden.
Die Rede, die folgt, ist nicht neu. Größtenteils deckt sie sich mit dem,
was Söder vier Tage zuvor beim Politischen Gillamoos präsentiert hat. Auch
mit seinen Auftritten auf der Stadiontour seiner Partei. Doch diesmal
scheint dann tatsächlich etwas mehr Elan dahinterzustecken. „Es droht ein
politischer Erdrutsch“, sagt Söder. „An diesem Wochenende wird Geschichte
gemacht“, sagt Söder. „Wir werden den Linken zeigen, dass wir noch nicht
aufgegeben haben“, sagt Söder. Und: „Wir wollen keinen Linksrutsch in
Deutschland und für alle Journalisten zum Mitschreiben: Wir wollen Armin
Laschet als Kanzler haben.“ Ein gewaltiger Applaus hebt an.
Oder kommt er einem vielleicht nur deswegen so gewaltig vor, weil man es in
Coronazeiten nicht mehr gewohnt ist, 700 Menschen gleichzeitig klatschen zu
hören?
Armin Laschet als Kanzler also. Ist es wirklich das, was Söder will?
Es ist interessant, dass die Frage, was Markus Söder will, in den
vergangenen Monaten überhaupt in den Vordergrund gerückt ist. Schließlich
ist es eine Frage, die man sich über Jahre hinweg gar nicht gestellt hat.
Da war völlig klar, was Söder wollte. Am Ende machte der Politiker auch
keinen Hehl mehr daraus: Söder wollte bayerischer Ministerpräsident werden.
Und er zeigte Ausdauer. Das Ziel klar vor Augen, machte er seinen Job – ob
nun als Europa-, Umwelt- oder Finanzminister war ihm dabei einerlei, es
waren ja nur Zwischenstationen auf seinem Weg.
Im Frühjahr 2018 war es dann so weit. Nach turbulenten Wochen
verabschiedete sich Horst Seehofer, der eigentlich noch eine dritte
Amtsperiode als Ministerpräsident dranhängen wollte, nicht ganz aus freien
Stücken nach Berlin. Nun durfte der Maurersohn aus Nürnberg in die
Staatskanzlei einziehen. Wenige Monate später übernahm er dann auch noch
den Job des Parteichefs. Söder war am Ziel. So schien es. Und so mag er
selbst es damals auch gesehen haben.
## Zwischen Aiwanger und Schweinepest
Und jetzt? Wird das laut Franz Josef Strauß „schönste Amt der Welt“
vielleicht doch etwas langweilig? Gewiss, an Aufgaben mangelt es nicht:
Corona und die Folgen, der Klimawandel, da hat auch ein Ministerpräsident
gut zu tun, ein CSU-Chef ohnehin. Und die Partei wieder zu alten Höhen
zurückzuführen, sie bei den Landtagswahlen 2023 zur absoluten Mehrheit zu
führen, das wäre ein ehrgeiziges Ziel, aber selbst im Falle des Erfolgs
eben doch nur eine nette Randnotiz in den Geschichtsbüchern. Kann das genug
fürs Söder’sche Ego sein? Jetzt noch, wo das Kanzleramt schon einmal so
nahe war?
Nein, Söder habe da schon Blut geleckt, sagt Hans Well am Telefon. Well
beobachtet Markus Söder mit besonders großem Interesse – schon seit dessen
Zeit als JU-Chef und Generalsekretär in den Nullerjahren. „München ist für
einen Titanen wie ihn zu klein“, erklärt Well, der drei Jahrzehnte lang für
die bissigen Texte der in Bayern legendären Biermösl Blosn verantwortlich
war und inzwischen mit seinen Kindern als die Wellbappn durch die Lande
zieht. „Ein G20-Gipfel in Washington reizt das Ego Söders vermutlich mehr
als ein Auftritt im Kötztinger Bierzelt oder ein Dasein in München zwischen
Aiwanger und Schweinepest.“ Bei seinem Coming-out als Kanzlerkandidat sei
das „Mein Platz ist in Bayern“-Mantra sehr schnell vergessen gewesen.
Auch die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch meint, dass Söder „nicht der
Typ für Ambitionslosigkeit“ sei. „Er braucht den Wettbewerb und immer
wieder neue Aufgaben“, sagt die Leiterin der Akademie für Politische
Bildung in Tutzing.
Das Kanzleramt, ja, das hätte neue Aufgaben versprochen.
Und jetzt also wünscht sich Söder allen Ernstes einen Kanzler Laschet?
Immerhin: Auf dem langen Weg zur Messehalle begegnet man auf den Plakaten
erst mal nur dem Konterfei Laschets, erst auf den letzten Metern kommt
Söder. Was denn alle hätten, wundert man sich in der CSU, in vergangenen
Wahlkämpfen habe es ganz andere Antagonismen gegeben. Man denke an Seehofer
und Merkel oder gar Strauß und Kohl. In der Nacht auf Samstag werden noch
ein paar zusätzliche Laschet-Plakate aufgehängt.
Er unterstütze Armin Laschet hundertprozentig, das ist der Satz, der seit
Wochen in so ziemlich jeder Söder-Rede fällt. Es ist die Betonung dessen,
was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Was fehlt: die
Begründung. Ein Loblied auf den Kandidaten, eine Erklärung, warum Laschet
ein starker Kanzler wäre, warum Deutschland Laschet braucht.
Sie habe anfangs auch nicht den Eindruck gehabt, dass Söder Laschet voll
unterstütze, sagt Ursula Münch. „Markus Söder war auch schon in der
Vergangenheit ein Meister der versteckten, aber unmissverständlichen Kritik
und der vermeintlich freundlich daherkommenden, verklausulierten
Abrechnung.“ Inzwischen scheine Söder aber umgeschwenkt zu haben, erzählt
Münch, vor allem wohl aus der Furcht, andernfalls gemeinsam unterzugehen.
„Ob das noch reicht – sowohl für den Erfolg als auch, um den Vorwurf der
mangelnden Unterstützung auszuräumen –, kann man getrost bezweifeln.“
## Oder doch lieber Söder?
Und es ist ja kaum drei Wochen her, da flammte plötzlich eine kurze Debatte
auf, ob man nicht doch noch Söder zum Kandidaten küren solle. Der Passauer
Neuen Presse erklärte Markus Söder daraufhin: „Die Wahlzettel sind gedruckt
und die Wahlplakate geklebt, da macht es keinen Sinn, über einen
Kandidatentausch zu reden.“ Gedruckte Wahlzettel – ein besseres Argument
für Laschet fiel Söder nicht ein.
Es gibt verschiedene Erklärungsansätze für Söders Verhalten. Eine davon
ist, dass er einfach nicht anders kann. Dass die Kränkung der Niederlage
beim Kampf um die Kandidatur zum einen noch zu tief sitzt und er zum
anderen immer noch der Überzeugung ist, er wäre der bessere Kandidat.
Ursula Münch ist nicht allein mit der Ansicht, dass die Niederlage gegen
Laschet den CSU-Chef weiterhin umtreibt: „Erstens, weil er sich durch die
Art und Weise, wie Armin Laschet tatsächlich Wahlkampf betreibt, in seiner
Kritik an ihm bestätigt fühlen kann. Zweitens, weil es ihn wohl immer noch
ärgert, dass die damalige Entscheidung innerhalb der CDU von einzelnen
Führungspersönlichkeiten und Gremien an weiten Teilen der Parteibasis
vorbei getroffen wurde.“
Hans Well formuliert es nicht ganz so galant: „Der Söder hat das nie
überwunden, und er hat diese Niederlage, noch dazu gegen diesen
Karnevalisten, gegen diesen Faschingsprinzen, nicht verstehen können.“
Dafür sprächen auch die ganzen Sticheleien, die sich Söder im Nachgang
nicht habe verkneifen können. So wie Söder behandelt wurde, gehe er
normalerweise mit seinen Gegnern um – dass ihm so etwas jetzt selber
widerfahren sei, schmerze doppelt. „Ausgerechnet er, der den Seehofer so
hinterfotzig abserviert hat, klagt jetzt darüber, wie ungerecht er
abserviert wurde.“ Seine Zurückweisung habe er „als hinterrücks
ausgeführten Meuchelmord“ empfunden. „Seitdem unterstützt er Laschet
solidarisch nach dem Motto: Ave Armin, Brutus lässt grüßen – diesen
Pyrrhussieg, den musst du Drecksau büßen.“
Aber kann man mit so einer Niederlage als professioneller Politiker nicht
auch anders umgehen? Die eigene Kränkung der gemeinsamen Sache wegen
hintanstellen? Siehe Friedrich Merz, der ja mittlerweile zum größten
Laschet-Fan avanciert zu sein scheint. „Ja, der Merz, der hat ja was zu
gewinnen“, sagt Well. „Der will ja ein Ministeramt, eine Position, wo er
seine Blackrock-Ideale umsetzen kann. Dem Söder eröffnen eine Regierung
unter Laschet keine solchen Optionen.“
Eine weitere Erklärung für den Mangel an demonstrativer Euphorie für
Laschet ist die Theorie, dass es ja nur in dessen Interesse sei, wenn die
CSU ihn in ihrem Wahlkampf weitgehend außen vor lässt und diesen
stattdessen ganz auf ihren Parteivorsitzenden, den „Kandidaten der Herzen“,
wie Generalsekretär Markus Blume Söder in pathetischem Überschwang
titulierte, ausrichtet. Denn je weniger Laschet und je mehr Söder, desto
mehr Stimmen für die CSU – und damit für die Union. Klingt gemein, ist aber
keineswegs absurd.
Söders Zeigefinger kommen kaum zur Ruhe. Mal bohrt er mit dem linken Löcher
in die Luft, mal zerschneidet er sie mit dem rechten. Wenn er von der
Mütterrente redet, der Pendlerpauschale oder dem Wohngeld, das ordentlich
erhöht gehöre. Vor allem aber warnt er vor der drohenden Linksregierung.
„Schumacher, Brandt und Schmidt würden sich im Grab umdrehen, wenn sie das
jetzt erleben müssten“, behauptet Söder. Für Millionen Menschen bedeutete
eine SPD-geführte Regierung eine Verschlechterung ihrer aktuellen
Lebenssituation. Und: „Ich hab keinen Bock auf Opposition.“
## Der Gurkenhobelverkäufer
Auch wenn dies bedeutet, dass sein Widersacher Armin Laschet Kanzler wird?
Vielleicht hilft es, noch einmal einen Schritt zurückzutreten und zu
fragen, was Söder überhaupt im Frühjahr getrieben hat, sich um die
Kanzlerkandidatur zu bewerben, um eine Ahnung davon zu bekommen, was ihn
jetzt antreiben könnte.
Viele hatten damals daran gezweifelt, dass Söder am Ende tatsächlich in den
Ring steigen würde – weniger weil der es immer bestritten hatte, mehr weil
der 54-Jährige als einer bekannt ist, der das Risiko scheut. Aber dann ließ
er es doch auf den offenen Kampf ankommen. Söder kam, wollte und –
scheiterte.
Dass es aber auch danach nicht ganz leicht geworden wäre, war Söder
bewusst. „Ich glaube, dass die Deutschen die Bayern schon ganz gern mögen“,
sagte er einmal selbst. „Aber immer, wenn sie den Eindruck haben, ein Bayer
will Kanzler werden, entsteht die Sorge, künftig aus dem Hofbräuhaus
regiert zu werden.“ Nun ist zwar Söder Franke, entspricht nicht vollends
dem Bayernklischee, mit den beiden oberbayerischen Kanzlerkandidaten Franz
Josef Strauß und Edmund Stoiber hat er jedoch die Parteizugehörigkeit
gemein. Es ist ja nicht so, dass noch kein Bayer im Kanzleramt gesessen
habe, nur eben kein Christsozialer. Dass sich der Fürther Ludwig Erhard
ausgerechnet von einem aus dem Rheinland stammenden CDU-Chef, Konrad
Adenauer, in die CDU hat holen lassen, ist, aus der heutigen Gemengelage
betrachtet, ein unbedeutendes, aber amüsantes historisches Detail.
Tatsächlich wäre Söders Ausgangsposition wohl trotzdem ungleich besser als
die von Strauß oder Stoiber gewesen. Einiges hätte auf einen Erfolg Söders
bei den Wahlen hingedeutet. „Natürlich wäre er die bessere Wahl für die
C-Parteien gewesen“, glaubt auch Hans Well. „Der Söder war immer ein
Meister als Verkäufer. Ich hab ihn mir immer wunderbar als
Gurkenhobelverkäufer in irgendeiner Fußgängerzone vorstellen können, der da
die Auslaufmodelle als das Neueste vom Neuen vorstellt.“
Ein erfolgreicher Kanzlerkandidat ist noch kein erfolgreicher Kanzler. Was,
wenn Söder tatsächlich Kanzler geworden wäre?
In der CSU, aber auch in der bayerischen Politik ist alles auf Söder
zugeschnitten. Kritik ist unerwünscht – und wird auch selten geäußert. Und
das System funktioniert. Es ist das, was Armin Laschet mit seiner
Anspielung auf Söders „One-Man-Show“ vor der Bundestagsfraktion gemeint
haben dürfte. Der Berliner Politbetrieb ist Söder dagegen bis heute fremd
und suspekt geblieben, hier verfügt er über keinerlei Netzwerk. Und Söder
hätte eine Regierung führen müssen, in der seine Partei der kleinste
Koalitionspartner wäre. Eine Partei, die zudem aktuell in Berlin –
abgesehen von Landesgruppenchef Alexander Dobrindt – personell kaum
auffällt. Eine starke Bastion sieht anders aus.
## Auch vergiftete Würste riechen gut
Trotzdem wollte sich der risikobewusste Söder auf dieses Vabanquespiel
einlassen. Warum?
Hans Well bezieht sich auf den Söder-Biografen Roman Deininger. Der habe
ein schönes Bild bemüht: „Wenn die Wurst vor dem Hund hängt, dann schnappt
er danach. Und wenn er noch so genau weiß, dass die Wurst vergiftet ist.
Ich glaub, so ähnlich war das.“ Die Verlockung sei einfach zu groß gewesen,
das zu erreichen, woran Strauß und Stoiber gescheitert seien. „Der
Wurstgeruch war zu stark für ihn.“
Samstagmittag, Einzug Armin Laschet. Der Beifall, mit dem ihn die
Delegierten begrüßen, ist fulminant. Hinter ihm laufen JUler her, jubeln
und halten Schilder in die Höhe: „Damit Deutschland stabil bleibt.“ Ein
Beobachter twitter beeindruckt: „Falls das Schauspielkunst ist, dann
zumindest höhere.“ Auf der Bühne angekommen, sagt Söder zum
Kanzlerkandidaten: „Lieber Armin, ich weiß nicht, ob du überall so
euphorisch begrüßt wirst, bei uns wirst du es.“
Es folgt eine ordentliche Rede, in der Laschet einmal mehr das linke
Schreckgespenst an die Wand malt, sich sogar zu der waghalsigen Behauptung
versteigt, die Sozialdemokraten hätten in allen Entscheidungen der
Nachkriegsgeschichte „immer auf der falschen Seite“ gestanden.
Am Ende frenetischer Applaus, Standing Ovations, „Armin“-Rufe. Söder dankt
für die „großartige Rede“; für ihn sei klar, sagt er, dass es am
Wahlsonntag nur eine mögliche Entscheidung gebe. Er stellt dem allerdings
einen Konditionalsatz voran: „wenn die Deutschen die Wahl haben zwischen
Scholz, Baerbock und Laschet“.
Wenn nun aber Laschet – und momentan ist das eine sehr reale Option – nicht
Kanzler werden sollte? Wird Söder dann in vier Jahren einen erneuten
Versuch unternehmen? „Ja, ich nehme an, dass Markus Söder dann nochmals die
Kanzlerkandidatur anstreben wird“, sagt Expertin Münch. Söder hätte dann
immerhin auch vier Jahre Zeit, um seine Truppen in Berlin zu sammeln. Der
CSU-Chef selbst hat dieser Option allerdings bereits eine Absage erteilt:
„Ich habe einmal ein Angebot gemacht, ein zweites Mal bringt überhaupt
nix.“ Schon klar, sein Platz ist in Bayern.
13 Sep 2021
## AUTOREN
Dominik Baur
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