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# taz.de -- „Helden der Wahrscheinlichkeit“ im Kino: Zusammenkunft der Vers…
> „Helden der Wahrscheinlichkeit“ ist eine schwarze Komödie mit Mads
> Mikkelsen. Sie erzählt vom Kampf gegen Verlust und Trauer.
Bild: Auf der Jagd nach den Ursachen des Unglücks in „Helden der Wahrscheinl…
Wie genau lassen sich [1][Ereignisse mit Big Data auswerten]? Und wie
sinnvoll sind die Aussagen, die man auf diesem Weg gewinnen kann? Taugen
sie, um das eigene Handeln an ihnen auszurichten, selbst in grundlegenden
Fragen?
Algorithmen, die derlei Dinge mutmaßlich tun, erfassen inzwischen ein gut
Teil der digital vermittelten Welt. Sie spielen in der Komödie „Helden der
Wahrscheinlichkeit“ des dänischen Regisseurs Anders Thomas Jensen eine
tragende Rolle. Ihre mathematische Präzision in Kombination damit, wie
Menschen die resultierenden Daten dann ihrerseits interpretieren, führt die
Protagonisten des Films in abstruser Form zu existenziellen Entscheidungen.
Und sehr konkret zu der Frage, wie man sein Leben überhaupt in den Griff
kriegen kann.
Der Film beginnt zunächst scheinbar belanglos. Ein Großvater in Estland
sucht mit seiner Enkelin einen Fahrradhändler auf, um ihr ein Rad zu
Weihnachten zu schenken. Als sie ein rotes Modell angeboten bekommt, lehnt
die Enkelin ab. Sie hätte lieber ein blaues. Der Verkäufer greift wenig
später zum Telefon.
In der nächsten Szene knackt ein vermummter Mann das Schloss eines blauen
Damenrads, verfrachtet dieses in einen Transporter und verschwindet. Das
Rad, erfährt man bald darauf, gehörte einer Schülerin in Dänemark namens
Mathilde (trotzig gefasst: Andrea Heick Gadeberg). Am nächsten Morgen will
ihre Mutter sie zur Schule fahren, doch das Auto springt nicht an.
## Der geschasste Informatiker
Dann ruft auch noch der Vater an, Markus (trotzig stoisch: [2][Mads
Mikkelsen]), Berufssoldat im Afghanistaneinsatz. Seine Mission verlängert
sich unerwartet um drei Monate. Aus Enttäuschung fahren die beiden mit dem
Zug in die Stadt, um sich abzulenken.
Im selben Zug sitzt auch Otto (wunderbar paranoid: Nikolaj Lie Kaas),
frisch geschasster Informatiker. Er hatte seinem Unternehmen einen
Algorithmus präsentiert, der über einen sehr langen Zeitraum sehr viele
Daten ausgewertet hat, um zu der Aussage zu gelangen, dass Menschen der
unteren Einkommensklassen KIA-Autos fahren, Leute mit hohen Einkommen
hingegen Mercedes. Otto bietet Mathildes Mutter seinen Sitzplatz am Fenster
an, stellt sich in den Gang. Kurz darauf kracht es, der Waggon ist mit
einem anderen Zug kollidiert. Dort, wo eben noch die Mutter saß, klafft ein
Loch.
Aus dieser nicht gerade wahrscheinlichen Konstellation erzeugt Anders
Thomas Jensen dunkel glimmende Funken von Aberwitz, wenn er Ottos Wege mit
denen von Mathilde und Markus in sehr unerwarteter Weise zusammenführt.
[3][Jensen hatte Mads Mikkelsen in seiner ebenfalls schwarzen Komödie
„Adams Äpfel“ von 2005] seinerzeit in einer böse komischen Rolle als
Nächstenliebe lebender Pastor besetzt. Diesmal lässt er seinen
Hauptdarsteller als Markus weniger passiv auftreten. Die lange Zeit in
Konfliktgebieten hat bei diesem schon Spuren hinterlassen, hinzu kommt das
Trauma des Verlusts seiner Frau.
So ist Mathilde den Angeboten von Psychologen gegenüber zwar
aufgeschlossen, der vorzeitig vom Einsatz zurückgekehrte Markus allerdings
will nichts davon wissen. Er meint sein Leben auch so bewältigen zu können.
Therapie gehört nicht zu den Lösungsansätzen, mit denen er vertraut ist.
## Statistik und Paranoia
Dann steht plötzlich Otto vor seiner Tür. Der hatte im Zug einen Nazitypen
beobachtet, der bald als Zeuge im Prozess gegen eine Rockergang, die
„Riders of Justice“, aussagen sollte. Otto will noch eine verdächtige
Person im Zug gesehen haben, die kurz vor dem Unfall ausstieg. An einen
Unfall kann er nicht glauben, auch wenn die Polizei seine Hinweise nicht
weiter ernst nimmt. Markus hingegen hat sehr offene Ohren für Ottos
Geschichte, in der statistische Überlegungen viel Raum einnehmen.
Mit der Unterstützung von zwei weiteren Informatikerfreunden, die alle
online verfügbaren Daten von Überwachungskameras und dergleichen auf mehr
oder minder legalem Weg zusammentragen, kommt Otto auf eine Verbindung der
verdächtigen Person zu den Nazi-Rockern. Von da an nehmen die drei,
Achtung, Klischee, psychisch auffälligen Computernerds gemeinsam mit dem
militärisch operierenden Markus die Dinge in die Hand. Was Jensen mit
herrlich neurotischen Dialogen, ergänzt um sehr eigenwillige
Verhaltensweisen, für reichlich Situationskomik nutzt.
Irgendwann kommen die unwahrscheinlichen Freunde zwangsläufig an den Punkt,
an dem ihre Vorgehensweise sich an der Realität bricht, dass man einen
Verlust weder wegrechnen noch durch daueraktive Verdrängung lange unter der
Decke halten kann. Am Ende landet diese Zusammenkunft von Versehrten, gegen
alle Plausibilität konstruiert, bei sehr elementaren Fragen wie der von
Trauer und dem Umgang mit seelischen Wunden. Dass Jensen auf dem Weg dahin
das eine oder andere Feuergefecht mit Nazis in die Handlung einbaut, geht
für den Film allemal in Ordnung.
24 Sep 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
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Komödie
Dänemark
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