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# taz.de -- TV-Triell der Kanzler-KandidatInnen: Noch mal ein Blick auf die Uhr…
> Recht machen konnten es die ModeratorInnen des TV-Triells niemandem.
> Schuld daran waren auch selbst geweckte Erwartungen.
Bild: Selten blieb Zeit für mehr als eine Nachfrage
Maybrit Illner [1][und Oliver Köhr], davon muss man ausgehen, hatten am
Montag einen Scheißtag. Die Nachbereitung des Sonntagabends war sicherlich
kein Vergnügen, viel positives Feedback gab es für die Moderation des
TV-Triells schließlich nicht. Zu schlecht abgestimmt, verkehrte Fragen und,
vor allem, völlig falsche Gewichtung der Themen: Den einen waren es zu
viele Blöcke in zu kurzer Zeit. Den anderen haben zentrale Politikfelder
gefehlt. Recht haben paradoxerweise beide Seiten, obwohl beides
offensichtlich nicht zusammengeht.
Auf der einen Seite stimmt es ja: So schnell, wie die beiden durch die
Themen geritten sind, blieb selten Zeit für mehr als eine Nachfrage. Der
Part mit der Vermögenssteuer war so ein Fall, der zeigt, was durch das
Tempo verlorenging: Die Grünen möchten deren Wiedereinführung prüfen, sagte
Annalena Baerbock – eine relativ unverbindliche Aussage, steht doch im
Wahlprogramm der Partei konkreter, dass die Vermögenssteuer im Kampf gegen
die Ungleichheit ihr „bevorzugtes Instrument“ sei. Rückt die Kandidatin
vorsichtig davon ab? Wird sie die Forderung in Sondierungen als erstes
aufgeben? Oder will Baerbock nur vor dem Wahltag nicht mit höheren Steuern
in Verbindung gebracht werden?
Die Nachfrage hätte sich gelohnt, stattdessen waren darauf aber erst
Laschet und dann Scholz dran, bevor schon wieder der nächste Uhrenvergleich
anstand. Der CDU-Kandidat lag mit 26 Minuten und 25 Sekunden vorne. Nicht
in allen Themenblöcken lief es so, aber doch in einigen, was zur Folge
hatte, dass die Kandidat*innen zu oft mit ihren bevorzugten
Schlagworten davonkamen. Die Einordnung gerade für das fachpolitisch
weniger versierte Publikum fehlte.
Auf der anderen Seite aber, auch das stimmt ja, flöge mit jeder Nachfrage
mehr ein anderes Thema potentiell aus der Sendung. [2][Der Klimablock war
viel zu schnell vorbei], aber waren nicht auch die unmittelbar darauf
folgenden Fragen nach steigenden Mieten wichtig? Wenn Kinder angeblich
unsere Zukunft sind, warum war die Familienpolitik nicht ausführlicher
Thema? Und haben nicht auch die ganzen Expert*innen für Außenpolitik
recht, die auf Twitter schreiben, dass es nach Isolationismus riecht, wenn
Fragen nach internationalen Krisen in so einer Sendung fehlen?
## Nicht zu machen
Damit nähern wir uns aber langsam schon dem eigentlichen Problem: Selbst
wenn die ModeratorInnen ein wenig Kokolores eingespart hätten (die Fragen
nach den Koalitionen zum Beispiel, die an anderen Stellen schon ausgiebigst
gestellt und beantwortet wurden), wäre bei Weitem nicht so viel Sendezeit
freigeworden, dass alle Themen von Relevanz Platz gefunden hätten. Illner
und Köhr, wie vor zwei Wochen schon ihre KollegInnen auf RTL, haben mit
ihrem Ritt durch die Themen die Erwartung geweckt, dass in neunzig Minuten
alles Wichtige vorkommen muss. Das ist in neunzig Minuten aber nicht zu
machen. Die Produktenttäuschung war so quasi unausweichlich.
Für den nächsten Wahlkampf könnten die Sender daraus lernen. Ihre
TV-Debatten, mit wie vielen Teilnehmer*innen auch immer, könnten sie
von vornherein thematisch einschränken. Nicht dreimal über möglichst alles
reden, sondern je ein Mal ausführlich über ganz zentrale Felder. Schon im
Juni gab es einen – damals wenig beachtete – „ARD-Talk“ mit den Dreien
ausschließlich zu außenpolitischen Themen, die jetzt viele Expert*innen
vermisst haben. Die Sendung hatte Tiefgang, das Konzept hat funktioniert.
Warum nicht mehrere solcher Themenrunden, eine zum Klima, eine zu
Wirtschafts- und Verteilungsfragen, vielleicht noch eine zu Corona und ganz
zum Schluss eine gemischte Debatte zu allem, was bis dahin zu kurz kam?
Vielleicht wäre so ein Konzept sogar schon etwas für den nächsten Sonntag.
Dann sind Pro7, Sat1 und Kabel1 mit dem letzten Triell dieses Wahlkampfs
dran. Eine undankbare Aufgabe: Wer erwartet da noch etwas Neues, wer
schaltet da noch ein, zumal gleichzeitig im Ersten der neue Tatort mit
Ballauf und Schenk läuft? Punkten können die Sender höchstens, wenn sie zum
Abschluss etwas Überraschendes wagen.
Neunzig Minuten nur zur Klimakrise, dem potenziell beherrschenden Thema der
nächsten Jahrzehnte, wäre so eine Überraschung. Genügend Aspekte gäbe es
abzufragen. Und gleichzeitig böte so ein Konzept gerade Armin Laschet und
Olaf Scholz eine Chance: Ist ihnen das Thema tatsächlich so wichtig, wie
sie neuerdings behaupten? Mit ihrer Teilnahme an solch einer Sendung
könnten sie es beweisen. Ohne ihre Zustimmung käme ein neues Konzept
schließlich nicht zustande.
13 Sep 2021
## LINKS
[1] /ARD-Chefredakteur-Oliver-Koehr/!5797141
[2] /TV-Triell-der-KanzlerkandidatInnen/!5800193
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Triell
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