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# taz.de -- Studie „Ängste der Deutschen“: Geld weg, Ausländer da!
> Willst du wissen, wer die Deutschen sind? Schau auf ihre Ängste! Die
> werden zum Glück seit 30 Jahren verlässlich erhoben – von einer
> Versicherungsfirma.
Bild: Angst ist kein guter Ratgeber, sagt man. Ich sage: Schau auf die Topängs…
Es gibt in Deutschland eine Studie, die [1][„Ängste der Deutschen“] heißt,
seit 30 Jahren schon, und allein das ist bizarr, aber dann wird [2][diese
Studie] auch noch von einer Versicherung beauftragt. „Wenn wir schon den
bunten Markt der Ängste analysieren, um unser Produkt möglichst profitabel
zu veräußern“, schwingt da mit, „dann lass uns doch gleich auch ein
bisschen Politik damit machen.“ Aber jeder darf und soll natürlich selbst
entscheiden, wessen Studien er liest und glaubt. Und es ist ja auch nicht
so, dass die Ergebnisse dieser repräsentativen Umfrage unter rund 2.400
Personen nicht einen Blick wert wären. Gerade jetzt, zwei Wochen vor der
Wahl!
Deshalb hier eine kurze Zusammenfassung der German Angst, Stand 2021:
Während die Deutschen im April 2020 noch „[3][erstaunlich sorglos oder
cool“] wirkten (so Politikwissenschaftler Manfred Schmidt, der die
Versicherung bei der Auswertung berät), besteht ihre größte Angst bei der
diesjährigen 30. Umfrage des Infocenters der R+V Versicherung darin, dass
der Staat sie für die Milliardenschulden der Coronakrise [4][„zur Kasse
bitten“] könnte: 53 Prozent der Befragten haben Angst davor, dass Steuern
erhöht oder Leistungen gekürzt werden. (Da freut sich die FDP. An dieser
Stelle auch liebe Grüße an die Wirtschaft! Wir hoffen, dass es ihr gut
geht.) Jeder Zweite fürchtet sich davor – und das ist Platz zwei –, dass
die Lebenshaltungskosten steigen.
„Die Topängste zeugen vom Realismus der Befragten – und vom Vorrang ihrer
materiellen Interessen“, sagt dieses Mal Professor Schmidt von der
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Abgesehen davon, dass die Angst
vieler ängstlicher Mittelschichtler vor Steuererhöhungen mit Blick auf die
moderaten Steuerprogramme „linker“ Parteien mit realistischer
Regierungsaussicht mindestens irrational sind, bietet sich noch eine
andere Lesart der Ergebnisse der Angststudie an: Die Deutschen haben immer
dann Angst, wenn sie solidarisch sein sollen. Diese These wird bestärkt von
den weiteren Topängsten: der Angst vor der Möglichkeit, [5][„dass die
große Zahl der Geflüchteten die Deutschen und ihre Behörden überfordert“]
(45 Prozent, Platz vier); und der Sorge vor Konflikten durch weitere
Zuwanderung (42 Prozent, Platz sieben).
Angst ist kein guter Ratgeber, sagt man. Ich sage, mit Blick auf diese
Zahlen: Willst du wissen, wer die Deutschen sind, schau auf ihre
Topängste.
Aber gut. Jetzt, wo die Ängste-Pressemitteilung der Versicherung raus ist,
können nicht nur Versicherungen Geld mit Ängsten machen. Auch
Politiker:innen können im Endspurt der Realityshow namens
Bundestagswahlkampf auf diese Ängste verweisen – wenn sie das nicht eh
schon lange machen. Bei einer Wahl, bei der Farbunterschiede so was wie
echte [6][Alternativen simulieren], können sie dann noch ein, zwei
verängstigte Unentschiedene auf ihre Seite ziehen. Und dann heißt es: Auf
eine neue Legislatur, voller alter und neuer Ängste!
9 Sep 2021
## LINKS
[1] /Studie-zu-den-Aengsten-der-Deutschen/!5740948
[2] https://www.ruv.de/presse/aengste-der-deutschen/20210909-studie-aengste-der…
[3] https://www.zeit.de/news/2020-04/07/die-aengste-der-deutschen-in-der-krise
[4] /Finanzierung-der-Coronakrise/!5762712
[5] /Diskussion-um-afghanische-Gefluechtete/!5792360
[6] https://jungle.world/artikel/2021/35/kein-schoener-herbst-dieser-zeit
## AUTOREN
Volkan Ağar
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