Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Überflug von G8-Protestcamp illegal: Tornado geht nach hinten los
> Ein Gericht erklärt den Jet-Überflug eines G8-Protestcamps 2007 für
> rechtswidrig, Grüne fordern Konsequenzen. Die Verfahrensdauer sei „ein
> Unding“.
Bild: So sahen es wohl auch die Tornado-Flieger: das damalige G8-Protestcamp in…
BERLIN taz | Jan Philipp Albrecht kann sich noch gut erinnern, wie er
damals, am 5. Juni 2007, aus dem Zelt krabbelte und plötzlich der
[1][Tornado] über das Protestcamp donnerte. In nur gut 100 Metern Höhe
rauschte der Flieger über die Demonstrierenden gegen das G8-Treffen in
Heiligendamm, [2][mit ohrenbetäubendem Lärm]. „Das war eine Szene, die man
nicht vergisst“, sagt Albrecht der taz. „Die Aktion sollte einschüchtern
und war völlig unverhältnismäßig.“
Nun hat Albrecht auch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
recht gegeben – und den Tornado-Flug [3][für rechtswidrig erklärt]. Der von
der Polizei beauftragte Überflug des Protestcamps in Reddelich habe das
Recht der Kläger auf Versammlungsfreiheit verletzt, heißt es in einem
Beschluss vom Mittwochnachmittag.
Albrecht, der damals mit der Grünen Jugend an den Protesten teilnahm, hatte
die Klage gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern mit seiner Parteikollegin
Paula Riester durchgefochten. Das Problem nur: Bis zu diesem
letztinstanzlichen Beschluss brauchte es 14 Jahre. Heute ist Albrecht
längst [4][Umweltminister] in Schleswig-Holstein.
## 14 Jahre bis zum Beschluss stehe „in keinem Verhältnis“
„Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal für die Durchsetzung von
Grundrechten“, freut sich Albrecht dennoch. „Menschen dürfen keine Angst
haben, auf Demonstrationen zu gehen. Und die Behörden müssen wissen, dass
es Grenzen gibt.“ Die 14 Jahre bis zur Entscheidung aber beklagt auch
Albrecht. „Das steht in keinem Verhältnis. Gerade in so sensiblen Bereichen
wie den Grundrechten müssen solche Verfahren beschleunigt werden.“
Einen Tag vor Beginn des G8-Gipfels 2007 hatte die Landespolizei die
Bundeswehr beauftragt, mit ihrem Tornado „[5][in Amtshilfe]“ Fotos des
Camps zu machen. Mehrere Tausend Demonstrierende waren damals angereist.
Offiziell hieß es, man wolle nach Erddepots für Werkzeuge Ausschau halten.
Auch das Oberverwaltungsgericht sieht in dem Überflug nun eine
einschüchternde Wirkung. Eine von Albrecht und Riester ebenfalls beklagte
Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung wies es
hingegen zurück. Eine Identifizierung einzelner Personen sei auf den Fotos
nicht möglich gewesen.
## Ströbele fordert Konsequenzen für Verantwortliche
Auch Grünen-Urgestein [6][Hans-Christian Ströbele], der damals ebenfalls
demonstriert hatte und die Klage mit vorantrieb, freut sich über die
Entscheidung. „Es war damals sofort klar, dass das grob rechtswidrig war
und nur als Einschüchterung zu verstehen. Nun haben wir dafür auch die
Bestätigung.“ Die lange Verfahrensdauer aber sei „ein Unding“, so Ströb…
zur taz. Auch wenn der Vorfall inzwischen schon lange zurückliege, müssten
die damals Verantwortlichen „zur Rechenschaft gezogen“ werden.
Bei den Behörden aber bleibt man vage. Für die Bundeswehr verwies eine
Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf das Land
Mecklenburg-Vorpommern, gegen das geklagt worden sei. Auch blieben die
genauen Entscheidungsgründe abzuwarten. Gleiches betonte auch eine
Sprecherin des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern. Liege das
schriftliche Urteil vor, werde man prüfen, ob sich „neue Handlungs- und
Regelungsbedarfe ergeben“, sagte sie der taz. „Es ist selbstverständlich,
dass die Landespolizei die geltenden Rechtsprechungen in seine zukünftigen
Maßnahmen, Entscheidungen und in die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr
einfließen lässt.“
Der Rechtsstreit zog sich auch deshalb so lange hin, weil er über mehrere
Instanzen bis zum [7][Bundesverwaltungsgericht] ging und dann zurück zum
Oberverwaltungsgericht. Auch für Grünen-Umweltminister Albrecht darf die
Entscheidung aber für künftige Großeinsätze nicht folgenlos bleiben. „Der
Trend, Demonstrierende immer weiter von internationalen Gipfeln
fernzuhalten, muss ein Ende haben. Sicherheit darf eine friedliche
Versammlungsfreiheit nicht verhindern.“
9 Sep 2021
## LINKS
[1] /G8-Tornados/!5199072
[2] https://www.youtube.com/watch?v=HHckcoM9_G8
[3] https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/ver…
[4] /Ex-taz-Praktikant-wird-Superminister/!5528147
[5] /Kampffliegereinsatz-in-Heiligendamm/!5455805
[6] /Hans-Christian-Stroebele-wird-80/!5598508
[7] /Kampffliegereinsatz-in-Heiligendamm/!5455805
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Protest
G8-Gipfel
Heiligendamm
Versammlungsfreiheit
Bundeswehr
Polizei
Mecklenburg-Vorpommern
Bespitzelung
G8-Gipfel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Spitzelaffäre um Umweltaktivisten: Ausspioniert vom eigenen Freund
Der Umweltaktivist Jason Kirkpatrick wurde jahrelang von seinem Freund,
einem Polizeispitzel, ausgespäht. Nun entscheidet ein Gericht über den
Fall.
Kampffliegereinsatz in Heiligendamm: Angsteinflößend und einschüchternd
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt: Der Tiefflug eines Tornados über
das G8-Protestcamp 2007 war ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit.
G8-Tornados: Tiefflug mit Foto-Shooting
Das Wetter war schuld, dass die Bundeswehr-Tornados beim G-8-Gipfel direkt
über die Köpfe der Demonstranten hinwegflogen. Das behauptet jedenfalls
Verteidigungsminister Jung (CDU).
G8: Polizeigewerkschaft kritisiert Einsatz
Die Polizeigewerkschaft hat sich entsetzt über das Vorgehen bei
Anti-G8-Demos gezeigt. Äußerungen des Kavala-Sprechers seien "zynisch".
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.