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# taz.de -- Zum Tod von Jean-Paul Belmondo: Furchtlose Großartigkeit
> Er ließ den gefühllosen Macho-Protagonisten der 50er- und 60er-Jahre
> hinter sich. Nun ist der französische Schauspieler Jean-Paul Belmondo
> gestorben.
Bild: Charmeur, Antiheld und Jean-Paul Belmondo
Berlin taz | Das geht ja gut los: Adrien (Belmondo), jung, dreist,
braungebrannt, die dicke Zigarre im Mund deutet (gegenüber den Kumpels mit
den dürren Glimmstengeln) auf eine gewisse Virilität hin, wird Zeuge der
Entführung einer Frau. Er reißt das Fenster auf, springt auf die Straße,
wirft einen Blick auf ein herrenloses Motorrad, und ist eine Sekunde später
losgebraust, zum „Abenteuer in Rio“.
Philippe de Brocas Actionkomödie aus dem Jahr 1964 zeigte die furchtlose
Großartigkeit von Jean-Paul Belmondo, [1][der am Montag im Alter von 88
Jahren starb]. Als Frauen- und Männerheld gleichermaßen kreierte der
französische Schauspieler, Produzent und Theaterintendant in seiner über
50jährigen Karriere eine neue Film-Persona, die den kühlen und gefühllosen
Macho-Protagonisten der 50er- und 60er-Jahre-Actionfilme hinter sich ließ,
und in Richtung eines jungen, seelen- und humorvollen, stürmischen
Liebhabers ging.
Als eins von drei Kindern einer Künstler:innenfamilie (seine Eltern,
ein Bildhauer und eine Malerin, hatten sich beim Kunststudium in Paris
kennengelernt), stopfte der junge Belmondo seine ausufernde Dynamik
zunächst in den Sport. Mit 15 sah er das erste Theaterstück, mit 16,
während einer Tuberkulose-Erkrankung, die ihn eine Weile lahmlegte,
entschied er sich, Schauspieler zu werden.
Nach Theater- und Film-Nebenrollen, unter anderem in einem Kurzfilm von
Jean-Luc Godard, spielte er 1960 die Rolle seines Lebens, die nicht nur
ihn, sondern auch den französischen Film prägte: Godard besetzte ihn in
seinem ikonischen Nouvelle Vague-Lehrstück „À bout de souffle“ (Außer At…
neben Jean Seberg. Und inszenierte bereits all die Talente, für die
Belmondo später stand: Humor, der sich in einer fast slapstickhaften,
unbekümmerten Körperlichkeit ausdrückte, entspannte Männlichkeit, Tempo.
Selbst das permanente Rauchen, das heute als Zeichen einer körperlichen
Schwäche gilt, sah bei Belmondo (wenn nicht bei allem Französ:innen) stets
wie ein Zeichen von Lebenslust aus, nicht wie eine Sucht.
## In Erinnerung bleiben vor allem seine Lippen
Wie vor ihm James Dean stand er symptomatisch für eine neue Generation von
Schauspieler:innen, die sich weder mit den Werten, noch mit dem Stil der
Älteren identifizierten. Er spielte für Louis Malle, Claude Lelouch und
Truffaut, neben David Niven 1969 in der großartigen Caper-Komödie „The
Brain“, und neben Alain Delon, mit dem er sich später um die Gage fetzte.
Durch die ganzen 70er fetzte er sich zudem in meist französischen
Actionfilmen, in den 80ern begann er mit unterschiedlichem Erfolg Filme zu
produzieren, und litt etwas unter der – seiner Ansicht nach – zu verkopften
französischen Filmbranche, die Action weniger goutierte als storylastige
Dramen.
Seine Frauen und Freundinnen kamen (wenig überraschend) aus der Branche,
waren Schauspielerinnen wie Ursula Andress, Tänzerinnen wie seine erste
Frau und Mutter seiner drei Kinder Elodie Constantin, oder die 30 Jahre
jüngere Natty Tardivel, die 2003 sein viertes Kind gebar.
Dass er sich am Ende nach einem Unfall und einem Schlaganfall kaum noch
bewegen konnte, muss ihn schwer gequält haben. In Erinnerung bleiben vor
allem seine Lippen, über die er in „Außer Atem“ selbstvergessen streicht,
während er an seine Freundin denkt: Sehnsucht und Feuer in einer einzigen
Geste.
7 Sep 2021
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[1] /Franzoesischer-Schauspieler-gestorben/!5799330
## AUTOREN
Jenni Zylka
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