# taz.de -- Kanzlerinrede im Bundestag: Merkel wieder CDU-Generalsekretärin | |
> Mit absurden Vorwürfen gegen den SPD-Spitzenkandidaten versucht die | |
> Kanzlerin, Laschet Auftrieb zu verschaffen. Damit polarisiert sie den | |
> Wahlkampf. | |
Bild: Angela Merkel am Dienstag im Bundestag | |
Man musste zweimal hinschauen am Dienstag im Bundestag, aber ja, es war | |
wirklich [1][Angela Merkel], die da am Rednerpult stand. Allerdings eine | |
ganz andere Angela Merkel als in den letzten 16 Jahren. Auf einmal sprach | |
da nicht mehr eine Bundeskanzlerin, die stets besonnen bis betulich über | |
die Lage der Nation und ihre kleinteiligen Kompromisse referierte, sondern | |
eine polemische Wahlkämpferin, die sich anhörte wie die | |
CDU-Generalsekretärin Angela Merkel 1999. | |
Statt sich öffentlich neutral herauszuhalten, wie sie es noch beim | |
[2][unionsinternen Duell] zwischen Armin Laschet und Markus Söder getan | |
hatte, ging Merkel jetzt rhetorisch in die Vollen und stahl damit allen | |
aktuellen Kanzlerkandidat:innen die Show. Ohne Rücksicht auf Verluste | |
für ihren Ruf als seriöse Weltenlenkerin. Und ohne Rücksicht auf Olaf | |
Scholz, also jenen Mann, der ihr lange brav bis treudoof gedient hatte. | |
Wider besseres Wissen tat Merkel so, als habe ihr amtierender Vizekanzler | |
mit seinem verunglückten Spruch von den „Versuchskaninchen“ die | |
Impfkampagne sabotieren wollen. Das ist absurd, weil er das Gegenteil im | |
Sinn hatte, und weit unter Merkels gewohntem Niveau, ließe sich aber noch | |
abhaken als dreiste Stichelei. Oder als Notwehr gegen die schleimigen | |
Merkel-Kopie-Versuche des SPD-Kandidaten, der mit ihrer Raute posiert. | |
Wirklich bemerkenswert aber ist, mit welcher Verve die Kanzlerin bei einer | |
Rede im Bundestag die [3][Rote-Socken-Kampagne] ihrer Partei gegen ein | |
vermeintlich drohendes Linksbündnis mit Scholz an der Spitze anfeuert. Wie | |
ein CSU-Aschermittwochsredner im Bierzelt malte Merkel eine finstere | |
Zukunft an die Wand, in der die deutsche Wirtschaft und die Arbeitsplätze | |
in Gefahr gerieten, wenn Scholz eine linke 6-Prozent-Partei an den | |
Kabinettstisch ließe, was dieser erkennbar gar nicht möchte. | |
Damit fällt Merkel nicht nur aus der Rolle, die sie sich selbst gegeben | |
hatte. Sie trägt auch dazu bei, dass der Wahlkampf noch polarisierter wird, | |
dass er sich noch weniger ums Klima und noch mehr um den vermeintlich | |
drohenden Kommunismus drehen wird. Ob Merkels Rückverwandlung zur | |
Parteipolitikerin der Union am Ende hilft, hängt davon ab, wie die | |
Wähler:innen diesen Auftritt wahrnehmen: | |
Als Panikattacke einer CDU-Kanzlerin, die sich nicht mit einer krachenden | |
Niederlage ihrer Partei aus dem Amt verabschieden möchte. Oder als | |
glaubwürdige Intervention einer Antisozialistin, die sich wirklich Sorgen | |
macht und geprägt von leidvoller eigener Erfahrung vor der | |
SED-Nachfolgepartei warnt. Ihr nettes Image als über den Dingen schwebende, | |
unideologische Pragmatikerin ist sie jetzt auf jeden Fall los. | |
7 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
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