# taz.de -- Wahlkreis der Kanzlerin: Die Wahlheimat | |
> Auf Rügen begann vor 31 Jahren Angela Merkels politische Karriere. Hier | |
> gewann sie achtmal ihr Bundestagsmandat. Zu Besuch bei | |
> Weggefährt:innen. | |
Bild: 1990 machte Angela Merkel zum ersten Mal Wahlkampf auf Rügen – und es … | |
Angela Merkel startet ihre politische Karriere mit einem geschickten | |
Schachzug. Als neues Mitglied der CDU sucht sie im Sommer 1990 nach einem | |
Wahlkreis, der ihr bei der ersten Bundestagswahl im wiedervereinigten | |
Deutschland ein Direktmandat im Bundestag verschaffen kann. Ihren Weg in | |
die Politik hat die Physikerin als Pressesprecherin des Demokratischen | |
Aufbruchs begonnen, der dann in der CDU aufging, dann ist sie | |
stellvertretende Regierungssprecherin der letzten Regierung der DDR | |
geworden. Sie ist 36 Jahre alt. | |
[1][Angela Merkel] ist auf Anraten des damaligen CDU-Landesvorsitzenden von | |
Mecklenburg-Vorpommern in den Nordosten gekommen. Im Kreisverband Grimmen | |
rechnet sie sich Chancen für eine Kandidatur aus. Im dazugehörigen | |
Wahlkreis an der Küste soll Ende August in einer Abstimmung zwischen drei | |
zerstrittenen CDU-Kreisverbänden – Grimmen, Stralsund und Rügen – | |
entschieden werden, wer als CDU-Direktkandidat:in antritt. Am Vorabend des | |
Wahltages hat sich Merkel einer Handvoll CDUlern des Kreisverbands Rügen im | |
Hobbykeller eines Bergener Einfamilienhauses vorgestellt. Denn jede Stimme | |
zählt. Der Wahlkrimi in Prora auf Rügen – er beginnt pünktlich um 18 Uhr. | |
31 Jahre ist das nun her und im Wahlkreis 15 Vorpommern-Rügen – | |
Vorpommern-Greifswald trifft man viele Leute, die eine eigene | |
Angela-Merkel-Geschichte vorweisen können, nun, [2][da sich ihre Karriere | |
in Berlin dem Ende zuneigt]. Oft sind es heitere Erzählungen, voller Stolz, | |
selten mit kritischen Tönen. So berichten ehemalige | |
Lokalpolitiker:innen von jener Wahlnacht, erinnern sich | |
Lokaljournalist:innen an Ortstermine mit der Familien- und | |
Umweltministerin und späteren Bundeskanzlerin, die sich auch nach Jahren an | |
ihre Namen erinnerte. Andere sangen bei Schietwetter Matrosenlieder für sie | |
und den französischen Präsidenten François Hollande. Wieder andere saßen | |
mit ihr und US-Präsident Georg W. Bush am Spanferkelgrill in | |
Trinwillershagen. Einer versorgt sie und ihren Mann Joachim Sauer zu | |
Weihnachten mit einer Festtagsgans. Merkels Patenpinguin Alexandra, der auf | |
dem Dach des Ozeaneums in der Hansestadt Stralsund lebt, bekommt hin und | |
wieder Sprotten von ihr. | |
In ihrem Wahlkreis an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns, den Angela Merkel | |
achtmal in Folge seit 1990 gewonnen hat, wirkt die mächtigste Frau der Welt | |
viel nahbarer als in der Hauptstadt, gut drei Autostunden entfernt. Sie | |
selbst spricht von „ihrer politischen Heimat“. Doch was heißt das | |
eigentlich? Und hat die Wahlkreisabgeordnete die Erwartungen der | |
Küstenbewohner:innen, die sie 31 Jahre lang im Bundestag vertrat, erfüllt? | |
Welche Lücke hinterlässt sie? | |
## Entscheidung nach Mitternacht | |
Andrea Köster war bei jener Wahlnacht in Prora dabei. Die CDU-Politikerin, | |
die von 1991 bis 2015 Bürgermeisterin von Rügens Inselhauptstadt Bergen | |
war, gehörte zur Truppe jener CDUler:innen, die Merkel damals im | |
Hobbykeller des Einfamilienhauses traf. Dort hatte man sich zum | |
Kennenlernen mit Merkel verabredet, um bestenfalls die Wahl des | |
Direktkandidaten des Rügener Kreisverbands – „ein Endsechziger aus | |
Oldenburg mit dem Auftreten eines Bankangestellten“ – zu verhindern. „Was | |
für eine Frau“, habe sie damals gedacht, erinnert sich Köster, „die traut | |
sich etwas zu.“ | |
Der Wahltag ist am 27. August 1990. Die Kreisverbände treffen sich im „Haus | |
der Armee“, einer Offiziershochschule der NVA, nur wenige Meter vom | |
Ostseestrand entfernt. Ein historisch stark vorbelasteter Ort: In den | |
dreißiger Jahren beginnen die Nazis den Bau des kilometerlangen | |
Erholungsheims „Kraft durch Freude“ im Auftrag Adolf Hitlers, in der DDR | |
war die Ruine militärisches Sperrgebiet. | |
Das Treffen beginnt mit Verwirrung. Denn nach dem Mauerfall ist für die | |
DDR-Bürger:innen das demokratische Wahlprozedere völlig neu, zunächst wird | |
eine Stimmzählkommission gebildet. Das dauert. | |
Die Mitglieder der drei Kreisverbände haben – jede Gruppe für sich – auf | |
langen Bierbänken Platz genommen. Etwas abseits sitzt Angela Merkel. Auf | |
der Bühne des Saals stellen sich die drei Kandidat:innen nacheinander | |
vor. Als der erste Wahlgang ausgezählt wird, ist die Dämmerung längst | |
angebrochen. Doch kann keiner der Kandidat:innen die absolute Mehrheit | |
gewinnen. Der von den Stralsundern aufgestellte Kandidat aus Kaiserslautern | |
scheidet aus. Stichwahl. | |
Nun kommen, so erzählt es Andrea Köster, die Rüganer:innen aus dem | |
Hobbykeller zum Zug. In Einzelgesprächen versuchen sie die Kolleg:innen | |
ihres Kreisverbands von der Brandenburgerin aus Templin zu überzeugen. Und | |
weil es spät geworden ist und ihr gemieteter Reisebus zurückgebracht werden | |
muss, brechen die Stralsunder eilig auf – noch bevor die Stichwahl begonnen | |
hat. Auch einige Rüganer:innen verlassen genervt die Veranstaltung, da | |
sie sich derart in die Länge zieht. Erst nach Mitternacht wird der zweite | |
und entscheidende Wahlgang ausgezählt. Um 1.30 Uhr wird Angela Merkel mit | |
13 Stimmen Vorsprung zur Direktkandidatin gekürt. Der Grundstein ihrer | |
politischen Karriere ist gelegt. Auch lässt sich hier wohl eines ihrer | |
späteren Erfolgsrezepte erahnen. Merkel ist international für ihre Ausdauer | |
bei zähen Verhandlungen bekannt. | |
„Ich habe von Anfang an für Frau Merkel gestimmt“, sagt Andrea Köster, 61 | |
Jahre alt, kurze blonde Haaren, filigranes Brillengestell. Sie empfängt in | |
einem Einfamilienhaus mit bunt gestrichenen Wänden, in dem sie zur Miete | |
wohnt. Immer an ihrer Seite sind Taifun und Orphelia, zwei Bulldoggen. | |
Ob die Stimmen der fünf CDUler:innen aus dem Hobbykeller damals das | |
Zünglein an der Waage waren, könne sie nicht sagen, sagt Köster. Das | |
Entscheidende war, sagt sie, „dass dort eine hochintelligente junge Frau | |
war, die mutig da reinmarschiert ist.“ Maßgeblich für jede politische | |
Karriere sei der Wille. Bei Angela Merkel habe man diesen Willen von Anfang | |
an gespürt. | |
Auf Rügen heißt es, Andrea Köster und Angela Merkel seien Freundinnen. | |
Darauf angesprochen reagiert Köster zurückhaltend. Könne man von einer | |
Bundeskanzlerin, die täglich auf der weltpolitischen Bühne unterwegs ist, | |
wirklich eine Freundschaft erwarten? Doch habe die Verbindung von Merkel zu | |
ihnen im Rügener Kreisverband etwas Familiäres, sagt sie. Sie hoffe, dass | |
die Beziehung wieder enger wird, wenn Merkel nicht mehr Bundeskanzlerin | |
ist. | |
Die beiden Frauen begleiteten sich entlang ihrer politischen Karrieren. So | |
gehörte Andrea Köster zum erlauchten Kreis um Merkels Familie und ihre | |
engsten Vertrauten, wie Friede Springer, die dreimal zur Kanzlerinnenwahl | |
in den Bundestag eingeladen wurden. In Merkels Zeit als Umweltministerin | |
realisierten die Frauen gemeinsam Renaturierungsprojekte, die | |
Feuersteinfelder auf Rügen etwa. Köster gehörte zur Initiativgruppe A 20 | |
für den Bau des Ostseeautobahn-Zubringers nach Rügen und begleitete Merkel | |
auch bei der Einweihung der imposanten Rügenbrücke – beides Herzensprojekte | |
der Kanzlerin. Schließlich unterstützte sie sie gemeinsam mit | |
Parteikolleg:innen bei all ihren Bundestagswahlkämpfen. Angela Merkel | |
wiederum war „immer da“, wenn Köster in den Wahlkampf für das | |
Bürgermeisteramt zog, sie stand ihr auch zur Seite, als Kösters Ehe vor ein | |
paar Jahren zerbrach. | |
Groß verändert habe sich Angela Merkel in all den Jahren nicht, sagt Andrea | |
Köster. Sie sei die aufrechte, unkomplizierte Frau geblieben, | |
wahrscheinlich passe sie gerade deshalb so gut zu den Norddeutschen, „die | |
eher so ein bisschen hinterm Berg halten“. Auf die Frage nach Merkels | |
ostdeutscher Herkunft, den ungleichen Lebensverhältnissen im Land, sagt | |
Köster: „Sie hat nicht auf Ost und West abgehoben, sondern auf Heimat und | |
die Menschen, die hier leben.“ Aber reicht das, um der Küstenregion und | |
ihren Bewohner:innen gerecht zu werden? | |
Denn trotz boomenden Sommertourismus geht es dem Flächenland durchwachsen. | |
Rund jeder Fünfte im Nordosten ist von Armut bedroht, die Arbeitslosenquote | |
lag im August 2021 mit 7,1 Prozent leicht über dem Bundesdurchschnitt. Die | |
Schiffswerften, früher Wirtschaftsmotor der Region, befinden sich in der | |
Dauerkrise und auch der Küstenfischerei machen immer strengere Fischquoten | |
[3][und die Wiederansiedlung der Kegelrobbe] zu schaffen. Vielerorts fehlt | |
es an Post- und Bankfilialen, manch eine:r muss für einen Termin beim Amt | |
mehr als 50 Kilometer zurücklegen und auch der Bus fährt viel zu selten. | |
Viele der Bürger:innen im Land haben die typische Nachwende-aufbahn von | |
der Umschulungs- zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur Arbeitslosigkeit und | |
wieder zurück absolviert. Noch immer ziehen Glücksritter auf der Suche nach | |
Äckern und Wiesen durchs Land, Investoren auf der Suche nach Grundstücken | |
für Immobilien. Bei vielen Menschen herrscht Politikverdrossenheit, ein | |
Ohnmachtsgefühl gegen „die da oben“. Und so verwundert es wohl weniger, | |
dass die AfD in den Kreistagen und im Landtag sitzt und laut Umfragen zur | |
Landtagswahl am 26. September bei 17 Prozent liegt. | |
Andrea Köster will da keinen Zusammenhang zu ihrer Wahlkreisabgeordneten | |
herstellen: Als Kanzlerin im Krisenmodus habe Merkel sich nicht mehr bis | |
ins kleinste Detail um all diese Dinge kümmern können, sagt sie. „Das kann | |
kein Mensch.“ Auch andere lokale Akteur:innen finden kaum ein kritisches | |
Wort und erzählen stattdessen fast ehrfürchtig, dass die Ministerin und | |
spätere Bundeskanzlerin hier als „normale Bundestagsabgeordnete“ | |
aufgetreten sei. Sie habe regelmäßig Termine vor Ort abgehalten, sich nach | |
den Sorgen in der Region erkundigt oder selbst zum Telefonhörer gegriffen, | |
etwa um die Forderungen des Bauernverbandes aufzunehmen oder der Feuerwehr | |
für den Einsatz während der Coronapandemie zu danken. Immer wieder habe sie | |
ihre Netzwerke für die Region in Kraft gesetzt, EU- und | |
Bundesfördermittelanträge auf den Weg gebracht, internationale Staatsgäste | |
in den Norden eingeladen und das platte Land mit den Seen, Wäldern und der | |
Küste weltweit bekannt gemacht. | |
## Grillparty mit Bush | |
Köster zeigt eine handsignierte Fotografie: „To the Honorable Andrea | |
Köster. With best wishes, George Bush“, steht darauf geschrieben. Im Sommer | |
2006 kam US-Präsident George W. Bush zum Wildschweinessen nach | |
Trinwillershagen, einem Dorf mit gut 1.000 Einwohner:innen zwischen | |
Stralsund und Rostock. In der Kritik stand „die teuerste Grillparty der | |
Welt“ damals wegen der millionenhohen Kosten für den immensen | |
Sicherheitsaufwand. | |
Auf dem Bild steht Andrea Köster neben dem lächelnden US-Präsidenten, der | |
leger im karierten Hemd gekleidet die Hände um eine geschnitzte | |
Seeadlerskulptur legt, Kösters Gastgeschenk. Darüber habe sich der | |
US-Präsident so sehr gefreut, dass er auf das Protokoll pfiff und vom Tisch | |
aufsprang, um es in Empfang zu nehmen. Was Köster damals nicht wusste: | |
Bushs Farm in Texas gehörte einst einer deutschen Familie Engel. Aus Engel | |
wurde Eagle, Adler – das Gastgeschenk ein Volltreffer. Köster erinnert sich | |
auch gerne an die ungezwungene Unterhaltung mit dem Präsidentenpaar am | |
Tisch der Kanzlerin. | |
„Nicht so lang schlafen“, hatte Hans-Joachim Bull am Telefon gesagt und die | |
Verabredung zum Gespräch in Lobbe auf der Halbinsel Mönchgut im Südosten | |
Rügens auf den frühen Morgen gelegt. 160 Menschen wohnen hier, nicht weit | |
vom Strand entfernt. | |
Bull nennen im Dorf alle nur „Acki“, er ist 64 Jahre alt und lebt mit | |
seiner Frau, den beiden Söhnen und deren Familien auf einem Hof mit | |
reetgedeckten Häusern. Auf dem massiven Küchentisch liegen | |
Zeitungsausschnitte ausgebreitet. Sie zeigen Angela Merkel mit kurzen | |
Haaren im Kreise bärtiger Fischer, das Schnapsglas in der Hand. Auf ihrer | |
Wahlkampftour im November 1990 hatte die junge Merkel die Fischer | |
getroffen. Das Foto mit dem vom Sonnenlicht durchfluteten Schuppen und den | |
rauchenden Fischern in blauen Latzhosen ging um die Welt. Und mit ihm Acki | |
Bull, der – heute wie damals – Latzhose und Schiebermütze trägt. | |
„Mit der konnste reden“, erinnert sich Bull an seine erste Begegnung mit | |
Angela Merkel. Er ist der einzige der fünf Männer auf dem Bild, der noch | |
davon erzählt. Drei sind längst verstorben und einer bleibt lieber für | |
sich. Sie seien damals vom Wasser gekommen, sagt Bull, Aalfischerei, da | |
stand die junge Frau vor ihnen, stellte sich als Kandidatin vor und fragte, | |
ob sie sich mal mit ihnen unterhalten könne. Konnte sie – aber natürlich | |
musste sie auch Schnaps trinken. | |
Die Fischer und die Frau sprachen, auch über den lohnenden Heringsfang. In | |
der DDR brachte die Tonne 800 Mark, Quoten gab es nicht. Fischer waren | |
damals die reichsten Küstenbewohner, geräucherter Aal war eine harte | |
Währung in der Mangelwirtschaft. Anderthalb Stunden war sie da und „drei | |
hat sie wohl genommen“, sagt Bull. Drei Schnäpse. „Das war dann nachher | |
schon genug.“ | |
Bei den Bundestagswahlen 1990 habe er dann CDU gewählt, sagt Bull, jedoch | |
nie damit gerechnet, dass Angela Merkel eines Tages Bundeskanzlerin werde. | |
Sowieso: „Es hat uns ja nichts gebracht.“ Er klingt enttäuscht von Merkel. | |
Denn in den Jahren nach der Wende krankt die Küstenfischerei. Auch Acki | |
Bull muss seinen Traumberuf – das selbstbestimmte Leben auf See, die gute | |
Kameradschaft – 1997 aufgeben. Sein Vater, mit dem er zuvor fischte, | |
erkrankt schwer, seine Söhne wollen kochen und klempnern und auch sonst | |
findet sich kein zweiter Mann an Bord. | |
Heute, sagt Bull, könne kaum ein Küstenfischer mehr seine Familie ernähren. | |
Durchschnittlich sieben Tonnen Hering pro Jahr dürfen die Kutter auf | |
Mönchgut derzeit einholen, der Preis pro Kilogramm liegt bei 60 Cent. „Und | |
dann diese Vögel.“ Bull ist verärgert, wenn er von der Politik spricht und | |
besonders verärgert ist er über die Grünen: „Die setzen die Robben hier | |
noch aus und streicheln Kormorane.“ Seit ein paar Jahren müssen die | |
Küstenfischer vom Greifswalder Bodden ihre vollen Netze nicht mehr nur | |
gegen die Europäische Union verteidigen. Das Handwerk stirbt aus, am Lobber | |
Strand liegen heute keine Boote mehr. Deshalb schreiben einige Fischer | |
Mönchguts in den Nullerjahren einen Brief an Angela Merkel und erklären | |
darin, dass die sinkenden Quoten ihr Auskommen fast unmöglich machen. Bull | |
arbeitet da schon als Hausmeister in einer Nachbargemeinde, heute ist er in | |
Invalidenrente. | |
Im Jahr 2009 kommt Merkel wieder zu den Fischern von damals, wieder ist sie | |
auf Stimmenfang. Doch gibt es im Dorf längst keine Fischer mehr. Auch der | |
alte Schuppen am Strand ist leer geräumt und modert vor sich hin. Bull und | |
sein Fischerfreund haben vor dem Besuch der Kanzlerin eine Plane auf das | |
Dach der Hütte gelegt, damit es nicht reinregnet. Für ein Foto setzen sie | |
sich ein zweites Mal zusammen. Das Foto zeigt die lächelnde | |
Bundeskanzlerin, nun mit Föhnfrisur und hellbraunem Blazer, daneben die | |
Männer mit Schiebermütze und Karohemd vor einer mit Graffiti beschmierten | |
Wand. Die Wiederauflage der berühmten Fotografie, doch irgendetwas passt | |
nicht ins Bild. | |
„So haben wir nicht gesessen“, sagt Bull und deutet auf die schwarzen | |
Büromöbel auf dem Foto. „Die Tische und Stühle haben die mit dem Lkw | |
mitgebracht.“ Der zweite Wahlkampfbesuch der Kanzlerin in Lobbe ist eine | |
mediale Inszenierung. Und der Fischerschuppen wird später abgerissen. | |
Aber so einfach lassen die Mönchguter Fischer die Kanzlerin nicht | |
davonkommen. Später im Lobber Strandhotel spricht Bull Angela Merkel auf | |
den Brief an. „Frau Merkel, hören Sie mal zu“, sagte er, „die Kollegen | |
haben einen Brief geschrieben und keine Antwort erhalten. Ich nehme an, ihr | |
Pförtner hat den Brief durch den Schredder gejagt.“ Angela Merkel reagiert | |
leicht empört, erinnert sich Bull. | |
Für die Fischer sei die Sache damit erledigt gewesen. Einige Fischer sagten | |
damals, die komme nur zum Wahlkampf her. Andererseits habe sie ihnen auch | |
nie etwas versprochen. „Sie war eben clever“, sagt Bull und findet noch ein | |
paar versöhnliche Worte. „Ich nehme an, sie konnte da nichts machen.“ | |
Menschlich wolle er ohnehin nichts auf sie kommen lassen. | |
Wenn Merkel noch mal kandidieren würde, würde sie wieder hier herkommen, | |
glaubt Bull. Die Menschen auf Rügen, so scheint es, können sich Politik | |
ohne ihre Vertreterin in Berlin schwer vorstellen. Er schaut in Richtung | |
der Dünen. Aber wo sollte er sie dann empfangen? „Leider Gottes haben wir | |
ja keinen Schuppen mehr“, sagt er. | |
14 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Julia Boek | |
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