# taz.de -- Ausstellung über Asterix-Zeichner Uderzo: Wie ein Zaubertrank | |
> Im vergangenen Jahr starb Comiczeichner Albert Uderzo. Das Pariser Musée | |
> Maillol widmet dem Miterfinder von Asterix und Obelix nun eine Werkschau. | |
Bild: Der Meister des Zaubertranks Albert Uderzo | |
Vermutlich hatte sein Schöpfer das Gefühl, dass noch viel Potenzial in dem | |
korpulenten Gallier mit der Knollennase schlummerte, als er ihn in der Pose | |
von Auguste Rodins Skulptur „Denker“ zeichnete: düster sinnierend, in Stein | |
gehauen. Und auch Leonardo Da Vincis berühmte Zeichnung des | |
„Vitruvianischen Menschen“ war eine Steilvorlage für eine Obelix-Variation, | |
die ganz und gar nicht den klassischen Idealproportionen eines Mannes | |
entsprach, dafür aber umso mehr zum Lachen reizte. | |
Albert Uderzos visuelle Einfälle waren stets auf dem Punkt. In einzelnen | |
Illustrationen wie diesen bewies der Zeichner, dass er nahezu jeden Stil | |
imitieren konnte. Eine Kunstakademie hatte er nie besucht. Seine | |
Meisterschaft entfaltete er innerhalb der Neunten Kunst, der Bande | |
dessinée, wie der Comic in Frankreich heißt. | |
[1][Albert Uderzo, einer der Schöpfer von „Asterix“, verstarb am 24. März | |
2020] im Alter von 92 Jahren. Nun ehrt ihn das Pariser Musée Maillol mit | |
einer großen Werkschau, die, initiiert und kuratiert von Uderzos Frau Ada | |
und seiner Tochter Sylvie, die wichtigsten Stationen seiner Karriere | |
chronologisch aufzeigt und sein Werk in allen Facetten präsentiert. | |
Allein das Volumen der Schau ist beeindruckend: Über 300 Originalseiten, | |
Zeichnungen, Skizzen und Dokumente aus Familienbesitz, viele hier erstmals | |
zu sehen, werden auf zwei Etagen gezeigt. Der Titel der Ausstellung lautet | |
übersetzt „Wie ein Zaubertrank“ und ist laut Sylvie Uderzo so zu verstehen, | |
dass Uderzos Comics und sein Humor gerade in Pandemiezeiten die Wirkung | |
eines Zaubertranks entfalten. Aber auch die immense Kreativität Uderzos | |
ließe auf derlei „Dopingmittel“ schließen. | |
## Geboren in Frankreich als Kind italienischer Einwanderer | |
Der kleine Alberto wurde 1927 in Fismes im Nordosten Frankreichs geboren, | |
als eines von fünf Kindern italienischer Einwanderer. Der Legende nach | |
stammen seine Urahnen aus dem Ort Oderzo in Venezien. Mit dem Aufkommen von | |
Zeitschriften wie Le journal de Mickey begann der nun eingebürgerte Albert | |
sich für Comics zu begeistern und zu zeichnen. | |
Vor allem Micky Maus liebte er, ebenso Popeye, und die Trickfilme Disneys | |
wie „Schneewittchen“ (1938) zogen ihn in ihren Bann (wie auch seinen | |
späteren Freund und Kollegen René Goscinny). Als 13-Jähriger wohnte er im | |
11. Arrondissement von Paris, einem Einwandererviertel, in dem vor allem | |
Juden und Italiener lebten. | |
Sein älterer Bruder Bruno stellte ihm einen Verleger von Comicmagazinen | |
(Les Pieds Nickelés) vor, den Alberts Arbeitsproben überzeugten und der ihm | |
eine Ausbildung anbot. Uderzo brach die Schule ab und lernte im Verlag | |
alles Nötige für sein Handwerk, unter anderem Typografie. Der bekannte | |
Illustrator Calvo („Die Bestie ist tot“, 1944) wurde sein Mentor und | |
Lehrmeister. | |
Schon die Entwürfe zu ersten eigenen Figuren wie dem Clown „Stupido“ von | |
1941 verraten Alberts Kindheitstraum, der „Disney von der Rue de Montreuil“ | |
(Sylvie Uderzo) zu werden. Die Besatzungszeit verbrachte er bei seinem in | |
die Bretagne geflüchteten Bruder Bruno, wo er erstmals von Druiden hörte. | |
Der Ort und das Milieu von Widerständlern, so legt die Ausstellung nahe, | |
könnte bereits inspirierend gewirkt haben für Uderzos spätere | |
„Gallierkommune“. | |
## Mittelalterliche Helden und wahre Verbrechen | |
Im Jahr 1945 zurück in Paris, arbeitete Albert in der Geigenbauerwerkstatt | |
seines Vaters, gab aber das Comiczeichnen nie auf. Charaktere wie | |
„Clopinard“ entstanden, ein kleiner Wicht mit Holzbein, mit dem er einen | |
Comicwettbewerb gewann und erstmals veröffentlicht wurde. Bald ergaben sich | |
Gelegenheiten, neue Serien für die gerade boomenden Comicmagazine zu | |
kreieren. Für das Magazin OK! entwickelte er im Mittelalter angesiedelte | |
Comics wie „Prinz Rollin“ oder „Belloy“. „Arys Buck“ hatte einen kl… | |
Sidekick mit Flügelhelm, der [2][bereits Asterix] ähnelte. | |
Meist waren die Helden aber groß, blond und athletisch, Typ „Siegfried“. | |
Nach dem Militärdienst 1948 sah die Joblage für Uderzo schlecht aus und er | |
nahm eine Anstellung als Pressezeichner für France Dimanche an. So lernte | |
er das realistische Zeichnen und illustrierte unter anderem „wahre | |
Verbrechen“. Seine Zeichnungen kamen der Realität so nahe, dass er einmal | |
vor Gericht zitiert wurde. | |
Einzelne Blätter zeigen: Uderzo gab sein Bestes und schuf atmosphärisch | |
stimmige, naturalistische Illustrationen, die an Filmstills erinnern. | |
Nebenbei verschlang er Superheldenhefte und kreierte eigene „Übermenschen“ | |
für Magazine wie Capitaine Marvel Jr. oder Super Atomic Z. Dabei verblüffte | |
er mit „Joker“-ähnlichen Bösewichten und Actionszenen, in denen etwa der | |
Eiffelturm entzweibricht. Ein grafischer Unterschied zu US-Serien ist heute | |
kaum zu erkennen, so perfekt traf er deren Stil. | |
Anfang 1951 kam der entscheidende Karrieresprung, als Yvan Chéron, Chef | |
einer belgischen Agentur, Uderzos Talent entdeckte. Er brachte ihn mit | |
Zeichnern und Autoren aus Brüssel zusammen, wo der Comic bereits | |
etablierter war als in Frankreich und mehr Arbeitsmöglichkeiten bot. Durch | |
die „Belgium Connection“ lernte Uderzo im Herbst 51 auch René Goscinny | |
kennen, der gerade aus den USA kam. | |
## Von „Umpah-Pah“ zu „Asterix“ | |
Bald bildeten die beiden das Traumpaar des französischen Comics und | |
kreierten zahlreiche Serien, für die Goscinny die Texte und Uderzo die | |
Zeichenarbeit übernahm – darunter die Piratenserie „Pitt Pistol“. | |
Probeseiten der humorigen Indianerserie „Umpah-Pah“ schickten die beiden in | |
ihr Sehnsuchtsland USA – ohne Erfolg! Nachdem sie das Konzept | |
überarbeiteten und von der Gegenwart ins Amerika des 18. Jahrhunderts | |
verlegten, wurde „Umpah-Pah“ ein großer Erfolg in Frankreich und ein | |
direkter Vorläufer von „Asterix“. | |
Uderzo arbeitete auch mit dem Szenaristen Jean-Michel Charlier zusammen, | |
für dessen Fliegerserie „Tanguy und Laverdure“ er das Zeichnen von | |
Flugzeugen lernte und eigene Modelle des Ostblocks entwarf – denn die | |
echten durften in Zeiten des Kalten Kriegs nicht abgebildet werden. Obwohl | |
Uderzo auch diese Aufgabe meisterte, war der pure Realismus nicht sein | |
Steckenpferd – Karikaturen machten ihm mehr Spaß. Durch die Gründung des | |
Magazins Pilote im Jahr 1959 kam der große Erfolg mit „Asterix“. | |
Goscinny und Uderzo heckten die Idee innerhalb von zwei Stunden in der | |
engen Wohnung in Bobigny aus – einige Pastisschnäpse wirkten wohl als | |
Zaubertrank. | |
Das Konzept um das eigensinnige gallische Dorf im Konflikt mit den Römern | |
verband perfekt die historischen Interessen Goscinnys mit dem wandelbaren | |
Zeichentalent Uderzos. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich die Serie | |
zum weltweiten Megaseller. Nach dem Schock von Goscinnys Tod im Jahr 1977 | |
beschloss Uderzo erst nach zwei Jahren und durch die Beharrlichkeit seiner | |
Fans, die Serie fortzuführen. | |
## Ausstellung mit Fotos, Vorstudien und Originalseiten | |
Die Ausstellung veranschaulicht Uderzos spannende Entwicklung mit | |
zahlreichen Fotos, Originalseiten und Vorstudien, darunter seltene aus | |
„Umpah-Pah“ und „Tanguy und Laverdure“. Einen [3][Schwerpunkt bildet | |
Asterix]: In schwarz-weißer Fassung lässt sich besonders schön analysieren, | |
wie kunstvoll Uderzo seine Seiten aufbaute und mit welchem Perfektionismus | |
er die einzelnen Panels ausgestaltete – von aufwändigen Hintergründen, | |
filmischen Auflösungen bis hin zu ausgefeilt choreografierten Action- und | |
Prügelszenen. | |
Besonderen Wert legte Uderzo auf Typografie und Lettering: durch Variation | |
der Schriftgröße oder expressiv gestaltete Lettern werden Dialoge, Laute | |
oder kollektive Kriegsschreie visualisiert (bei Umpah-Pah: „Yakyakyak!“). | |
Wichtige Episodencharaktere lehnte Uderzo häufig an bekannte | |
Persönlichkeiten an, etwa Filmschauspieler wie Sean Connery (Agent | |
Nullnullsix in „Die Odyssee“) oder auch Politiker, wie den noch | |
nassforschen Jacques Chirac alias Technokratus in „Obelix GmbH & Co. KG“ | |
(1976), der das Dorf in den Kapitalismus stürzen und damit zerstören will. | |
Neben Auguste Rodin verehrte Uderzo auch Frankreichs bedeutendsten | |
Karikaturisten des 19. Jahrhunderts, Honoré Daumier. | |
Es ist sicher nicht vermessen, Uderzo als dessen legitimen Erben zu | |
bezeichnen – obendrein wurde er der Schöpfer einiger unsterblicher | |
Charaktere. Die Ausstellung macht die enorme Vielseitigkeit dieses großen | |
Comicinnovators deutlich. Sie überzeugt mit ihrer exquisiten Auswahl an | |
Originalen, pointierten Erklärungen (nur auf französisch), Filmdokus und | |
einer Masse an Zeichnungen, deren Klasse immer wieder aufblitzt. | |
6 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ralph Trommer | |
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