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# taz.de -- Werkschau des Comiczeichners Mawil: Weitreisende Bildgeschichten
> Ist er nicht der zeichnende Chronist Berlins? Eine Werkschau in der
> Galerie Neurotitan bringt alte und neue Helden Mawils zusammen.
Bild: Doppelseite aus dem Bilderbuch „Mauer Leiter Bauarbeiter“
„Super Lumpi“ ist ein ganz normaler Jugendlicher, der morgens aufsteht,
sich wäscht, anzieht, und dann plötzlich ratlos verharrt und feststellt:
„Mir ist langweilig!“
Die „Super Lumpi“- Strips sind die ersten autobiographisch inspirierten
Comics des [1][Berliner Comiczeichners Mawil,] sie entstanden 1996 und ´97.
Sie sind noch nicht auf Anhieb als „Mawils“ zu erkennen, sein Stil hat sich
erst etwas später verfestigt. „Langweilig“ sind Mawils Comics jedoch nie.
In der Galerie Neurotitan in Berlin ist nun eine umfangreiche Schau zu
sehen, in der der 1976 in Ostberlin geborene Markus Witzel, der sich ab
1995 Mawil nennt, sein 30jähriges Schaffen Revue passieren lässt. Er gehört
heute zu den erfolgreichsten deutschen Zeichnern. Der leicht abgerockte
Charme der Galerie passt bestens zu seinen spontan und locker wirkenden
Zeichnungen, die fast jeden freien Fleck der Wände bedecken – gerahmt und
gehängt, zum Teil auch einfach nur mit Tesafilm befestigt.
Die frühe Liebe zum Medium führte zu ersten, krakeligen Kindercomics. Von
ersten Veröffentlichungen in Fanzines wie „Karandasch Kaoten Komiks“ oder
„Epidermophytie“ liegen einige Exemplare aus. Während Mawils Studiums an
der Kunsthochschule Weissensee von 1997-2003 entstanden dann
professionellere, längere Comics wie „Strand-Safari“, in der sein
bekanntestes Alter Ego „Super Hasi“ erstmals auftrat, ein kleiner,
bebrillter Hase.
## Alltag im tragikomischen Erzählton
„Wir können ja Freunde bleiben“ wurde seine Abschlussarbeit, eine für den
Zeichner schon typische Alltagserzählung in tragikomischem Erzählton. In
den Graphic Novels „Die Band“, „Meister Lampe“ und „Action Sorgenkind…
perfektionierte er seinen Stil. Mawil erweist sich bis heute als
experimentierfreudiger Zeichner.
Für die im Tagesspiegel veröffentlichten Sonntagscomics zeichnete er Strips
in wechselnden Stilen und Techniken, probierte Erzählweisen aus und blieb
doch immer klar erkennbar. Diese Einseiter erschienen später als Album „The
Singles Collection“ im LP-Format. Dabei fällt auf, dass Musik ein
bevorzugtes Motiv darstellt, wenn Mawil Plattencover entwirft oder
klassische Albenmotive in seinem Stil nachzeichnet – der Berliner Zeichner
spielt seit seiner Jugend in verschiedenen Bands mit und macht
Musikaufnahmen.
Der künstlerische Durchbruch und größte Erfolg war „Kinderland“. 2013
erschienen, handelt es, gezeichnet im leicht überzeichneten Cartoon-Stil
Mawils, vom [2][Schüler Mirco Watzke in Ost-Berlin] im Sommer ´89, kurz vor
der Wende. Dafür erhielt er den Max und Moritz-Preis als „Bester
deutschsprachiger Zeichner“ 2014, und zahlreiche Übersetzungen machten die
berührende wie humorvolle Graphic Novel u.a. in Frankreich, Russland oder
Südkorea populär.
## Gast bei Lucky Luke
Als einer der ersten deutschen Zeichner durfte er dann 2019 eine populäre
frankobelgische Figur zeichnen, in der [3][Hommage „Lucky Luke sattelt
um“], in der der coole Titelheld von seinem Pferd Jolly Jumper aufs Fahrrad
umsteigt. Wie so oft ließ der leidenschaftliche Radfahrer Mawil hier
Autobiografisches einfließen. Neben den fertigen Comics sind zahlreiche
Vorzeichnungen, Szenarios und Figurenentwürfe bei neurotitan zu bewundern,
die die Entstehungsprozesse der längeren Comics anschaulich machen.
Waren frühere Geschichten noch mit Bleistift und Füller oder Fineliner
gezeichnet, zeichnet Mawil seit rund zwei Jahren fast ausschließlich
digital mit dem Tablet. Bei all der Vielfalt seiner Geschichten sei
erwähnt, dass Mawil sie stets auch selbst schreibt, und in die Dialoge und
Erzähltexte sehr viel Einfühlungsvermögen für seine liebenswerten Figuren
hineinlegt.
## Herausforderung Kinderbuch
Als Vater zweier kleiner Kinder ist seine neueste Herausforderung, eigene
Kinderbücher zu machen. Die gerade bei Reprodukt erschienenen kleinen
Bücher „Mauer Leiter Bauarbeiter“ und „Prinzessinnenpatrouille“ vermis…
geschickt Comic- und Bilderbuchelemente und handeln von männlichen
Malochern und einem Prinzessinnentrio, das eine supergeheime Werkstatt hat.
Dabei werden Geschlechterrollen auf spielerische Weise klug hinterfragt.
Betrachtet man seine Comics in der Gesamtheit, kann man Mawil als
zeichnenden Chronisten Berlins bezeichnen, dem es gelingt, mit Leichtigkeit
und Humor ein unbeschwertes, jugendliches Lebensgefühl einzufangen. Erst
kürzlich hat Mawil den renommierten Wilhelm Busch-Preis erhalten.
Die Ausstellung wird komplettiert durch zahlreiche Plakate, Kartenspiele,
Malereien und andere Gimmicks wie eine „Peepshow“-Box mit Blick auf einen
gezeichneten Nacktbadestrand. Ergänzt wird die Schau durch einen kleinen
Raum, der dem 30 Jahre-Jubiläum von Mawils Hausverlag Reprodukt gewidmet
ist. In den nächsten Wochen finden dort Lesungen mit Mawil und anderen
Comiczeichnern statt.
12 Nov 2021
## LINKS
[1] /Mawil-ueber-Comicmachen-und-die-DDR/!5042598
[2] /Mawil-ueber-Comicmachen-und-die-DDR/!5042598
[3] /Hommage-an-Lucky-Luke/!5595073
## AUTOREN
Ralph Trommer
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