# taz.de -- Bild der Bundeswehr: Die Deutschen und ihre Armee | |
> Seit die Bundeswehr Afghanen aus Kabul rettete, werden die Soldaten als | |
> Helden verehrt. Und plötzlich sind alle Pazifisten. Irgendwie schräg. | |
Bild: Ende der Luftbrücke: Fallschirmjäger landeten am Donnerstag in Taschkent | |
Ich muss in diesen Tagen an Ali denken, mit dem ich zusammen Abitur gemacht | |
habe. In meinem Jahrgang gab es nur zwei Männer, damals eher Jungs, die | |
„zum Bund“ gingen und ihre Wehrpflicht absolvierten. Der eine wollte | |
eigentlich zur Polizei, war aber einmal zu oft beim Prügeln auf der | |
Reeperbahn erwischt worden, für die Bundeswehr reichte es noch. Der andere | |
war Ali. Seine Eltern waren aus Afghanistan nach Hamburg geflohen. Alle | |
anderen in der Stufe verweigerten den Wehrdienst oder ließen sich gleich | |
ausmustern, weil ihnen die Knie weh taten. So auch ich. | |
Ich habe keinen Kontakt mehr zu Ali. Aber ich frage mich, was er [1][vom | |
Bundeswehreinsatz] hält und von der Haltung der Deutschen zu ihrer Armee. | |
Die Bundeswehr war immer pfui für linke und liberale Deutsche. Man wollte | |
mit ihr nichts zu tun haben. Als im vergangenen Herbst entschieden wurde, | |
dass Soldaten in Uniform kostenlos Bahn fahren dürfen, wurde das als | |
Militarisierung des Alltags kritisiert. Jetzt hat sich das Bild der | |
Bundeswehr innerhalb weniger Tagen radikal gewandelt. Uniformen sieht man | |
nicht mehr nur im Zug, sondern auch im Fernsehen. | |
Bilder von Marines gehen um die Welt, die gerettete Babys im Arm halten. | |
Bundeswehroffiziere sitzen in Talkshows und zeigen, dass sie gelernt haben, | |
in klaren Sätzen zu sprechen, anders als die anderen in der Runde. Sie | |
erzählen, wie sie seit Monaten darum kämpfen, die Ortskräfte zu retten. Man | |
könnte heulen, wenn man das hört. | |
## Wie ein Resozialisierungsprogramm | |
Viele Medien sind auch gerührt und salutieren: Die Zeit interviewt | |
ganzseitig einen Generalleutnant a. D., und das ARD-Hauptstadtstudio | |
schlägt die Hacken zusammen: Der Bundeswehr gebühre Respekt, Dank, | |
Anerkennung. | |
Natürlich kann man Respekt vor der gefährlichen Evakuierung in Kabul haben. | |
Aber man muss auch daran erinnern, dass sie erst nötig wurde, weil die | |
Bundeswehr so lange in Afghanistan war. Und dass dieser Einsatz misslang, | |
daran hat die Bundeswehr ihren Anteil. Dass man Korruption nicht bekämpft, | |
aber Warlords gestärkt hat, dass Soldaten mit Schädeln posierten und | |
Zivilisten bombardiert haben. | |
Man muss daran erinnern, dass das KSK, das jetzt in spektakulären Einsätzen | |
mit Hubschraubern Menschen rettet, jene Spezialeinheit ist, die nach | |
rechtsradikalen Vorfällen hätte aufgelöst werden müssen. Es klingt wie ein | |
Resozialisierungsprogramm, dass ihr Befehl nun lautet, Flüchtlinge nach | |
Deutschland holen. | |
## Ignorieren, oder als Held verehren | |
In der Debatte über Afghanistan wird deutlich, wie widersprüchlich das Bild | |
der Deutschen von ihrer Armee ist. Soldaten können offenbar nur ignoriert | |
oder als Helden verehrt werden. Und ich erwische mich selbst dabei, dass | |
ich diese Soldaten im Fernsehen irgendwie gut finde und mir das unheimlich | |
ist. | |
Aber es gibt zum Glück noch eine zweite Veränderung in diesen Tagen, die in | |
einem gewissen Widerspruch zu der Heldengeschichte steht. Zwar steigt das | |
Ansehen der Soldaten wie nie seit Opa tot ist. Aber gleichzeitig tun | |
plötzlich viele so, als wären sie schon immer PazifistInnen gewesen. | |
Plötzlich scheint Konsens zu sein: Der Krieg in Afghanistan war ein Fehler. | |
Man kann sich kaum vorstellen, dass die nächste Bundesregierung in einen | |
solchen Krieg ziehen könnte. | |
Ich hoffe, dass die Uniformen bald wieder aus den Nachrichten verschwinden. | |
Dass von der Evakuierung nicht das Bild des heroischen Soldaten hängen | |
bleibt, sondern das Baby in seinem Arm, das von seinen Eltern getrennt | |
wurde. Und die Erkenntnis, dass sich mit Gewalt keine Demokratie | |
exportieren lässt. | |
29 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Bundeswehreinsatz/!t5019109 | |
## AUTOREN | |
Kersten Augustin | |
## TAGS | |
Kolumne Materie | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Bundeswehr | |
Pazifismus | |
GNS | |
Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Bundeswehr | |
Kolumne Materie | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Annalena Baerbock | |
Linkspartei | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bundeswehr-Einsatz gegen IS im Irak: Ampel berät ihr erstes Mandat | |
SPD, Grüne und FDP wollen den Einsatz der Bundeswehr im Irak um neun Monate | |
verlängern. Neu: Der syrische Luftraum ist nicht mehr Einsatzgebiet. | |
Klimabewegung und Radikalität: Brauchen wir eine grüne RAF? | |
Der Koalitionsvertrag enttäuscht, die Mobilisierung läuft schlecht. Sollte | |
sich die Klimabewegung radikalisieren? | |
Mutmaßliche Pläne für Söldnertruppe: Terrorverdacht gegen Ex-Soldaten | |
Die Bundesanwaltschaft hat zwei Männer festnehmen lassen, die wohl eine | |
Söldnertruppe aufbauen wollten. Der mutmaßliche Plan: in den Jemenkrieg | |
eingreifen. | |
Die Stimmung vor der Wahl: Sind wir eigentlich bescheuert? | |
Der Wahlkampf ist vorbei, und das vorherrschende Gefühl ist Ernüchterung. | |
Immerhin ist es jetzt wieder erlaubt, auf den Wähler zu schimpfen. | |
Abschalten im Urlaub: Mein Sommerloch, ein See | |
Mailzugang gekappt, Twitter-App gelöscht: In seinem Urlaub will unser | |
Kolumnist nichts mit Politik zu tun haben. Aber das klappt nicht so recht. | |
Problem im Journalismus: Und nun zum Wetter | |
Warum gab es in dieser Woche mehr Aufmerksamkeit für das vermeintliche | |
Plagiat von Annalena Baerbock als für die Klimakatastrophe? | |
Linkspartei am Ende: Wem die Stunde schlägt | |
Die Linkspartei steht in bundesweiten Umfragen bei 6 Prozent. Das ist die | |
Todeszone. Vielleicht ist es Zeit für etwas Neues? Eine Grabrede. |