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# taz.de -- Linkspartei am Ende: Wem die Stunde schlägt
> Die Linkspartei steht in bundesweiten Umfragen bei 6 Prozent. Das ist die
> Todeszone. Vielleicht ist es Zeit für etwas Neues? Eine Grabrede.
Bild: Wahlkampfstand der Linken in Berlin, 2017
Liebe Trauergemeinde, liebe Angehörige! Wir haben uns heute hier
versammelt, um Abschied zu nehmen. Abschied von der [1][Linkspartei].
Wieso, werden Sie jetzt sagen, die zuckt doch noch, schauen Sie, wie sie da
vorne im Sarg aufgebahrt liegt. Mag sein. Aber es ist an der Zeit, da jetzt
einen Deckel draufzumachen (einen, der auch hält, also keinen aus Berlin).
Damit die Trauerarbeit beginnen und bald etwas Neues entstehen kann.
Bei 6 Prozent liegt die Partei bundesweit in Umfragen, in der Todeszone.
[2][In Sachsen-Anhalt wird sie am Sonntag noch die Hälfte der Stimmen der
vorletzten Landtagswahl bekommen].
Es gab eine Zeit, sie ist gerade mal vier Jahre her, da wählten
Großstädter*innen gern die Linke. Sie eroberte Berlin-Neukölln,
Hamburg-Altona und verdoppelte sogar in Karlsruhe ihre Wählerstimmen. Bei
einer Umfrage unter taz-Mitarbeiter*innen gab damals die Hälfte an, die
Linke wählen zu wollen (Grüße an jene Genoss*innen, die die taz
[3][„Zentralorgan der Grünen“] nennen).
Vier Jahre später ist die alte Basis im Osten tot, und die neue wendet sich
ab. Nicht etwa, weil sich die Partei zu viel mit Gendersternchen
beschäftigt. Sondern weil sie nicht versteht, welche Stunde geschlagen hat.
In dieser Woche griff die Linke die Grünen wegen der banalen Feststellung
an, dass die Benzinpreise steigen werden. Das sei [4][„unerträgliche
Arroganz]“, „während Reiche problemlos weiter volltanken“. Dass die Grü…
die höheren Preise ausgleichen wollen, verschwieg sie. Offenbar merkt die
Linke nicht, dass sie damit Benzin ins Feuer von AfD und CDU gießt, die die
Grünen als scheinheilige Moralisten darstellen.
Wer 2021 noch mit dem Geldbeutel am Zapfhahn argumentiert, gehört in die
Redaktion der Bild. Statt für Mehrheiten zu kämpfen, zerfleischt man jene,
die einem nahe stehen. So will es die Tradition.
Klimapolitik als elitär zu verunglimpfen ist nicht mehr zeitgemäß. Die
Linke hängt, nicht nur in der Außenpolitik, an alten Feindbildern. Aber
wenn selbst der US-Präsident einen Green New Deal organisiert, wieso sollte
in Deutschland alles so bleiben, wie es im 20. Jahrhundert war?
Vor vier Jahren war ein Wahlsieg von Merkels CDU unausweichlich, und viele
Linken-Wähler*innen hatten kein Problem damit, Opposition zu wählen. Das
ist heute anders. Wenn die nächste Regierung keine radikale Klimapolitik
macht, können wir nicht noch mal vier Jahre warten und über
Kuba-Solidarität diskutieren.
Es hätte eine Chance auf Grün-Rot-Rot gegeben. Die SPD hat sich verändert,
das Wahlprogramm der Grünen ist links. [5][Nur die Linke spielt lieber
Kalter Krieg auf einer immer heißeren Erde.] Und wird dafür bei der Wahl
bestraft werden.
Mit diesem Schicksal hat sich die Partei abgefunden und greift deshalb nun
die Grünen an. Hauptsache, raus aus der Todeszone. Wer ums Überleben
kämpft, schaut nur auf sich.
Liebe Gemeinde, über Scheintote nur Gutes, heißt es. Deshalb beende ich
meine Trauerrede mit etwas Hoffnung. Die Linkspartei mag tot sein, ihre
Ideen leben weiter. Klingt kitschig, aber ist so: Es gibt mit Fridays for
Future eine soziale Bewegung, die dafür sorgen wird, dass die Antwort auf
den climate change ein system change sein wird.
Die SPD hat, 15 Jahre nach der Geburt der Linken, ihre Forderungen
übernommen. Und im Herbst, wenn die Grünen mit der CDU koalieren, kann
etwas Neues entstehen: eine Partei, die in Sachsen-Anhalt und Kreuzberg
gewählt wird, Klasse und Klima zusammen statt gegeneinander denkt.
Hauptsache, die Untoten erwachen nicht wieder zum Leben. Ruhe in Frieden!
6 Jun 2021
## LINKS
[1] /Die-Linke/!t5007994
[2] /Linkspartei-in-Sachsen-Anhalt/!5775198
[3] https://twitter.com/jankortemdb/status/1400081186781904897?s=20
[4] /Debatte-ueber-hoehere-Benzinpreise/!5771701
[5] https://www.zeit.de/2021/22/bundestagswahl-linksbuendnis-gruen-rot-rot-bund…
## AUTOREN
Kersten Augustin
## TAGS
Die Linke
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Dietmar Bartsch
Kolumne Materie
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
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