| # taz.de -- Nach der Wahl in Sachsen-Anhalt: Die Vision fehlt | |
| > Für Grün-Rot-Rot im Bund sieht es nach der Wahl in Sachsen-Anhalt trübe | |
| > aus. Mitte-Links kann derzeit keine Mehrheiten mobilisieren. | |
| Bild: Not so amused: Eva von Angern und Dietmar Bartsch nach der Niederlage am … | |
| Die [1][Landtagswahl in Sachsen-Anhalt] war mehr als ein Dämpfer für die | |
| Parteien links der Union. SPD, Linke und Grüne kommen zusammen auf gerade | |
| mal 25 Prozent. Das ist bitter für alle, die hoffen, da könnte was gehen. | |
| Der letzte große Stimmungstest vor der Bundestagswahl zeigt, dass | |
| Mitte-Links derzeit keine Mehrheiten mobilisiert. | |
| Dabei sind linke Themen doch mehrheitsfähig. Die meisten Menschen sehen die | |
| Wohnungspolitik in Deutschland kritisch, sieben von zehn befürworteten | |
| [2][im Herbst 2020 einen Mietendeckel]. Die Mehrheit der Bürger:innen | |
| ist für einen höheren Mindestlohn. Mehr als die Hälfte der Deutschen | |
| [3][sieht die Notwendigkeit einer Verkehrswende]. Und die Menschen sind | |
| auch mehrheitlich dafür, dass Reiche über eine Vermögenssteuer stärker in | |
| die Pflicht genommen werden. | |
| Bei diesen Themen gibt es große Schnittmengen zwischen Grünen, SPD und | |
| Linken. Die Chancen, dass sie eine ökologische und soziale Politik machten, | |
| wenn sie zusammen regierten, sind ausgesprochen gut. Nicht aber die Chance, | |
| dass sie zusammen regieren. Das Feuerwerk an guten Konzepten zündet nicht, | |
| es ist eher so, als wäre Grün-Rot-Rot schon verglüht. Das ist doppelt | |
| bitter. | |
| Die Situationen der drei Parteien unterscheiden sich. Die Grünen dürfte 5,9 | |
| Prozent am wenigsten schmerzen. Sie haben es im Osten generell nicht leicht | |
| und in Sachsen-Anhalt etwas dazugewonnen. Den größten Fehler, den die | |
| Grünen jetzt machen können, ist zu vermitteln, dass ihnen der Osten | |
| eigentlich schnurzegal ist und der (Saitan)-Braten eh im Westen fett wird. | |
| ## Besonders schmerzhaft | |
| Das würde vermutlich nur die AfD stärken, die sich als genuine Vertreterin | |
| von Ostinteressen inszeniert. Auch wenn sich für die Grünen aus dieser Wahl | |
| kein Trend für den Bundestagswahlkampf ableiten lässt – im Zweikampf | |
| Schwarz gegen Grün ist die Union nun in der besseren Ausgangsposition. | |
| Für die SPD zeigen die 8,4 Prozent in Sachsen-Anhalt, dass sie in Ländern | |
| nur Erfolg hat, wo sie die Ministerpräsident:in stellt. Als | |
| Koalitionspartnerin oder in der Opposition wird sie kaum in der Rolle des | |
| sozialen Korrektivs wahrgenommen. In Sachsen-Anhalt ist der Absturz | |
| besonders schmerzhaft. Vor 20 Jahren holte sie 36 Prozent. Es gibt nicht | |
| den Hauch einer Idee, wie sie jemals wieder so stark werden kann. Kein | |
| Wunder, dass Spitzenkandidatin Katja Pähle weinen musste, als sie am | |
| Wahlabend vor die Mikrofone trat. | |
| SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sieht seine Partei in Sachsen-Anhalt im | |
| Windschatten der CDU. Dass die SPD Gegenwind hat, trifft es eher. [4][Für | |
| den Bund ist Sachsen-Anhalt jedenfalls kein Rückenwind.] | |
| Für die Linke ist das Ergebnis besonders schmerzhaft. Sie musste von allen | |
| Parteien die größten Verluste verkraften – minus fünf Prozentpunkte. Dass | |
| sie dennoch zweistellig und drittstärkste Kraft blieb, ist nur eine | |
| schwacher Trost. Der jahrelange Sinkflug im Osten droht zum Sturzflug zu | |
| werden. Die Mitgliederzahlen sinken in den östlichen Ländern, das Image als | |
| Ostpartei ist perdu. | |
| ## Das Ende der Kümmererpartei | |
| Hinzu kommen jahrelange Auseinandersetzungen in der Bundespartei, die | |
| weniger inhaltlich als machtpolitisch geprägt waren. Obwohl die Linke gute | |
| Konzepte für armutsfeste Löhne und Renten hat, die auch fein durchgerechnet | |
| sind, gelingt es ihr nicht damit zu glänzen. | |
| Die einstige Kümmererpartei kümmert sich heutzutage lieber um sich selbst. | |
| Für die Linke im Bund, für die der Osten im Bundestagswahlkampf immer die | |
| Rückversicherung war, hat jetzt der Kampf gegen die Fünfprozenthürde | |
| begonnen. Die Devise lautet nun #obenbleiben und nicht mehr | |
| #cdurausausderregierung. | |
| Grüne, SPD und Linke werden aus dieser Wahl unterschiedliche Lehren ziehen. | |
| Parteiübergreifend gilt: [5][Es fehlt eine Erzählung von Grün-Rot-Rot.] Wie | |
| sähe ein Deutschland aus, in dem Grüne, Linke und SPD regieren würden? Das | |
| können sich viele Menschen zurzeit nicht vorstellen. Es fehlt an dem | |
| Willen, diese Vision zu entwickeln. Bei allen drei Parteien. | |
| 7 Jun 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tagesschau.de/wahl/ | |
| [2] /Mietendeckel/!t5567229 | |
| [3] /Aktionstage-fuer-Verkehrswende/!5776491 | |
| [4] https://www.deutschlandfunk.de/landtagswahl-sachsen-anhalt-norbert-walter-b… | |
| [5] https://www.tagesspiegel.de/politik/dobrindt-sieht-wahl-als-bundespolitisch… | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
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