# taz.de -- Erziehungsforscherin über Schul-Polizei: „Cop4U ist der falsche … | |
> Sinah Mielich kritisiert grundsätzlich das Konzept der Schulpolizisten. | |
> Die würden für Konflikte geholt, die nur pädagogisch zu lösen seien. | |
Bild: „Cop4U“, übersetzt „Polizist für dich“, auf einem Hamburger Sch… | |
taz: Frau Mielich, vor einer Woche kam ein Cop4U [1][vor einer Schule in | |
Bedrängnis]. Sie haben zu den Cop4U geforscht. | |
Sinah Mielich: Das ist schon ein paar Jahre her. Ich lief 2010 im Rahmen | |
eines Studienprojektes einen Monat lang drei Mal die Woche mit den | |
Polizisten mit und besuchte dabei auch Schulen. Ich wollte wissen, ob die | |
kontinuierliche Polizeipräsenz die Schule verändert und Einfluss auf das | |
pädagogische Arbeiten hat. | |
Wie kam es zu den Cop4U? | |
Die Maßnahme ist seit 2008 Teil des Handlungskonzepts gegen Jugendgewalt. | |
Die Idee geht aber zurück auf die CDU-FDP-Schill-Regierung. Laut dem | |
Konzept gab es zu meiner Zeit rund 240 Stadtteilpolizisten in dieser Rolle. | |
Ein Cop4U war für zwei Schulen in seinem Revier zuständig. | |
Finden Sie das Konzept sinnvoll? | |
Nein. Denn ich erlebte damals, wie alltägliche Konflikte an die Cop4U | |
übertragen wurden. Konflikte, die es an Schulen nun mal gibt und die | |
pädagogisch bearbeitet und gelöst werden müssten und könnten. | |
Zum Beispiel? | |
Wenn ein Schüler zehn Euro geklaut hat oder Schüler gemobbt wurden. Es | |
wurde sogar ein Cop4U gerufen, weil ein Schüler zurückgezogener war als | |
sonst, oder weil einem Schüler mitgeteilt wurde, dass er von der Schule | |
verwiesen wird. Das ist problematisch, weil ein Polizist offiziell nur mit | |
polizeilichen Maßnahmen reagieren kann. Er kommt in seiner Uniform und | |
führt ein „normverdeutlichendes Gespräch“. Oder er zeigt die Kinder und | |
Jugendlichen an. | |
Kinder sind nicht strafmündig. | |
Das stimmt. Aber Anzeigen gehören zum Programm. Da reichen schon die zehn | |
Euro. Und diese Anzeigen werden gesammelt. Wer eine bestimmte Anzahl hat, | |
kommt irgendwann auf eine Beobachtungsliste und muss unter Umständen an | |
Trainingsprogrammen gegen Jugendkriminalität teilnehmen, die umstritten und | |
stigmatisierend sind. | |
Dazu muss ich sagen: Die Polizisten, die ich da traf, waren sehr engagiert | |
in „ihrem“ Stadtteil. Sie handelten teils sogar pädagogischer als die | |
Lehrkräfte, weil sie in bestimmten Konflikten eine diskursive Bearbeitung | |
vorschlugen, anstatt mit polizeilichen Mitteln zu reagieren. Dafür sind sie | |
jedoch nicht angefragt. Dass ein Jugendlicher [2][von einem Cop4U zu Boden | |
gerissen] wurde, wie jetzt vor der Ida-Ehre-Schule, das erlebte ich in | |
meiner Hospitation nicht. So eine Zuspitzung hängt sicherlich mit der nicht | |
erst seit Corona verbreiteten, repressiven Beantwortung sozialer Probleme | |
zusammen. | |
Wie lief denn damals Ihr Alltag ab? | |
Wir liefen an den Schulen vorbei, guckten, wie die Lage ist, dann gab es | |
feste Sprechstunden an den Schulen, falls die Schülerinnen und Schüler ein | |
Problem hatten. Auf diese Weise soll auch ein Vertrauensverhältnis zur | |
Polizei aufgebaut werden. Das ist allerdings nicht unproblematisch, da der | |
Cop4U alle Straftaten anzeigen muss – ob er will oder nicht. Da er aber | |
nicht nur wegen Körperverletzung und Diebstahl geholt wird, ist die Hürde, | |
Vorfälle wie Rangeleien als mögliche Straftat zu bearbeiten, geringer. Der | |
Cop4U kann solche Konflikte zwar polizeilich bearbeiten, aber er kann sie | |
nicht produktiv lösen. | |
Wie sahen das denn die Polizisten? | |
Die Polizisten sprachen das auch an. Sie sagten, dass sie zu Fällen gerufen | |
wurden, die nicht Polizeiarbeit sind. Zum Beispiel, wenn sie bei Mobbing | |
gerufen wurden. Da kann ein Polizist nichts ausrichten. Da muss man | |
pädagogisch klären, was hier eigentlich der Konflikt ist. Es gab sogar den | |
Fall, dass ein Polizist den Schulleiter zu überzeugen versuchte, ein Kind | |
nicht anzuzeigen. | |
Ist es ihre Aufgabe, Jungen zu Boden zu bringen, die ihre Hände nicht | |
zeigen? | |
Seine Hände nach Aufforderung nicht zu zeigen, ist kein Fixierungsgrund. | |
Es hieß, der Junge hätte bewaffnet sein können. | |
Den Medienberichten zufolge geschah das gewalttätige Agieren des Polizisten | |
auf Basis einer Vermutung und damit auf Grundlage einer Stigmatisierung des | |
Schülers. Eskalative Konfliktführung hilft in so einer Situation nicht zur | |
Verständigung. | |
Die Schulleitung schreibt, eine schulfremde Person habe ihre Schüler | |
bedroht. Da bezog man den Cop4U ein. Der sei Vertrauensperson für die | |
Schule. | |
Der Umgang zwischen Vertrauten sieht für mich anders aus. Der Cop4U kann | |
eben nur für jene Vertrauter sein, die nicht zu Auffälligen wurden. | |
Nüchtern betrachtet führte das Verhalten nicht zu Deeskalation. | |
Sollte das Modell abgeschafft werden? | |
Ich finde, ja. Die Programmatik hat einen Fehler. Nahezu jeder Konflikt | |
wird unter dem Label der Jugendkriminalität gesehen. Zudem verlockt es die | |
Schulen dazu, bei jeder Kleinigkeit „ihren Hauspolizist“ zu rufen. Also: | |
Cop4U ist der falsche Weg. | |
Was schlagen Sie vor? | |
Die Lehrkräfte müssen sich besinnen, dass Konfliktbearbeitung eine | |
pädagogische Aufgabe ist und die notwendige Ausstattung einfordern. Und wir | |
brauchen eine lebendige Jugendarbeit und mehr Sozialpädagogen, die auch | |
außerhalb der Schule als Kommunalpädagogen Beziehungsarbeit leisten und | |
dabei unterstützen, Konflikte auf demokratische Weise zu führen. | |
29 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Eskalation-vor-Hamburger-Schule/!5794958 | |
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Schulleitung-reagiert-nach-Angriff-v… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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