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# taz.de -- Schuldspruch gegen Linken-Abgeordneten: „Eine politische Agenda“
> Der wegen Hausfriedensbruchs verurteilte Linken-Politiker Lorenz Gösta
> Beutin fürchtet eine Kriminalisierung der Klimabewegung. Und er hat
> Fragen an Armin Laschet.
Bild: Lorenz Goesta Beutin spricht im Juni 2021 im Bundestag zum Thema Klimasch…
Herr Beutin, Sie wurden am Donnerstag wegen Hausfriedensbruchs schuldig
gesprochen. Sind Sie jetzt vorbestraft?
Lorenz Gösta Beutin: Zum Glück nicht, die Grenze liegt bei 90 Tagessätzen
oder 3 Monaten Freiheitsstrafe. Das Gericht hat mich zu 25 Tagessätzen
verurteilt. Dennoch habe ich nicht mit einem Schuldspruch gerechnet. Das
Urteil ist ein Skandal und ich werde Revision einlegen.
Sie haben im Februar 2020 als Parlamentarischer Beobachter an einer Aktion
von Klimaschützern gegen das geplante Kohlekraftwerk Datteln IV
teilgenommen. Was ist an dem Tag passiert?
Ich habe gemeinsam mit drei, vier Journalist:innen eine Gruppe von Ende
Gelände begleitet, die gegen die Inbetriebnahme von Datteln IV
protestierten. Begleitet heißt, wir waren nicht Teil der Aktion, sondern
sind mitgegangen. Wir sind mit dem Bus angereist und den Aktivist:innen
durch das offene Tor auf das Gelände und auf eine Aussichtsplattform
gefolgt. Als die Polizei kam, haben sowohl die Journalist:innen als
auch ich uns vorgestellt. Ich mich als Parlamentarischer Beobachter.
Zunächst hieß es, wir sollten uns entfernen. Dann habe ich nachgefragt und
die Polizei teilte mir auch nach Absprache mit der Betreiberfirma Uniper
mit, dass ich mich als Beobachter auf dem Gelände frei bewegen könne.
Und das ist in der Verhandlung nicht berücksichtigt worden?
Der Zeuge der Polizei hat meine Aussage bestätigt. Uniper bestreitet es
aber.
Die Betreiberfirma Uniper hat die Anzeige gegen Sie und weitere Personen
damit begründet, dass nicht geduldet werden könne, dass die Sicherheit der
Mitarbeiter oder die Funktionsfähigkeit von Anlagen gefährdet werden könne.
Haben Sie Menschen oder Anlagen gefährdet?
Nein, durch meine Anwesenheit auf dem Gelände habe ich nichts und niemanden
gefährdet.
Waren noch andere Parlamentarische Beobachter:innen anwesend?
Ich war der einzige.
Werden die Rechte von Parlamentarier:innen durch das Urteil
eingeschränkt?
Man kann damit argumentieren, dass es sich ja um Privatbesitz handelt und
eine Beobachtung deswegen nicht stattfinden kann. Bislang war es aber
gängige Praxis, solche Proteste und die Polizeieinsätze zu begleiten und zu
beobachten, auch wenn sie auf Privatgelände stattfanden. Etwa im Hambacher
Forst aber auch bei Aktionen an Tagebauen. Das war in der Vergangenheit
hilfreich für beide Seiten. So konnten Missverständnisse vor Ort entschärft
werden. Es war das erste Mal, dass es eine Verurteilung in dieser Form gab.
Findet hier Einschüchterung statt?
Man kann das so werten. Und das muss man diskutieren im Kontext der Politik
in Nordrhein-Westfalen und dem Ministerpräsidenten und
Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Laschet hat immer auf die Karte der
fossilen Energiekonzerne gesetzt und schränkt jetzt mit einem rigiden
Polizeigesetz die Rechte von Protestierenden ein. Ich persönlich lasse mich
jedenfalls nicht einschüchtern, sondern werde als Parlamentarischer
Beobachter weiterhin Proteste begleiten.
Aber Ihre Verurteilung basierte doch nicht auf dem geplanten
Versammlungsgesetz in NRW, das massive Einschnitte, unter anderem ein
Militanzverbot und das Tragen von uniform-ähnlicher Kleidung, vorsieht.
Das stimmt. Aber es gehört mit in den politischen Kontext, den Kampf um
Klimaschutz und die drohende Kriminalisierung der Klimabewegung.
War das Urteil politisch motiviert?
In der Verhandlung wurde sehr deutlich, dass zumindest die
Staatsanwaltschaft eine politische Agenda verfolgte. Und die ist ja nicht
unabhängig, sondern dem nordrhein-westfälischen Justizministerium
unterstellt.
Welche Folgen kann das Urteil haben?
Die große Gefahr ist, dass parlamentarische und journalistische Beobachtung
in Zukunft stark eingeschränkt werden könnte. Denn viele Orte – Stadien,
Supermärkte, aber auch Tagebaue – sind nicht mehr in öffentlicher, sondern
in privater Hand. Diese Grauzone muss beseitigt werden und die
parlamentarische Beobachtung im Versammlungsgesetz festgeschrieben werden.
12 Aug 2021
## AUTOREN
Anna Lehmann
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Datteln
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Datteln
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