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# taz.de -- Griechische Kuratorin über Waldbrände: „Wir brauchen Solidarit�…
> Die Kuratorin Iliana Fokianaki spricht über die Folgen der Waldbrände in
> Griechenland. Mit der Natur ist auch Kulturinspiration verschwunden.
Bild: Eine Statue des Gottes Poseidon im von Rauch verhangenen Dorf Pefki auf d…
taz: Frau Fokianaki, Griechenland kämpft in jedem Jahr mit Waldbränden. Was
ist diesmal anders?
Iliana Fokianaki: Zwei Faktoren machen den Unterschied zu den letzten
Jahren aus. In erster Linie erhöht die Klimakrise die Temperaturen und die
Dürre, was jeden Sommer mehr Brände verursacht. Für Attika bedeutet dies
heißere Sommer und mehr Überschwemmungen im Winter. Schlechte Gesetzgebung
und jahrzehntelange Korruption sowie das Bauen auf Staudämmen verschlimmern
die Situation ebenfalls. Wissenschaftler rechnen bereits im kommenden
Winter mit Überschwemmungen in Attika. In diesem Jahr hatten wir jedoch
keine Kombination aus extremen Phänomenen. Wir hatten Hitzewellen, aber
keinen Wind, wodurch sich die Feuer langsamer ausbreiten, also sind wir
alle verblüfft, warum es diesmal so rasant gegangen ist. Zweitens machen
finanzielle Kürzungen aufgrund der Sparmaßnahmen gegenüber der Feuerwehr
einen Unterschied. Leider hat diese Regierung, obwohl sie seit 2019 über
die Mittel verfügt, die Entscheidung getroffen, die Feuerwehr nicht mit
Personal und Ausrüstung zu verstärken.
Es klingt vielleicht wie ein Luxusproblem angesichts so vieler Toter und
zerstörter Existenzen. Aber was bedeuten die Feuer für die Kultur?
Sie ist indirekt betroffen, da die Natur für viele Dichter, Musiker,
Schriftsteller, Schauspieler Inspiration ist und auch für bildende
Künstler. Einige von ihnen sind einfach als Bürger betroffen, die in den
verbrannten Gebieten leben. Wenn wir Kultur allgemeiner diskutieren, gibt
es Formen und Ausdrucksformen von Kultur, die sich auf traditionelle
Herstellungsweisen von Stoffen, Waren, Lebensmitteln, Musik und so weiter
beziehen, die aufgrund der [1][Zerstörung der Natur, insbesondere auf der
Insel Euböa], aufhören werden zu existieren. Sie können nicht ersetzt
werden, denn bis diese riesige Menge Urwald wiedergeboren wird, dauert es
selbst durch Wiederaufforstung mehr als 40 Jahre. [2][Die unmittelbare
Umgebung des antiken Olympia ist abgebrannt]. Und allein im Norden von
Euböa, der zweitgrößten Insel, die so sehr in Mitleidenschaft gezogen
wurde, gibt es mehr als 50 Festivals und Initiativen wie das Edipsos Folk
Dance Festival, die alle von den Bränden in Mitleidenschaft gezogen wurden.
In der Türkei macht die Regierung ausländische Geheimdienste und kurdische
Terroristen für die Feuer verantwortlich. Was ist das Narrativ in
Griechenland?
Die Regierung macht in ihren offiziellen Ankündigungen nur die Klimakrise
und die Hitzewelle verantwortlich. Sie müssen noch Verantwortung dafür
übernehmen oder erklären, wie sich die Brände so unerwartet schnell
ausbreiten konnten. Der Premierminister hat jedoch bereits erklärt, dass es
nach dem Löschen der Brände Selbstkritik geben wird. Inoffiziell treiben
sie durch Tweets von bestimmten Ministern die Erzählung von geplanten und
koordinierten Brandstiftern voran. Rechte und Neonazi-Trolle in den
sozialen Medien verbreiten das Narrativ von Flüchtlingen oder Migranten als
Brandstifter, verdächtigen die Opposition und beschuldigen sie, mit
Hashtags wie #ΣΥΡΙΖΑ_Εμπρηστές (#SYRIZA_Brandstifter, d. Red.), …
legen.
Griechenland hat noch kaum die Erschütterung von Staat und Gesellschaft
durch die Finanzkrise verkraftet. Wie wirkt sich die neuerliche
Feuerkatastrophe psychisch auf die Bevölkerung aus?
Wir sind alle am Boden zerstört. Allein in diesem Jahr gibt es seit Januar
den größten Hektarverlust in Griechenland seit vielen Jahren. 900.000
Hektar. Die ökologische Katastrophe ist unermesslich. Naturschutzzonen
werden niedergebrannt, geschützte Arten wurden von den Bränden vernichtet,
und speziell auf der Insel Euböa, auf der Milchprodukte und andere
landwirtschaftliche Produkte hergestellt werden, um nur ein Beispiel zu
nennen, wurden 20 Prozent des in Griechenland produzierten Honigs
verbrannt. Und wir alle wissen, was die Zerstörung von Tausenden von
Bienenstöcken für jedes Ökosystem bedeutet.
Wie kann man Griechenland in der derzeitigen Situation helfen? Politisch,
ökologisch, kulturell?
Ich persönlich denke, dass es notwendig ist, eine gesamteuropäische
Einrichtung gegen Brände und Überschwemmungen zu gründen und gut zu
finanzieren, also in erster Linie, um Katastrophen zu verhindern und nicht
nur zu delegieren. Gerade wegen der Klimakrise werden in einigen Jahren
auch in Nordeuropa Waldbrände ausbrechen. Wir brauchen Spezialisten mit
erweitertem und spezifischem Wissen, weil diese Phänomene ohne Prävention
nicht aufzuhalten sind, und dann natürlich spezialisierte Teams, die
Katastrophen bewerten und koordinieren. Trotzdem verfügen lokale
Gemeinschaften, die im und am Wald leben und arbeiten, über unschätzbares
Wissen und kennen das Land auswendig. Daher sind auch ihr Wissen, ihr
Zeugnis und ihre Erfahrung notwendig. Wir sehen es derzeit mit dem wütenden
Feuer in Euböa: Lokale freiwillige Feuerwehrleute sagen in den griechischen
Nachrichten, dass Feuerwehrleute, die von verschiedenen Orten ankommen,
eine Anleitung durch diejenigen benötigen, die mit den Wegen und der
Gestaltung des Waldes vertraut sind, und damit wertvolle Zeit verloren
geht.
Damit allein wird es vermutlich nicht gehen …
Abgesehen von diesem allgemeinen Plan gibt es natürlich viele Bedürfnisse,
aber wir alle sind bewegt von der immensen Solidarität eines großen Teils
der griechischen Gesellschaft und der internationalen Hilfe. Freiwillige
sind zu den Feuern gekommen, haben Waren und Medikamente gesammelt, um sie
an Feuerwehrleute und evakuierte Bevölkerung zu schicken, haben alle Arten
von Tieren, Haustieren, Vögeln untergebracht, ich habe von einer Frau
gelesen, die eine Ziege in ihr Auto gesetzt hat … viele bewegende
Geschichten. Wir brauchen, denke ich, das, was alle in den letzten Jahren
der sorglosen und nationalistischen EU-Politik brauchen: Solidarität.
11 Aug 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Ingo Arend
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