# taz.de -- Waldbrände in Griechenland: Flammende Solidarität | |
> Noch immer sind die verheerenden Waldbrände nicht unter Kontrolle. Der | |
> Feuerwehr fehlt es an Ausrüstung, die Bewohner*innen springen ein. | |
Bild: Freiwillige unterstützen die Feuerwehr in der Nähe von Athen am 06. Aug… | |
ATHEN taz | In der Suppenküche des Kollektivs Elchef im linken Athener | |
Studentenviertel Exarchia treffen am vergangenen Freitag viele Menschen | |
aufeinander. Eigentlich ist hier, wo sonst 150 bis 200 Mahlzeiten täglich | |
verteilt werden, jetzt Sommerpause. Gefolgt sind die freiwilligen | |
Helfer*innen dennoch dem Aufruf des Suppenküchenkollektivs. | |
Seit nunmehr sechs Tagen sammeln und verteilen die Unterstützer*innen | |
Hilfsgüter wie Augentropfen, Schmerzmittel, Bandagen, Sauerstoffflaschen, | |
Lebensmittel, Tierfutter und Wasserflaschen an die Feuerwehrleute und die | |
Opfer der [1][verheerenden Waldbrände] in der Region Attika rund um Athen. | |
Trotz extremer Hitze und obwohl die griechische Zivilschutzbehörde die | |
Bevölkerung dringend dazu aufruft, ihre Wohnungen und Häuser wegen der | |
starken Rauchbildung nicht zu verlassen, kommen am Nachmittag | |
kontinuierlich Leute, um neue Hilfsgüter zu bringen. Es scheint so, als | |
wolle man sich ein wenig Mut zusprechen, angesichts des hilflosen Gefühls | |
gegenüber der kilometerlangen Feuerfront. | |
Denn viele Einwohner*innen Griechenlands fühlen sich derzeit wie in | |
einem Ausnahmezustand. Ein Großteil ihres Landes steht in Flammen. Nicht | |
nur in den [2][Vororten von Athen] und in den Waldgebieten Attikas wütet | |
das Feuer und sind zahlreiche Häuser abgebrannt. Auch auf der Halbinsel | |
Euböa im Norden brennen Dörfer und auch für die Region Ilia auf dem | |
Peleponnes sind es schwierige Zeiten. Laut Expertenmeinung wurden in den | |
vergangenen vier Tagen 50 Prozent der Fläche zerstört, die normalerweise in | |
einer ganzen Feuersaison verbrennt. | |
In der Suppenküche in Exarchia erzählt Aktivistin Litsa, die ihren | |
richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, dass sie seit Tagen auf | |
den Beinen sei und derzeit mit nur zwei Stunden Schlaf pro Nacht auskomme. | |
Dreimal ist sie zuletzt mit Hilfsgütern zum Athener Vorort Varibobi | |
gefahren, wo es ebenfalls heftig brannte. Trotz der Angst, der | |
Kopfschmerzen und der Atemnot. „Man muss etwas tun, denn die Regierung | |
handelt gleichgültig“, sagt die junge Frau. So wie Litsa denken wohl viele | |
Griech*innen. Infolge der vielen Korruptionsskandale und des | |
Missmanagements, wie zuletzt während der Coronapandemie, haben viele | |
Bürger*innen das Vertrauen in die griechische Regierung verloren. | |
## Keine neue Ausrüstung für die Feuerwehr | |
Stattdessen ist Eigeninitiative gefragt, doch manchmal kommt eben auch | |
jedes noch so gut gemeinte Engagement zu spät. Zwei große Flüchtlingscamps, | |
die schließlich evakuiert wurden, hätten sie mit ihren Hilfsgütern nicht | |
mehr erreichen können, erzählt Litsa. Das Feuer hatte ihnen auf beiden | |
Seiten der Bundesstraße von Athen nach Lamia den Weg abgeschnitten. | |
Schockierend seien die Bilder auf dem Weg dorthin gewesen: Feuerwehrleute | |
und freiwillige Helfer, die ohne ausreichendes Gerät eine riesige | |
Feuerwalze bekämpften. | |
Denn die Ausrüstung der Feuerwehrleute im ganzen Land wurde seit 2009 nicht | |
erneuert. Und so fehlt es vielerorts an einfachsten Einsatzmitteln wie | |
Handschuhen, Augentropfen, Trinkwasser und Brandschutzsalben. In mehreren | |
Berichten der griechischen Presse heißt es zudem, dass der Vertrag mit | |
fünftausend Feuerwehrleuten für den landesweiten Brandschutz in Wäldern von | |
der Regierung nicht verlängert wurde, obwohl die Forstämter im ganzen Land | |
17,7 Millionen Euro forderten. Warum die Regierung laut Webportal News247 | |
stattdessen nur 1,7 Millionen Euro für die Brandbekämpfung zur Verfügung | |
stellte, fragen sich viele. | |
So wie auch der Biobauer und Ausbilder Thodoris Arvanitis aus Afidnes, | |
einer Ortschaft im Nordosten von Attika, der die Athener*innen seit | |
Jahren mit frischem Biogemüse beliefert. Eine ganze Nacht lang verteidigte | |
er – entgegen den Anweisungen der Polizei – sein Stück Land mit nur ein | |
paar Wassereimern, nachdem das Feuer seine Bewässerungsschläuche zerstörte. | |
Dass sein bebautes Land nur knapp dem Feuer entkam, hat er auch einem | |
seiner ehemaligen Schüler zu verdanken, der bei der Feuerwehr arbeitet. Um | |
5 Uhr morgens hatte Thodoris Arvanitis einen Hilferuf in den sozialen | |
Netzwerken gepostet, den der ehemalige Schüler gelesen hatte. In letzter | |
Minute kam er mit einem Feuerwehrauto vorbei. Vom Staat fühlt sich Thodoris | |
Arvanitis – so wie auch viele Griechen*innen, die zuletzt ähnliche | |
Erfahrungen sammelten – völlig im Stich gelassen: „Auf Solidarität kann m… | |
zählen, aber nicht auf einen staatlich organisierten professionellen | |
Brandschutz.“ | |
8 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christina Pfäffle | |
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