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# taz.de -- Verheerende Brände in Algerien: Dutzende vom Feuer verschluckt
> Brände verwüsten den Norden Algeriens, mindestens 65 Menschen sterben.
> Die Regierung macht ausschließlich kriminelle Brandstifter
> verantwortlich.
Bild: Verzweifelt versuchen die jungen Männer in Tizi Ouzou das Feuer zu lösc…
Berlin taz | Die Zahlen steigen stündlich. 65 Tote, darunter 28 Soldaten,
meldeten Algeriens Staatsmedien bis Mittwochnachmittag als Ergebnis der
verheerenden Brände, die seit mehreren Tagen die zerklüfteten Bergwälder
der Kabylei im Norden des Landes verwüsten. Die Regierung hat drei Tage
Staatstrauer ausgerufen; die Medien sind voll von patriotischen Appellen
zur nationalen Solidarität.
Nordafrika erlebt aktuell extreme Hitze, mit Tagestemperaturen von bis zu
46 Grad Celcius in Algerien und sogar 49 Grad in Tunesiens Hauptstadt
Tunis. Zusammen mit Trockenheit und Wind ist das eine ideale
[1][Voraussetzung für Feuerkatastrophen]. Seit Montag brennen Wälder und
Gebüsch in insgesamt 17 Landkreisen Algeriens. War die Zahl der aktiven
Brände zwischen Dienstagabend und Mittwochmorgen von 99 auf 69 gefallen,
stieg sie bis zum Mittag erneut auf 86, berichteten Medien unter Berufung
auf die nationale Waldbehörde.
Ausgangspunkt ist der Landkreis Tizi Ouzou. Fotos zeigen über der größten
Stadt der Kabylei Flammen und dichte Rauchwolken, die aus den locker
bewaldeten Hügeln ringsum aufsteigen. Allein hier kamen bisher 17 Menschen
ums Leben. Viele Dörfer im Umland sind abgebrannt, ihre Bewohner haben sich
in die Stadt geflüchtet, oft unter Lebensgefahr.
Lokale Medien berichten von unzähligen Dramen in von Bränden eingekesselten
Dörfern: ein Mädchen, das bei der Evakuierung vom offenen Lastwagen ins
Feuer fiel; ein Junge, der noch versuchte, das Vieh der Familie
zusammenzutreiben, aber nicht mehr zurückkam. Bei der Evakuierung
gefährdeter Menschen starben allein am Dienstag 28 Soldaten in den
Landkreisen Tizi Ouzou und Bejaia, wie die Behörden am Mittwoch
bekanntgaben.
## Mit Kriegsmetaphern gegen das Feuer
„Wie im Krieg“ sei das, werden Fliehende zitiert. Die Menschen in der
Kabylei erinnern sich noch gut an den [2][Bürgerkrieg zwischen Armee und
islamistischen Terrorgruppen] in den 1990er Jahren und an den
[3][Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich] in den 1950er Jahren. „Die
Ältesten versichern, dass sie so etwas seit dem Befreiungskrieg und den
Napalm-Bombardierungen der Dörfer durch die Kolonialarmee nicht mehr
gesehen haben“, schreibt das Onlinemedium TSA (Tout sur l’Algérie).
Metaphern eines Krieges, der alle Algerier gegen den Feind vereine,
dominieren auch die offiziellen Stellungnahmen. Präsident Abdelmadjid
Tebboune schrieb auf Twitter, das Land werde „siegreich wie in der
Vergangenheit“ aus der „schweren Prüfung“ hervorgehen. In der Zeitung
L’Expression schrieb der Kommentator Said Boucetta, die Feuer seien ein
„feindseliger Akt gegen Algerien“. Er zeigt sich überzeugt, dass
ausschließlich Brandstiftung die Ursache sei, da unter natürlichen
Umständen nie so viele Feuer gleichzeitig ausbrechen könnten.
Premierminister Aïmene Benabderrahmane verbreitete bereits am Dienstagabend
diese Sicht der Dinge im Staatsfernsehen: „Erste Indizien deuten darauf
hin, dass es sich um kriminelle Feuer handelt“, sagte er und nannte die
Brandstifter „Feinde der Natur und des Vaterlandes“. Der Staatsrundfunk
meldete am Dienstag die Festnahme von vier „Pyromanen“ in Médéa und Annab…
Die miserable Ausstattung der Feuerwehr tritt dabei in den Hintergrund.
Berichten zufolge sind in Algerien keine Löschflugzeuge im Einsatz, sondern
lediglich sechs Hubschrauber. Ansonsten ist die Bekämpfung Sache der
Kreisfeuerwehren. In sozialen Netzwerken fehlt es nicht an Hinweisen, dass
es in Algerien zwar jede Menge [4][Wasserwerfer zum Einsatz gegen
Demonstranten] gibt, aber nicht genug Löschfahrzeuge zum Einsatz gegen
Brände.
11 Aug 2021
## LINKS
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[2] /Volksabstimmung-in-der-Schweiz/!5356386
[3] /Kolonialverbrechen-Frankreichs/!5757403
[4] /Protestbewegung-in-Algerien/!5753632
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Algerien
Waldbrände
Schwerpunkt Klimawandel
Mittelmeer
Hitzewelle
Schwerpunkt Türkei
Feuerwehr
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