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# taz.de -- Platzverteilung auf der Straße: Pop-up-Radwege sind möglich
> Ein Gutachten zeigt: Kommunen könnten viel mehr öffentlichen Raum
> zugunsten von Radler:innen und Fußgänger:innen umverteilen.
Bild: Alles ist möglich: Pop-Up-Radweg in Berlin
Berlin taz | Städte und Länder haben viel mehr rechtlichen Spielraum,
öffentlichen Raum zugunsten von Radler:innen und Fußgänger:innen
umzuverteilen, als sie bislang nutzen. Temporäre Radwege, die sogenannten
Pop-up-Bikelanes, können von Kommunen rechtssicher angelegt werden.
Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das an diesem Dienstag
veröffentlicht werden soll und der taz vorab vorlag. Es heißt [1][„Zur
Möglichkeit einer gerechten Flächenverteilung in Innenstädten“,] erstellt
haben es die Bielefelder Rechtswissenschaftler:innen Melanie Engels
und Andreas Fisahn im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Die meisten Städte tun sich grundsätzlich schwer damit, neue Radwege oder
reine Fußgänger:innenbereiche auszuweisen und im Gegenzug Platz für
Autofahrer:innen zu verknappen. In der Coronakrise sind an etlichen
Orten temporäre Radwege entstanden, weil der Radverkehr stark zunahm.
[2][In vielen Kommunen dauern die Diskussionen darüber aber noch an,] weil
sich die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung dagegen sperren. Sie
verweisen dabei oft auf die Rechtslage. „Wir wollen mit dem Gutachten
Städte dazu ermuntern, vorhandene Spielräume auch zu nutzen“, sagt Mario
Candeias, Direktor des Instituts für Gesellschaftsanalyse der
Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linkspartei nahesteht.
Die Pop-up-Radwege in der Coronakrise haben gezeigt, dass sich mithilfe von
Baken oder Pollern auch ohne langwierige Umbauten schnell mehr Raum
zugunsten von Radler:innen schaffen lässt. Und das stehe im Einklang mit
den erlaubten straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen, stellen die
Gutachter:innen der Rosa-Luxemburg-Stiftung fest. Schließlich werde nur
ein Teil der Straße für den Autoverkehr gesperrt.
## Kassiert in nächster Instanz
Letztinstanzliche Urteile gibt es dazu noch nicht. Gegen die Berliner
Pop-up-Radwege hatte ein AfD-Politiker geklagt. In der ersten Instanz hatte
der Kläger mit dem Hinweis Recht bekommen, der Senat habe die Gefahrenlage
im Verkehr – mit der die Einrichtung gerechtfertigt werden muss – nicht
belegt.
Nachdem der Senat das nachgeholt hatte, hatte die nächste Instanz
signalisiert, dass sie das Urteil kassieren würde, worauf der AfD-Politiker
die Klage zurückgezogen hatte. Nach Auffassung der Gutachter:innen muss
aber gar keine besondere Gefahrenlage bestehen. Es bedürfe „lediglich eines
Nachweises, dass die erstrebten Wirkungen nicht auch ohne diese Maßnahmen
erreicht werden könnten“.
Bei der Neuverteilung von öffentlichem Raum gibt es durchaus erhebliche
Hürden und Verbesserungsbedarf, zeigt das Gutachten. Autofreie Straßen zum
Beispiel lässt das Bundesrecht nicht ohne Weiteres zu, jede einzelne Straße
muss geprüft und die Änderung begründet werden. „Der Begriff Straße
bedeutet so gut wie immer zugleich Automobilverkehr“, schreiben die
Autor:innen.
## Länder haben Gestaltungsspielraum
Für große Gebiete Maßnahmen zugunsten von Fußgänger:innen und
Radler:innen zu erlassen, ist auf Grundlage des Bundesrechts für
Kommunen schwierig. Denn die geforderten Voraussetzungen müssen für jede
einzelne Straße vorliegen, so die Gutachter:innen, „zumindest solange der
Gemeingebrauch immer als gleichbedeutend mit Automobilverkehr interpretiert
wird“. Sie plädieren für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung, die ab…
nur über die Bundesebene erfolgen kann.
Trotzdem ist großflächiges Vorgehen in Städten schon heute möglich, wenn es
politisch gewollt ist. Denn die Länder haben mit ihren Straßen- und
Wegegesetzen erheblichen Gestaltungsspielraum – was insbesondere den
Stadtstaaten große Möglichkeiten eröffnet. „Wünschenswert wäre eine wohl
insgesamt radikale Hinwendung zu einem Präventionsstaat, der Krisen schon
weit im Vorfeld antizipieren kann und nicht erst dann aktiv wird, wenn eine
konkrete Gefahr besteht“, heißt es in dem Gutachten.
Mit ihrer Rechtsauffassung sind die Gutachter:innen der
Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht allein. Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits
[3][vor einigen Monaten ein Gutachten veröffentlicht], nach dem
Pop-up-Radwege rechtlich zulässig sind. Darin stellen auch die Berliner
Rechtsanwält:innen Remo Klinger und Silvia Ernst fest, dass Städte
Maßnahmen für eine Verkehrswende rechtssicher anordnen und schnell umsetzen
können.
3 Aug 2021
## LINKS
[1] https://www.rosalux.de/publikation/id/44725
[2] /Pop-up-Fahrradwege-auf-dem-Vormarsch/!5759413
[3] https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Verkeh…
## AUTOREN
Anja Krüger
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