# taz.de -- Rechtsextreme Chatgruppe in der Polizei: Hitler als Zufallsfund | |
> Die Berliner Polizei ermittle intern zu langsam, kritisieren Grüne und | |
> Linke. Die CDU wirft ihnen Hass auf Polizisten vor. | |
Bild: Manche Polizisten in Berlin stehen noch auf ganz andere Abzeichen | |
BERLIN taz | Linke und Grüne werfen der Berliner Polizei vor, nicht | |
engagiert genug gegen Rechtsextreme in den eigenen Reihen vorzugehen. „In | |
manchen Dienststellen herrscht offenbar ein Klima, wo solche Einstellungen | |
gedeihen können“, sagte Niklas Schrader (Linke) am Montag im Innenausschuss | |
des Abgeordnetenhauses. Es bestehe „eine gewisse Wahrscheinlichkeit“, dass | |
in den nächsten Monaten weitere Fälle bekannt würden. | |
Anlass der Debatte im Ausschuss war die Mitte Juli aufgedeckte | |
[1][mittlerweile dritte Chatgruppe], in der Polizist*innen offenbar | |
rechtsextreme Inhalte geteilt hatten. Darüber hinaus war zuletzt eine | |
ähnliche Gruppe unter Berliner Polizeischüler*innen aufgeflogen. | |
Benedikt Lux, Innenexperte der Grünen, kritisierte, dass die Polizei zu | |
lange brauche für die internen Ermittlungen. Konkret ging es um ein bei | |
einem verdächtigen Polizisten beschlagnahmtes Mobiltelefon, dessen | |
Auswertung mehr als ein Jahr dauerte. „Da hat die Polizei ein heißes Handy. | |
Warum schaut man da nicht mal rein, was drauf ist, sondern wartet auf die | |
Gesamtauswertung?“ | |
Am 14. Juli waren die Wohnungen von fünf Polizist*innen durchsucht | |
worden, die in einer Chatgruppe namens „Die Eierköppe“ rechtsextreme | |
Inhalte geteilt haben sollen. Dabei wurde eine „nicht unerhebliche Menge an | |
Datenträgern“ beschlagnahmt, berichtete Polizeivizepräsident Marco Langner | |
im Ausschuss. | |
Die Chatmitglieder sollen von November 2017 bis November 2019 Bild- und | |
Videodateien ausgetauscht haben. Ermittelt werde gegen sie wegen | |
Volksverhetzung und des Verwendens von verfassungsfeindlichen Symbolen. Den | |
Beamt*innen auf die Spur gekommen war die Polizei laut Langner durch | |
frühere Ermittlungen gegen den Polizisten Detlef M. | |
Er war Teil einer anderen Chatgruppe vor allem mit AfD-Mitgliedern, in der | |
er kurz nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz 2016 | |
Polizeiinterna teilte. Von M. wiederum weist eine Spur zu einem Neonazi, | |
der als Hauptverdächtiger [2][im sogenannten Neuköllnkomplex gilt], einer | |
bisher nicht mal ansatzweise aufgeklärten Reihe von mutmaßlich | |
rechtsextremen Anschlägen vor allem auf Linke. | |
## Keine Verbindungen zur Neuköllner Anschlagsserie | |
Laut Polizeivizepräsident Langner gebe es bei der jüngsten aufgeflogenen | |
Chatgruppe bisher keine Verbindungen zum Neuköllnkomplex. Unklar blieb am | |
Montag jedoch, in welchen Dienststellen die Beamten arbeiteten – Auskünfte | |
dazu könnten die Ermittlungsarbeit gefährden, sagte Langner. | |
Ins Leere lief die Verteidigungsstrategie von Innensenator Andreas Geisel | |
(SPD). Er hatte zu Anfang der Sitzung betont, dass die gehäufte Aufdeckung | |
rechter Chatgruppen „Ergebnis unseres Handelns“ sei. Man ermutige die | |
Polizisten, solche Fälle nicht mehr zu tolerieren, sondern zu melden. | |
Tatsächlich sprach aber auch Stefan Redlich, Vizechef des Berliner | |
Landeskriminalamts (LKA), im Ausschuss von „Zufallsfunden“, die auf die | |
Spur der Chatgruppen geführt hätten. | |
Das sei auch ein Grund für die lange Dauer der Ermittlungen: Man habe erst | |
prüfen müssen, ob es für andere Verfahren genutzt werden konnte. Ein | |
anderer Grund sei die immense Anzahl von Daten auf dem Handy: „Wir reden | |
hier von 200.000 Whatsapp-Nachrichten, 32.000 Bilddateien und Hunderten von | |
Kontakten. Das alles musste mit einer gewissen Gründlichkeit geprüft | |
werden“, sagte Redlich. Es spreche für die gründliche Arbeit des | |
Staatsschutzes im LKA, dass aus Hunderttausenden Nachrichten eine | |
verdächtige und aus Tausenden Bildern 19 verdächtige Dateien gefunden | |
worden seien. | |
## Neue Schulungen für Führungskräfte | |
Um solche Fälle künftig früher zu erkennen, gäbe es laut Redlich neu | |
entwickelte Schulungen für Führungskräfte. Zudem soll künftig ein bisher | |
nur für die Korruptionsbekämpfung in der Polizei genutztes anonymes | |
Hinweisgebersystem auch für diese Delikte genutzt werden. | |
Die Debatte im Ausschuss war geprägt vom Wahlkampf. Die CDU warf | |
insbesondere Linken und Grünen Kritik an der Polizei aus rein ideologischen | |
Gründen vor. „Ihr Narrativ ist es, die rechtsstaatlichen Institutionen zu | |
destabilisieren“, sagte Fraktionschef Burkard Dregger. Sein Kollege Kurt | |
Wansner sagte zu Niklas Schrader: „Sie hassen Polizeibeamte, sagen Sie es | |
doch offen.“ | |
Schrader hatte zuvor erklärt, angesichts der vielen aufgedeckten | |
Chatgruppen müsse man Sorge haben, dass es sich um ein „strukturelles | |
Problem“ handle. Er wiederum warf der CDU eine Verharmlosung des Problems | |
vor. „Sie bestärken Menschen, die Hitlerbilder teilen, darin, dass das | |
nicht so schlimm sei. Wir brauchen eine andere Haltung auch bei | |
Konservativen, sonst wird sich das Problem weiter vergrößern.“ | |
16 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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